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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / InstanzenzugserschöpfungLeitsatz
Schriftlicher Verwaltungsakt der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens - normative Wirkung im Hinblick auf §23 Abs2 Z1 KWG idF BGBl. 325/1986; keine "verfahrensregelnde" Anordnung iS des §152 Abs1 zweiter Satz FinStrG - Unzulässigkeit der Beschwerde wegen Nichterschöpfung des InstanzenzugesSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Das Finanzamt Baden als Finanzstrafbehörde erster Instanz richtete am 13. Jänner 1988 unter Straflisten-Nr. 11/88 an Dr. R G, wohnhaft in Baden, eine Note folgenden Inhaltes:
"1. Gegen Sie wird das Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht besteht, daß Sie vorsätzlich im Bereich des Finanzamtes Baden unter Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungs- und Wahrheitspflichten durch die Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen für 1982 bis 1985 und unrichtiger Vermögensteuererklärungen zum 1. Jänner 1983 und zum 1. Jänner 1986 Verkürzungen an Einkommensteuer und Vermögensteuer in noch zu bestimmender Höhe bewirkt und hiemit ein Finanzvergehen nach §33 Abs1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) begangen haben.
2. Hievon werden Sie gemäß §83 Abs2 FinStrG verständigt.
3. Es wird Ihnen zu gegebener Zeit Gelegenheit zur Rechtfertigung gegeben werden (§116 FinStrG). . . "
1.2. Dr. R G ergriff dagegen eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, worin er begehrt, der VfGH möge den zu Punkt 1.1. beschriebenen Verwaltungsakt ("Einleitung des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens") - wegen Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten - als verfassungswidrig aufheben.
2. Über die Beschwerde wurde erwogen:
2.1.1. Gemäß Art144 Abs1 Satz 1 B-VG idF BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden.
2.1.2. Der VfGH legte in seinen Entscheidungen VfSlg. Anhang Nr. 2/1957 und VfSlg. 4699/1964 dar, daß die Verständigung von der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens nicht als Bescheid im Sinn des Art144 Abs1 B-VG zu qualifizieren sei, weil ihr der bescheidessentielle individuellnormative Charakter fehle, es sich dabei also um keinen Verwaltungsakt handle, der für den einzelnen Fall die Gestaltung oder Feststellung von Rechten oder Rechtsverhältnissen zum Inhalt habe.
An dieser Rechtsauffassung hielt der VfGH auch in seinem Beschluß VfSlg. 10421/1985 fest, in dem er - im Hinblick auf den Einwand, daß die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens nach §23 Abs2 Z1 KWG Rechte des Betroffenen (nämlich das Recht auf Wahrung des Bankgeheimnisses) aufhebe oder doch vorläufig sistiere, also in dieser Beziehung normative Wirkung entfalte - ua. ausführte:
" . . . Denn die vom Bf. herausgestellte Vorschrift des §23 Abs2 Z1 KWG besagt nur, daß die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses 'im Zusammenhang' mit gerichtlichen Strafverfahren bzw. mit Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen nicht besteht, ohne diese Folge an die formale Verfahrenseinleitung selbst zu knüpfen (s. dazu ausführlich: VwGH 30.1.1985 Z84/13/0261)".
2.1.3. Durch die KWG-Nov. 1986, BGBl. 325, wurde nun die Rechtslage mit Wirkung vom 1. Jänner 1987 in eben diesem Punkt geändert, der für die Frage nach der Bescheidqualität der hier das Strafverfahren in Gang setzenden Maßnahme bedeutsam und wesentlich ist:
§23 Abs2 Z1 KWG idF der Nov. BGBl. 325/1986 besagt
nämlich, daß die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses
ua. im Zusammenhang mit 'eingeleiteten' Strafverfahren wegen
vorsätzlicher Finanzvergehen nicht bestehe, stellt also - im
Gegensatz zur bisherigen Rechtslage (erkennbar im Interesse der
Erhöhung der Rechtssicherheit: vgl. EB zur RV betr. ua. die Nov. des
KWG, 934 BlgNR XVI. GP, S 36) - ausdrücklich auf den (Formal-)Akt
der Verfahrenseinleitung ab, mit der das Recht des Verdächtigen auf
Wahrung des Bankgeheimnisses - in hier nicht näher zu erörterndem
Umfang - aufgehoben wird (s. Jabornegg-Strasser-Floretta, Das
Bankgeheimnis, Ergänzungsheft 1987, S 10 (zu 6.2.6.5.): " . . .
