TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/13 88/06/0014

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Veröffentlicht am 13.12.1990
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
BauO Tir 1978 §40 Abs2;
BauO Tir 1978 §40 Abs3;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Würth, Dr. Leukauf und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 21. Juli 1987, Zl. Ve-550-1361/1, betreffend die Untersagung der Fortsetzung von Bauarbeiten und Androhung der Beseitigung einer nicht bewilligten baulichen Anlage (mitbeteiligte Partei: Gemeinde N, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Tiroler Landesregierung (belangte Behörde) wies mit Bescheid vom 21. Juli 1987 die von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Juni 1987 erhobene Vorstellung ab. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführerin sei mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 26. Februar 1987 gemäß § 40 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung (TBO) die Fortsetzung der Arbeiten bei dem Wohnhaus mit PKW-Garage auf der Gp. nn/12 KG. O untersagt und ihr gleichzeitig für den Fall des Nichteinreichens eines nachträglichen Bauansuchens die Beseitigung der nichtbewilligten baulichen Anlage angedroht worden. Die Baubehörde erster Instanz habe ihre Entscheidung damit begründet, daß bei einem Lokalaugenschein in der tatsächlichen Ausführung des Bauvorhabens Abweichungen von der erteilten Baubewilligung festgestellt worden seien.

In der dagegen erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, daß der Rohbau vor 10 Jahren nach den genehmigten Plänen erstellt worden sei. Sollten Bauabweichungen vorliegen, so wäre hiefür das beauftragte Bauunternehmen zuständig. Die Behörde habe es zudem unterlassen, zu begründen, weshalb es sich wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handle. Die Maße der Höhe der Garage seien nicht richtig festgestellt worden. Auch sei das Erdreich seit 1976 gesunken. Die Unterkellerung sei laut Plan genehmigt worden.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. Juli 1987 sei der Berufung keine Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid bestätigt und in der Begründung ausgeführt worden, daß bei Bauordnungswidrigkeiten eine Verjährung nie eintrete. Der Bausachverständige habe festgestellt, daß die Höhe der Westwand der Garage mehr als 2,80 m betrage und die Garage laut Plan ausdrücklich als "nicht unterkellert" genehmigt worden sei.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung sei nebst zahlreichen unsachlichen Bemerkungen gerügt worden, daß die Beschwerdeführerin nicht zum Lokalaugenschein geladen worden sei. Weiters sei nicht erkennbar, welche Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben tatsächlich vorliegen. Auch weise die Beschwerdeführerin erneut darauf hin, daß die Verantwortlichkeit für allfällige Bauabweichungen nicht bei ihr, sondern bei dem beauftragten Bauunternehmen liegen müsse. Auch hätte nicht sofort der Abbruch des gesamten Baues verfügt werden dürfen.

Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides dazu aus, daß die Behörde gemäß § 40 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung die Fortsetzung der Arbeiten an einem Bauvorhaben zu untersagen hat, wenn ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ausgeführt wird, für das keine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt. Werde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Untersagungsbescheides nicht nachträglich um die Baubewilligung angesucht oder werde die Baubewilligung nicht erteilt, so habe die Behörde die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch Beseitigung der baulichen Anlage, für die keine Bewilligung vorliegt, zu verfügen. Gemäß § 40 Abs. 3 TBO sei die Bestimmung des Abs. 2 sinngemäß anzuwenden, wenn die Bauausführung von dem bewilligten Bauvorhaben abweicht und diese Abweichung eine Änderung des Bauvorhabens darstellt, zu deren Vornahme auch bei bestehenden baulichen Anlagen eine Baubewilligung erforderlich wäre. Die Bestimmung des § 40 Abs. 2 TBO gliedere sich demnach in zwei Verfahrensschritte, nämlich die Verfügung der Baueinstellung und - unter den genannten Voraussetzungen - in den Beseitigungsauftrag zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes.

Gegenstand des Verfahrens sei die Untersagung der Fortsetzung der Bauarbeiten an dem Wohnhaus mit PKW-Garage auf der Gp. nn/12 KG. O, nicht aber schon - wie die Beschwerdeführerin meine - der Auftrag zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch Beseitigung der baulichen Anlage. Diese sei von der Baubehörde zunächst nur im Sinne des § 40 Abs. 2 TBO für den Fall des Eintretens der weiteren Voraussetzungen dieser Bestimmung angedroht worden.

