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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Fürstenfeld gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregieung vom 8. September 1989, Zl. 03-12 Ba 102-89/1, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: N), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 5. Dezember 1988 beantragten Otto und Leopoldine B. (kurz: Bauwerber) die Erteilung der Baubewilligung zur Änderung mit Bescheid mit 16. Juni 1988 bewilligter Baumaßnahmen und zur Aufstockung des bestehenden Gebäudes auf den Grundstücken Nr. n/1 und Nr. n/2,
KG Fürstenfeld. An der Nordwestseite grenzt das Grundstück Nr. n/3, dessen Miteigentümer der Mitbeteiligte ist, an. Nach den Plänen erfolgt dort die Aufstockung auf der bestehenden Außenmauer des Erdgeschoßes.
In der Verhandlung am 16. Februar 1989 sprach sich der Mitbeteiligte gegen die Aufstockung im Bereich der Reiche aus. Er sei nach wie vor der Ansicht, daß die bestehende Außenmauer auf seinem Grund liege und das Bauvorhaben darauf aufbaue. Es seien daher die Baufluchtlinien laut Kataster zu prüfen. Auch der Umstand, daß die vorhandenen Dachsparren des alten Gebäudes um 0,50 m verlängert worden seien, spreche dafür. Den vorhandenen Plänen, insbesondere dem Grundteilungsplan aus 1914, sei eindeutig zu entnehmen, daß die Grenze in gerader Linie verlaufe, während das bestehende Bauwerk keine gerade Linie aufweise. Mit Schreiben vom 11. April 1989 verwies der Mitbeteiligte neuerlich darauf, daß das Katasterblatt mit dem Grundteilungsplan aus 1914 ident sei. Die Außenwand des Gebäudes, auf die aufgestockt werde, sei bei der Neuerrichtung (zu ergänzen: Generalsanierung vor einigen Jahren) um ca. 25 cm auf sein Grundstück hineingebaut worden. Dies zeige auch der Knick, den die Mauer aufweise.
Der Bürgermeister der beschwerdeführenden Stadtgemeinde erteilte mit Bescheid vom 5. April 1989 die Baubewilligung. Im südlichen Bereich der strittigen Grundgrenze bestehe eine Reiche. Mit Bescheid vom 16. Juni 1988 sei die Bewilligung für die Aufstockung eines Teilbereiches erteilt worden. Nunmehr sei die Aufstockung des restlichen Bereiches auf der vorhandenen Außenmauer vorgesehen. Schon im Bescheid vom 16. Juni 1988 sei hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse eine Vorfragenentscheidung gemäß § 38 AVG 1950 getroffen worden. Die Bauwerber hätten im seinerzeitigen Verfahren ebenso wie der frühere Bauführer angegeben, daß die seit Jahrhunderten bestehende Außenmauer 1971 und 1972 wegen Baufälligkeit erneuert worden sei. Von der Baubehörde sei die bestehende Grundmauer nach den Einreichunterlagen und nach dem Bestand in der Natur als Eigentum der Bauwerber anzusehen. Schon mit Bescheid vom 16. Juni 1988 sei ein Einspruch des Mitbeteiligten in Ansehung eines Teilbereiches der Reiche auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden. Auch die Entscheidung über die Einwendung hinsichtlich des vorliegenden Bauvorhabens sei dem Zivilrechtsweg vorbehalten.
Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Fürstenfeld wies mit Bescheid vom 7. Juli 1989 die dagegen rechtzeitig erhobene Berufung des Mitbeteiligten ab. Auf Grund der schon im Bescheid der Behörde erster Instanz genannten Angaben sowie der schriftlichen Darstellung des Baumeisters vom 15. April 1989 sei die Mauer so saniert (erneuert) worden, daß die alten Grenzen eingehalten wurden. Nunmehr werde bloß auf der Mauer aufgestockt. Der Bauplan vom 9. Dezember 1988 orientiere sich voll an der bestehenden Planung zu den mehrfachen Bauführungen. Es sei richtig, daß im Grundkataster die Grenze eine gerade Linie bilde und die Mauer in der Natur einen Knick habe. Der Grundkataster sage aber im Zweifelsfall über den tatsächlichen Verlauf der Grenze nichts aus. Nach den vorliegenden Aussagen handle es sich bei der Grenzmauer um eine Mauer des Altbestandes. Unter Wiederholung der Ausführungen der Behörde erster Instanz werde im Sinne des § 38 AVG 1950 ausgeführt, daß der Baugrund und damit die bestehende Mauer im Eigentum der Bauwerber stehe.