nunmehr (ist) durch §23 Abs2 Z1 KWG ausdrücklich klargestellt
worden, daß nur 'eingeleitete' Strafverfahren das Bankgeheimnis
durchbrechen können . . . ").
2.1.4. Demgemäß kommt dem - vorliegend bekämpften schriftlichen Verwaltungsakt der Einleitung (nicht etwa der bloßen Verständigung von der schon vollzogenen Einleitung) eines Strafverfahrens wegen vorsätzlicher Finanzvergehen nach dem FinStrG (- der in rein formaler Hinsicht nach Lage dieses konkreten Falles (auch) angesichts seiner Textierung den Mindestvoraussetzungen eines Bescheides genügt (vgl. ua. VfSlg. 9308/1981, 9841/1983) -) kraft §23 Abs2 Z1 KWG in novellierter Fassung - ebenso wie Beschlüssen auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach dem BDG 1977 bzw. BDG 1979 (VfSlg. 8686/1979, 9489/1982, 10086/1984, 10997/1986) - aus den bereits dargelegten Gründen normative Wirkung zu, sodaß sich der Beschwerdegegenstand, wie der Bf. sinngemäß zutreffend geltend macht, in der Tat als "Bescheid" in der Bedeutung des Art144 Abs1 Satz 1 B-VG darstellt (anders die Rechtslage nach §29 Abs3 Disziplinarstatut (für Rechtsanwälte), RGBl. 40/1872: VfSlg. 9425/1982, 10944/1986, 11448/1987).
2.2.1. Gemäß Art144 Abs1 letzter Satz B-VG idF BGBl. 302/1975 iVm §82 Abs1 VerfGG 1953 idF BGBl. 353/1981 kann ein Bescheid indessen erst nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges mit Beschwerde beim VfGH angefochten werden.
2.2.2. §151 Abs1 FinStrG räumt gegen Erkenntnisse im Finanzstrafverfahren das Rechtsmittel der Berufung ein; gegen alle sonstigen im Finanzstrafverfahren ergehenden Bescheide - so auch gegen den eingangs zu Punkt 1.1. bezeichneten - ist gemäß §152 Abs1 Satz 1 FinStrG das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig, weil nicht ein Rechtsmittel gesetzlich für unzulässig erklärt wurde. Als "verfahrensregelnde" Anordnung in der Bedeutung des §152 Abs1 Satz 2 FinStrG, gegen die ein abgesondertes Rechtsmittel versagt ist, kann der angefochtene Verwaltungsakt - wie beizufügen bleibt - schon deshalb nicht gewertet werden, weil es hier um die bescheidmäßige Einleitung des Strafverfahrens überhaupt, nicht bloß um eine diesem Schritt nachfolgende formlose prozeßleitende Verfügung ohne selbständigen Normcharakter geht.
2.2.3. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß hier Gegenstand einer an den VfGH gerichteten Beschwerde erst ein im Instanzenzug erlassener Bescheid der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz sein könnte.
2.3. Die Beschwerde war darum - mangels Ausschöpfung des administrativen Instanzenzuges - als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß es eines Eingehens auf das Beschwerdevorbringen in der Sache selbst bedurfte.
2.4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 idF der Nov. BGBl. 353/1981 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Finanzstrafrecht, VfGH / Bescheid, Bescheidbegriff, Verfahrensanordnung, VfGH / InstanzenzugserschöpfungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B92.1988Dokumentnummer
JFT_10119391_88B00092_00