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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die namens der N eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 15. Oktober 1990, Zl. VII/2a-V-1303/0/4-90, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin wegen der Übertretungen nach § 28 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 2 bzw. § 14 Abs. 2 des Arbeitszeitgesetzes bestraft, weil sie als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. in Gloggnitz eine Überschreitung der Einsatzzeit und der Lenkzeit bei einem bestimmten Arbeitnehmer vom 17. Februar 1989 bis 18. Februar 1989 zu verantworten habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die Verwirklichung der objektiven Tatbestände der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen, sondern bekämpft die Annahme der belangten Behörde, daß ihr der Entlastungsbeweis gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1950 nicht gelungen sei. Die belangte Behörde habe ihre Entscheidung damit begründet, daß es nicht ausreichend sei,
"1) den Lenkern den ernsten und strikten Auftrag zu erteilen, die vom Arbeitszeitgesetz, Kollektivvertrag, sowie sonstigen geltenden Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Zeiten einzuhalten;
2) die Fahrtenbücher und Tachographenscheiben regelmäßig zu überprüfen, auch im Hinblick, ob diese Anweisungen eingehalten werden;
3) alle Fahrten so einzuteilen, daß sie ausnahmslos mit Einhaltung der vorgeschriebenen Zeiten durchführbar sind;
4) wenn die vom Beschwerdeführer gesetzten Maßnahmen zur Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften offenbar soweit wirksam waren, daß es zu keinen Beanstandungen seit 1974 bis zum Anlaßfall gekommen war;
5) wenn es wegen dieser Übertretung sogar zur Auflösung des Dienstverhältnisses mit dem betreffenden Dienstnehmer per 31.3.1989 gekommen ist;"
um das Nichtvorliegen eines Verschuldens annehmen zu können. Zu Unrecht habe die belangte Behörde darüberhinaus als zumutbare und taugliche weitere Maßnahme die Erstellung des Fahrtauftrages durch genaue Routeneinteilung "mit exakter Festlegung der Stehzeiten, Ruhezeiten, Fahrtzeiten, etc."
verlangt. Dies stelle einerseits eine Überspannung des Sorgfaltsmaßstabes dar, andererseits sei die verlangte Maßnahme auch objektiv nicht geeignet, den rasch wechselnden Erfordernissen des Straßengüterverkehrs Rechnung zu tragen und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften besser zu gewährleisten als die von der Beschwerdeführerin gesetzten Maßnahmen. Bis zum Anlaßfall habe die Beschwerdeführerin keine Veranlassung zur Annahme gehabt, daß ihren Anweisungen, insbesondere zur Einhaltung der Lenk- und Fahrtzeiten, nicht gefolgt würde. Sie habe daher davon ausgehen können, daß die von ihr bis dahin gepflogenen Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen ausreichten.
Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht: Da zum Tatbestand der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen weder der Eintritt eines Schadens und einer Gefahr gehört und die bezogenen Verwaltungsvorschriften auch nichts über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden bestimmen, handelt es sich bei diesen Übertretungen um Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950. Die Beschwerdeführerin hatte daher glaubhaft zu machen, daß ihr die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne ihr Verschulden unmöglich war; sie hätte demnach INITIATIV alles, was für ihre Entlastung spricht, darlegen und unter Beweis stellen müssen, um der belangten Behörde eine Beurteilung zu ermöglichen, ob ihr Vorbringen geeignet sei, im Falle seiner Richtigkeit eine Schuldlosigkeit zu erweisen. Was die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften anlangt, so hat der Arbeitgeber (das Organ gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950) ein nach dem konkreten Betrieb entsprechendes Kontrollsystem einzurichten und darüberhinaus alle sonstigen im konkreten Betrieb möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitszeit sicherzustellen, wozu es etwa gehört, die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden so zu gestalten, daß sie keinen Anreiz zur Verletzung der Arbeitszeitvorschriften darstellen. Nur wenn der Arbeitgeber (das Organ gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950) glaubhaft macht, daß ein Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften durch einen Lenker trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im einzelnen darzulegenden Systems ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt ist, kann ihm der Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden (vgl. neben vielen anderen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 1990, Zl. 90/19/0413).
Auf dem Boden dieser Rechtslage kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie dem oben skizzierten Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsstrafverfahren die Eignung zur Glaubhaftmachung des mangelnden Verschuldens abgesprochen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht hiefür die Behauptung, den Lenkern den Auftrag zur Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen erteilt und regelmäßig Kontrollen der Fahrtenbücher und Tachographenscheiben durchgeführt zu haben, nicht aus (vgl. neben vielen anderen das Erkenntnis vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0281). Daß die Fahrten - wie die Beschwerdeführerin behauptet - so eingeteilt würden, daß sie unter Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften durchführbar seien, vermag noch nicht zu gewährleisten, daß diese Vorschriften auch tatsächlich eingehalten werden. Zu den zur Erreichung dieses Zieles möglichen und zumutbaren Maßnahmen gehört es nämlich - wie schon erwähnt - insbesondere auch, daß die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden so gestaltet werden, daß sie keinen Anreiz zur Verletzung der Arbeitszeitvorschriften darstellen. Daß von der Beschwerdeführerin aber auch derartige Maßnahmen vorgekehrt worden seien, läßt sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht vorgebracht, welche wirksamen Schritte sie den Arbeitnehmern für den Fall festgestellter Verstöße gegen Arbeitszeitvorschriften in Aussicht gestellt habe, um derartigen Verstößen vorzubeugen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0099). Daß es seit 1974 zu keinen Beanstandungen gekommen ist, läßt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin noch keine sicheren Schlüsse auf die Wirksamkeit des von ihr gehandhabten Kontrollsystems zu. Dem Umstand, daß das Dienstverhältnis mit dem Arbeitnehmer, dessen Einsatz von Lenkzeiten im Beschwerdefall das gesetzlich zulässige Ausmaß überschritten, aufgelöst wurde, kommt für die hier entscheidende Frage, ob die vor der Auflösung des Dienstverhältnisses gesetzten Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz trotz des Bestehens und Funktionierens eines wirksamen Kontrollsystems und trotz Vorkehrung aller zur Sicherstellung der Einhaltung der Arbeitszeit erforderlichen, im Betrieb möglichen und zumutbaren Maßnahmen erfolgt sind, keine Aussagekraft zu.
Bei dieser Sachlage kann eine Erörterung der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit der von der belangten Behörde ins Auge gefaßten Maßnahme (der Erstellung eines Fahrtauftrages mit genauer Routeneinteilung unter exakter Festlegung der Stehzeiten, Ruhezeiten und Fahrzeiten) auf sich beruhen, ist es doch nicht Aufgabe der Behörde, ein abstraktes Modell eines den Anforderungen entsprechenden Kontrollsystems zu entwerfen (vgl. das schon erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0281).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastVerantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht ArbeiterschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190570.X00Im RIS seit
17.12.1990Zuletzt aktualisiert am
04.05.2011