TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/13 89/06/0025

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Veröffentlicht am 13.12.1990
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
BauO Tir 1978 §44 Abs3 lita;
BauRallg;
VVG §4 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 19. Jänner 1989, Zl. MD-5181/1987, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 10.618,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Mehrheitseigentümer der Liegenschaft EZ nn der KG Innsbruck, bestehend aus der Bauparzelle Nr. n1. Nach Verstreichen einer den Eigentümern dieser Liegenschaft (darunter dem Beschwerdeführer) unter Androhung eines Entfernungsauftrages vom 28. Juni 1986 gesetzten einmonatigen Frist erließ der Stadtmagistrat Innsbruck am 2. Juni 1987 folgenden Bescheid:

"Baupolizeilich wurde festgestellt, daß am Objekt X-Straße 1 diverse bewilligungspflichtige Fassadenänderungsarbeiten durch das Anbringen von Fassadenstrukturelementen wie Lisenen, Fensterbänkchen und Stahlhaltekonstruktionen für die Fassadenverblendungen sowie Änderung der Attika vorgenommen wurden.

SPRUCH

Gemäß § 44 Abs. 3 lit. a Tiroler Bauordnung werden Sie verhalten, den Abbruch der oben beschriebenen konsenslos angebrachten Fassadenteile des Gebäudes längstens binnen sechs Wochen ab Bescheidrechtskraft durchführen zu lassen."

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, daß die Behörde gemäß § 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung (TBO) den Abbruch einer baulichen Anlage innerhalb einer angemessenen Frist anzuordnen habe, wenn für die bauliche Anlage eine Baubewilligung nicht bestehe, obwohl sie bewilligungspflichtig wäre, und der Eigentümer nicht innerhalb eines Monats ab der Zustellung der Androhung des Abbruchauftrages nachträglich um die Baubewilligung angesucht hat oder, wenn für diese baulichen Anlagen die Baubewilligung versagt worden ist. Es stehe fest, daß die bewilligungspflichtigen Fassadenänderungsarbeiten ohne entsprechende baubehördliche Bewilligung durchgeführt worden seien. Das diesbezügliche Ansuchen um Bewilligung der baulichen Maßnahmen sei mit Bescheid der Berufungskommission in Bausachen vom 25. März 1987 wegen Fehlens der Zustimmung des grundbücherlichen Miteigentümers zur beabsichtigten Umbaumaßnahme als unzulässig zurückgewiesen worden. Die Behörde habe sohin den Abbruch der konsenslos angebrachten Fassadenstrukturelemente spruchgemäß zu verfügen gehabt.

Gegen diesen Bescheid erhoben der Beschwerdeführer und ein weiterer Miteigentümer Berufungen, die jedoch von der belangten Behörde mit Bescheid vom 3. November 1987 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen wurden. Dieser Berufungsbescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. November 1988, Zl. 88/06/0158, wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde (die belangte Behörde war wegen der Mitgliedschaft eines bereits im Ruhestand befindlichen Richters unrichtig zusammengesetzt gewesen) aufgehoben.

Mit Bescheid vom 19. Jänner 1989 hat die (nunmehr ordnungsgemäß zusammengesetzte) Berufungskommission die Berufung des Beschwerdeführers neuerlich als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung (TBO) LGBl. Nr. 43/1978, in der hier noch anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 19/1984 hat die Behörde den Abbruch einer baulichen Anlage innerhalb einer angemessenen Frist anzuordnen, wenn für die bauliche Anlage eine Bewilligung nicht besteht, obwohl sie bewilligungspflichtig wäre, und der Eigentümer nicht innerhalb eines Monats ab der Zustellung der Androhung des Abbruchauftrages nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung angesucht hat oder wenn für diese bauliche Anlage die Baubewilligung versagt worden ist.

Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde geltend, daß der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides nicht hinreichend bestimmt und hinsichtlich der darin genannten Fensterbänkchen der Abbruchauftrag nicht angedroht worden sei; ferner führt der Beschwerdeführer aus, daß mit dem (von der belangten Behörde im Instanzenzug mit Bescheid vom 6. Oktober 1988 bestätigten) Bescheid der Behörde erster Instanz vom 25. Mai 1988 ein "Kompromißprojekt", welches den Wegfall der "axial angeordneten Fassadenelemente auf der Süd- und Westseite des Neuteiles" vorsehe, bewilligt worden sei.

Die Beschwerde ist schon insoweit berechtigt, als sie den Mangel an Bestimmtheit des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides rügt: Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß ein baupolizeilicher Auftrag so bestimmt sein, daß er Gegenstand eines Vollstreckungsverfahrens sein kann. Bei einem Beseitigungsauftrag darf kein Zweifel darüber bestehen, was im Detail beseitigt werden soll (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. April 1985, Zl. 83/06/0151, BauSlg. Nr. 429, uva.). Der diesbezüglichen Rechtsrüge des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren begegnet die belangte Behörde mit dem Hinweis auf eine von ihr eingeholte Stellungnahme der Bau- und Feuerpolizei über die Art und den Umfang der bislang konsenslos angebrachten Fassadenelemente, wonach

"1. unter den jeweiligen Fenstern insgesamt

44 Fenstergesimse in einer Länge von 1,25 m, einer Breite von 20 cm und einer Tiefe von 10 cm

2. im dritten Obergeschoß vier Fassandengesimse in einer Ausdehnung von 7,5 und 8,0 m, einer Breite von 65 cm bzw. 15 cm Tiefe und

3. ein insgesamt 39,8 m langes Attikagesims in einer Breite von 85 cm und 15 cm Tiefe sowie letzlich eine Stahlrohrhaltekonstruktion für die vorgesehene Fassadenverblendung im Bereich der drei mittleren Fenster im zweiten und dritten Obergeschoß der Westfassade angebracht wurden".

Damit sei - nach Auffassung der belangten Behörde - das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers widerlegt, wonach es dem angefochtenen Bescheid an der erforderlichen Genauigkeit mangle, weil auf Grund der dargelegten Auflistung ein fachkundiger Sachverständiger (wie hier die Bau- und Feuerpolizei) unschwer feststellen habe können, welche Bauteile konsenslos angebracht worden seien.

Damit unterliegt die belangte Behörde einem Mißverständnis über die Bestimmtheitsanforderungen, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an einen Abbruchauftrag zu stellen sind: Ein baupolizeilicher Auftrag ist nur dann ausreichend bestimmt, sodaß er Gegenstand eines Vollstreckungsverfahrens sein kann, wenn ihm unmittelbar zu entnehmen ist, welche Bauteile abzubrechen sind, wobei es genügt, daß dies ein Fachkundiger dem Spruch des Bescheides entnehmen kann. Keinesfalls ist es aber Aufgabe eines solchen Fachkundigen, erst im Vollstreckungsverfahren zu beurteilen, "welche Bauteile konsenslos angebracht wurden". Dies zum Ausdruck zu bringen, ist vielmehr bereits Sache des Abbruchauftrages selbst. Diesen Anforderungen genügt der erstinstanzliche Bescheid - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht: Weder die Formulierung "diverse bewilligungspflichtige Fassadenänderungsarbeiten durch das Anbringen von Fassadenstrukturelementen" umschreibt den Gegenstand der Abbruchverfügung präzise, noch die (arg.: "wie Lisenen ..." etc.) nur beispielsweise aufgezählten Fassadenstrukturelemente. Die Verweisung des eigentlichen Spruchs auf die zitierten Passagen des Vorspruchs reicht daher ebensowenig aus, um den Abbruch "der oben beschriebenen konsenslos angebrachten Fassadenteile des Gebäudes" mit hinreichender Deutlichkeit zu bezeichnen. Es ist dem Entfernungsauftrag insbesondere auch nicht zu entnehmen, an welcher Fassade des (nach dem Akteninhalt über mehrere Fassaden verfügenden) Hauses welche Fassadenelemente zu entfernen sind.