In der dagegen rechtzeitig erhobenen Vorstellung verwies der Mitbeteiligte auf sein bisheriges Vorbringen, insbesondere auch auf den in den Bauakten erliegenden Grundteilungsplan vom 2. März 1914, der den geradlinigen Grenzverlauf klar beweise. Dieser Plan sei von der Behörde in keiner Weise berücksichtigt worden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. September 1989 wurde der Bescheid des Gemeinderates vom 7. Juli 1989 wegen Verletzung von Rechten des Mitbeteiligten aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeindebehörde verwiesen. Gemäß § 58 Abs. 1 lit. c der Steiermärkischen Bauordnung sei dem Ansuchen um Baubewilligung die Zustimmung des Grundeigentümers anzuschließen, wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer sei. Eine Baubewilligung dürfe somit nur dann erteilt werden, wenn feststehe, daß der Bauwerber Grundeigentümer sei oder der Grundeigentümer zustimme. Im Fall eines Grenzstreites sei dies als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG 1950 zu lösen. Gemäß dieser Gesetzesstelle sei, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie könne aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bilde oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht werde. Da die Grenze strittig und kein gerichtliches Verfahren darüber anhängig sei, sei der Grenzverlauf als Vorfrage zu beurteilen. Dies sei von den Baubehörden erster und zweiter Instanz auch richtig erkannt und entschieden worden, daß die bestehende Grenzmauer als Eigentum des Bauwerbers anzusehen sei. Allerdings leide das der Vorfragenentscheidung vorausgehende Ermittlungsverfahren an einem wesentlichen Mangel, da sich die Gemeindebehörden nicht mit allen Plänen auseinandergesetzt hätten. So habe der Mitbeteiligte schon im Verfahren erster Instanz auf das Vorliegen eines Grundteilungsplanes aus dem Jahre 1914 verwiesen. Darauf seien jedoch die Gemeindebehörden überhaupt nicht eingegangen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß bei einer Auseinandersetzung mit diesem Grundteilungsplan die Berufungsbehörde zu einem anderen Ergebnis bei der Vorfragenbeurteilung über den strittigen Grenzverlauf gekommen wäre. Dies schon deswegen, weil einem Grundteilungsplan, vor allem, wenn er auf trigonometrischen Messungen beruhe, dieser Umstand hätte von der Behörde geprüft werden müssen, eine andere Beweiskraft zukomme als einem bloßen Grundkataster (vermutlich Grundsteuerkataster). Die oberste Gemeindebehörde werde daher bei ihrer neuerlichen Entscheidung auch diesen Grundteilungsplan aus 1914 zu berücksichtigen haben, um eine fundierte Vorfragenentscheidung im Sinne des § 38 AVG 1950 treffen zu können. Durch die Nichtberücksichtigung dieses Planes seien Rechte des Mitbeteiligten verletzt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Auch der Mitbeteiligte hat in seiner Gegenschrift einen gleichlautenden Antrag gestellt. Im Nachhang wurden von der belangten Behörde auch Kopien des Grundteilungsplanes vom 2. März 1914, welche ihr sowohl vom Mitbeteiligten als auch von der Beschwerdeführerin übermittelt wurden, vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Da die Zustimmung des Grundeigentümers eine Voraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung darstellt, ist die Frage, ob die zu verbauende Grundfläche (ganz oder teilweise) dem Nachbarn gehört, wenn also Streitigkeiten über den Verlauf der Grundgrenze bestehen, eine von der Baubehörde im Sinne des § 38 AVG 1950 unter Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften zu beurteilende Vorfrage (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., die zu § 38 AVG 1950 unter E 40a wiedergegebene Judikatur, S. 250, sowie Hauer, Stmk. Baurecht, Anm. 6 zu § 58 BO, S. 151), wobei auch das allfällige Vorliegen einer Ersitzung zu berücksichtigen wäre.
Von einer im Sinne des § 38 AVG 1950 zu lösenden Vorfrage sind, wie die belangte Behörde dargelegt hat, zwar die Gemeindebehörden ausgegangen. Sie haben sich jedoch mit dem offensichtlich auch für den gegenständlichen Bereich maßgebenden Grundteilungsplan vom 2. März 1914, auf den der Mitbeteiligte bereits im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens verwiesen hat, in keiner Weise auseinandergesetzt.
Gemäß § 46 AVG 1950 kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Daß ein Grundteilungsplan, der Gegenstand einer Eintragung im Grundbuch ist, als ein solches Beweismittel für die Lösung der hier bedeutsamen Frage in Betracht kommt, bedarf keiner näheren Erörterung. Mit Recht ist daher die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, daß der Mitbeteiligte als Nachbar, weil auch die oberste Gemeindebehörde den Grundteilungsplan in ihre Überlegungen in keiner Weise miteinbezogen hat, in seinen Rechten verletzt wurde. Die Meinung der Beschwerdeführerin, die Berücksichtigung eines Grundteilungsplanes bei der Beurteilung der Vorfrage über den Grenzverlauf gehe über den einer Verwaltungsbehörde zumutbaren Rahmen hinaus, findet im Gesetz keine Deckung. Auch damit, daß der Mitbeteiligte die mit Bescheid vom 16. Juni 1988 erteilte Bewilligung der Aufstockung in einem anschließenden Bereich der Reiche in Rechtskraft erwachsen lassen und auch kein gerichtliches Grenzfeststellungsverfahren angestrengt habe, ist für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, handelt es sich doch im Gegenstand um ein weiteres Bauvorhaben.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, bezüglich des Mitbeteiligten beschränkt durch die beantragte Höhe.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1Beweismittel UrkundenGrundsatz der UnbeschränktheitNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2Baubewilligung BauRallg6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989060184.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
02.04.2009