Bei dem am 15. Dezember 1986 von der Baubehörde vorgenommenen Lokalaugenschein, zu dessen Durchführung diese aufgrund des § 39 TBO ermächtigt sei und der zudem ja sogar von der Beschwerdeführerin angeregt worden sei, habe der Bausachverständige der mitbeteiligten Gemeinde folgende von der erteilten Baubewilligung nicht umfaßte Bauabweichungen festgestellt:

"1) Aus dem Schnittplan ergibt sich, daß die Deckenoberkante des Erdgeschosses ca. 35 cm über dem angrenzenden Gelände zu liegen kommen soll. Tatsächlich wurde diese Decke ca. 75 cm über dem Gelände angeordnet und somit die Höhenlage höher als genehmigt ausgeführt.

2) Unter der PKW-Garage wurde ein in den Plänen nicht vorgesehener Keller errichtet.

3) Die geplante Wandhöhe der PKW-Garage nach Westen von 2,80 m wurde bei weitem überschritten. Dies hat sich einerseits aus der erhöhten Höhenlage und zum anderen aus einer höheren Geschoßhöhe der PKW-Garage - als in den Plänen genehmigt - ergeben. Zu ersehen ist dies in der Nordansicht, in welcher die Unterkante des Garagendaches unmittelbar über der Hauseingangsöffnung beginnt. In der Natur ist jedoch die Unterkante des Daches ca. 60 cm über dem vorhin genannten Punkt."

Da diese Ausführungen des Bausachverständigen der mitbeteiligten Gemeinde von der Beschwerdeführerin nicht auf gleicher fachlicher Ebene widerlegt worden seien, habe auch für die belangte Behörde kein Anlaß bestanden, diese in Zweifel zu ziehen. Der Sachverständige habe genau dargelegt, welche konkreten, von der erteilten Baubewilligung nicht umfaßten Bauabweichungen durchgeführt worden seien. Insofern könne auch das nicht näher begründete Vorbringen, die Beschwerdeführerin wisse nicht, welche Bauabweichungen vorhanden sein sollen, nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Weiters habe die Beschwerdeführerin die Bewilligungspflicht der in Rede stehenden Bauabweichungen nicht bestritten. Daß aber die Vergrößerung des Gebäudes der vom Sachverständigen geschilderten Art und Weise baubehördlich bewilligungspflichtig sei, bedürfe wohl keiner näheren Erörterung. Wenn die Beschwerdeführerin behaupte, die Unterkellerung der Garage sei deshalb genehmigt, weil in ihrem Plan das Wort "nicht" durchgestrichen sei, sei ihr entgegenzuhalten, daß in dem im Akt befindlichen und der Baubewilligung zugrundeliegenden Plan die Garage ausdrücklich als "nicht unterkellert" angeführt sei. Daß eine Unterkellerung der Garage nach den genehmigten Plänen auch gar nicht vorgesehen gewesen sei, ergebe sich daraus, daß im Grundrißplan des Kellergeschoßes die Garage lediglich strichliert eingezeichnet sei. Daß eine nachträgliche Genehmigung dieser Unterkellerung erfolgt sei, sei von der Beschwerdeführerin nie behauptet worden und könne auch aus der Aktenlage nicht geschlossen werden.