Der aufgezeigte Mangel an Bestimmtheit des erstinstanzlichen Spruches, der - trotz der vom Beschwerdeführer in seiner Berufung erhobenen Rüge - durch den Berufungsbescheid (etwa durch Übernahme der Auflistung der bau- und feuerpolizeilichen Stellungnahme in den Spruch) nicht behoben wurde, führt nicht nur aus dem Grunde, daß der Bescheid in der vorliegenden Form nicht Gegenstand eines Vollstreckungsverfahrens sein könnte, zu seiner Aufhebung, sie läßt auch eine abschließende Prüfung seiner Rechtmäßigkeit in anderer Hinsicht nicht zu: Die Zulässigkeit der Anordnung eines Abbruchs hängt nach § 44 Abs. 3 lit. a TBO davon ab, daß der Eigentümer (entweder) nicht innerhalb eines Monats ab der Zustellung der Androhung des Abbruchauftrages nachträglich um die Erteilung einer Baubewilligung angesucht hat oder daß für diese bauliche Anlage die Baubewilligung versagt worden ist. Der im ersten Rechtsgang von der belangten Behörde erlassene Berufungsbescheid vom 3. November 1987 konnte sich in diesem Zusammenhang noch auf den - aus den Verwaltungsakten ersichtlichen - Umstand stützen, daß das Baubewilligungsansuchen des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde in zweiter Instanz als unzulässig zurückgewiesen worden war. Nach Aufhebung dieses Bescheides durch das hg. Erkenntnis vom 10. November 1988, Zl. 88/06/0158, hätte die belangte Behörde jedoch neuerlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides prüfen müssen. Dabei hätte die belangte Behörde den auch in der Beschwerde hervorgehobenen Umstand zu berücksichtigen gehabt, daß sie selbst mittlerweile mit Bescheid vom 6. Oktober 1988 eine dem Beschwerdeführer für die Umgestaltung der Fassade erteilte Baubewilligung im Instanzenzug bestätigt hat. Der Umstand, daß dieser Bescheid von einem Miteigentümer mit der zu hg. Zl. 88/06/0196 protokollierten Beschwerde angefochten wurde (dieses Beschwerdeverfahren ist beim Verwaltungsgerichtshof noch anhängig) vermag nichts daran zu ändern, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich seines - von ihm so genannten - "Kompromißprojektes" über eine rechtskräftige Baubewilligung verfügte. Soweit daher in diesem "Kompromißprojekt" mittlerweile Fassadenteile bewilligt worden sind, die Gegenstand des Abbruchbescheides gewesen sind, wäre der den Abbruchbescheid erster Instanz vollinhaltlich bestätigende Berufungsbescheid zu Unrecht ergangen. Ob und in welchem Umfang dieser Baubewilligungsbescheid die Erteilung eines Abbruchauftrages gemäß § 44 Abs. 3 lit. a TBO nach Erlassung des erstinstanzlichen, jedoch vor Erlassung des nunmehr angefochtenen im zweiten Rechtsgang erlassenen Berufungsbescheides unzulässig gemacht hat, kann aber weder dem angefochtenen, noch dem erstinstanzlichen Abbruchbescheid zufolge der mangelhaften Fassung des Spruchs entnommen werden, weshalb der Verwaltungsgerichtshof an der ihm obliegenden nachprüfenden Kontrolle hinsichtlich des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung eines Abbruchauftrages im Sinne des § 44 Abs. 3 lit. a TBO gehindert ist.

Der angefochtene Bescheid war aus den zuvor dargelegten Gründen mangels Bestimmtheit des Spruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinInhalt des Spruches DiversesBescheidcharakter Bescheidbegriff Inhaltliche ErfordernisseBaupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989060025.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.12.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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