Im übrigen, so führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides weiter aus, bestehe keine gesetzliche Verpflichtung, die Parteien einem Augenschein beizuziehen. Auch die gerügte Verletzung des Parteiengehörs sei nicht gegeben, da einerseits die Stellungnahme des Sachverständigen im Bescheid wiedergegeben worden sei, andererseits die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren hinreichend Gelegenheit gehabt habe, ihr Recht auf Parteiengehör wahrzunehmen. Daß der baupolizeiliche Auftrag zur Einstellung der Bauarbeiten zu Recht an die Beschwerdeführerin gerichtet worden sei, ergebe sich schon aus der Verantwortlichkeit des Bauherrn für das gesamte Bauvorhaben. Wenn die Beschwerdeführerin mit dem Vorbringen, im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides hätten die Bauabweichungen konkret angeführt werden müssen, die Bestimmtheit des Spruches bemängle, so sei dazu auszuführen, daß der Auftrag des Inhalts, daß die Fortsetzung der Arbeiten beim Wohnhaus mit PKW-Garage auf der Gp. nn/12 KG O untersagt werde, als hinreichend bestimmt und einer Vollstreckung zugänglich anzusehen sei. Aus den dargelegten Erwägungen ergebe sich, daß die Beschwerdeführerin durch den Bescheid des Gemeindevorstandes in keinem subjektiven Recht verletzt worden sei, sodaß die Vorstellung als unbegründet abzuweisen sei.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 30. November 1987, B 958/87-5, die Behandlung der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid vor ihm erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit, insbesondere wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Gemeinde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darin erblickt, daß ihr im Verfahren erster Instanz nicht Gelegenheit gegeben worden sei, zum Ergebnis der Beweisaufnahme (Lokalaugenschein) vom 15. Dezember 1986 Stellung zu nehmen, ist darauf zu erwidern, daß dieser Verfahrensmangel zwar vorliegt, aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 30. September 1958, Zl. 338/56) durch die mit der Berufung gegebene Möglichkeit der Stellungnahme geheilt wird, wenn in der Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz der (am 15. Dezember 1986) erhobene Sachverhalt vollständig wiedergegeben war.

Wenn die Beschwerdeführerin weiters vorbringt, eine Verletzung von Verfahrensvorschriften liege auch deswegen vor, weil ein Ortsaugenschein ohne ihre Beiziehung durchgeführt worden sei, so sei diesbezüglich ebenfalls auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach keine gesetzliche Verpflichtung besteht, zu einem Augenschein eines Amtssachverständigen die Parteien beizuziehen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juni 1964, Slg. N. F. Nr. 6374/A, und vom 26. März 1985, Zl. 84/05/0237 = BauSlg. Nr. 419).

Wenn in der Beschwerde schließlich vorgebracht wird, daß im Spruch des Bescheides der Behörde erster Instanz die Fortsetzung der Bauarbeiten untersagt worden sei, obwohl der Rohbau schon fertig war, und dies einen Widerspruch in sich bedeute, so übersieht die Beschwerdeführerin, daß mit dem Rohbau das Bauvorhaben nicht abgeschlossen ist. Im übrigen führt die Beschwerdeführerin selbst aus, daß in der Begründung des Bescheides jene Punkte angeführt werden, die nach Ansicht des Sachverständigen vom Plan abweichen. Daraus folgt aber, daß auch der Beschwerdeführerin klar sein mußte, um welche Planabweichungen es sich handelt. Wenn weiters vorgebracht wird, in den Spruch des Bescheides hätte aufgenommen werden müssen, welche Ergänzungen des Bauansuchens gefordert würden, so wird der Sachverhalt insofern verkannt, als es sich nur um die Verfügung einer Baueinstellung gehandelt hat und die Androhung der Wiederherstellung lediglich Tatbestandsvoraussetzung für den gesondert zu erlassenden Abtragungsauftrag (nach der hier noch geltenden Fassung der TBO, LGBl. Nr. 43/1943) war. Es wäre - allenfalls nach Beratung mit ihrem oder einem anderen Bauunternehmer - Sache der Beschwerdeführerin, ein entsprechendes Bauansuchen zu stellen. Daß die Behörde zu einer derartigen Anleitung verpflichtet wäre, ist jedenfalls dem Gesetz nicht zu entnehmen. Aus welchen Gründen der Bescheid der Baubehörde erster Instanz auf Baueinstellung nicht vollstreckt werden könnte, ist bei dem gegebenen Sachverhalt nicht erkennbar.

Der Verwaltungsgerichtshof kann daher nicht finden, daß im Beschwerdepunkt Rechte der Beschwerdeführerin durch den Bescheid der belangten Behörde, mit dem sie die von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Juni 1987 erhobene Vorstellung als unbegründet abgewiesen hat, verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Beweismittel Augenschein Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an Beweisaufnahmen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988060014.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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