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L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. Mai 1990, Zl. 9-18 Pe 19-1989/1, betreffend Rückersatz für Krankenhilfeleistungen nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Die beschwerdeführende Partei ist Trägerin des U.-Krankenhauses. J. P., ein 14jähriger Schüler, wurde aus Anlaß eines Verkehrsunfalles in dieses Krankenhaus aufgenommen. Die beschwerdeführende Partei bezifferte dem Magistrat Graz gegenüber den für den stationären Aufenthalt des Genannten vom 28. März bis 29. April 1988 entstandenen 10%igen Pflegegebührenanteil - 90 % der Verpflegskosten wurden vom Krankenversicherungsträger der Mutter des J. P. übernommen - mit S 2.354,80 und begehrte Rückersatz - "Erstattung" - aus Mitteln der Sozialhilfe.
2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 6. November 1989 wurde diesem Antrag gemäß §§ 4, 7 und 10 iVm § 42 Abs. 1 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 1/1977, (SHG) keine Folge gegeben.
3. Mit Bescheid vom 14. Mai 1990 gab die Steiermärkische Landesregierung (die belangte Behörde) der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 iVm §§ 4 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 2, 42 Abs. 1 und 46 Abs. 1 SHG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen folgendes aus: Ein Dritter, hier die Beschwerdeführerin, habe unter der Voraussetzung, daß er einem Hilfesuchenden Hilfe geleistet habe, einen Ersatzanspruch gegenüber dem örtlich zuständigen Sozialhilfeträger. Hilfsbedürftigkeit liege dann vor, wenn der Patient zur Zeit seiner Behandlung außerstande gewesen sei, deren Kosten selbst (aus Einkommen oder zumutbar verwertbarem Vermögen) oder mit Hilfe anderer Personen oder Einrichtungen zu tragen. Nur die Beurteilung dieser Frage sei ausschlaggebend dafür, ob ein Ersatzanspruch der beschwerdeführenden Partei gegeben sei. Hauptversicherter und damit Schuldner gegenüber der Beschwerdeführerin sei vorliegendenfalls die Mutter des J. P., H. P. Der mitversicherte J. P. stehe in keinem selbständigen Versicherungsverhältnis. Eine Klage wäre von der Beschwerdeführerin gegen H. P. einzubringen. Aus diesem Grund sei auch H. P. als Hilfesuchende anzusehen. Bei einer Gegenüberstellung des Einkommens der Genannten mit dem Richtsatz nach dem SHG für das Jahr 1988 - dies wird in der Bescheidbegründung detailliert dargestellt - ergebe sich, daß keine Hilfsbedürftigkeit vorliege. H. P. sei in der Lage, die 10 %igen Differenzkosten in der Höhe von S 2.354,80 selbst zu bezahlen. Der Beschwerdeführerin stehe daher kein Kostenersatzanspruch nach § 42 SHG zu.
4. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf "Übernahme und Zahlung eines 10 %igen Pflegegebührenanteiles gemäß § 148 Abs. 2 ASVG in der Gesamthöhe von S 2.354,80" verletzt. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 1 Abs. 1 SHG soll durch die Sozialhilfe jenen Personen die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglicht werden, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen umfaßt die Sozialhilfe u.a. (lit. a) die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes.
Zufolge des § 4 Abs. 1 SHG hat auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach Maßgabe der Bestimmungen dieses (2.) Abschnittes einen Rechtsanspruch, wer den Lebensbedarf (§ 7) für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften oder Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
Gemäß § 7 Abs. 1 SHG gehören zum Lebensbedarf u.a. (lit. c) Krankenhilfe (§ 10). Die Krankenhilfe umfaßt nach § 10 Abs. 1 leg. cit. u.a. (lit. c) Untersuchung, Behandlung und Pflege in Krankenanstalten.
Nach § 42 Abs. 1 SHG hat der Sozialhilfeträger demjenigen, der einem Hilfsbedürftigen Hilfe geleistet hat, Rückersatz zu leisten, wenn (lit. a) eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§ 7) gegeben war; (lit. b) die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte; (lit. c) der Dritte nicht selbst die Kosten der Hilfe zu tragen hatte.
2. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist allein die Frage strittig, wer vorliegend als Hilfsbedürftiger im Sinne des SHG (§ 4 Abs. 1) in Betracht kommt. Während die belangte Behörde ihrer, den beantragten Rückersatz ablehnenden Entscheidung die Auffassung zugrunde legte, Hilfsbedürftigkeit komme im Beschwerdefall nur hinsichtlich der H. P., der Mutter des J. P., aufgrund ihrer Eigenschaft als Hauptversicherte und damit Schuldnerin gegenüber der Beschwerdeführerin in Frage, vertritt die Beschwerde die Ansicht, Hilfsbedürftiger könne, da er Hilfsempfänger gewesen sei, allein J. P. sein.
3.1. Im Grunde des § 4 Abs. 1 SHG ist davon auszugehen - auch die belangte Behörde hat dies, abweichend von ihrer Schlußfolgerung, eingangs ihrer rechtlichen Überlegungen im angefochtenen Bescheid getan - daß "Hilfsbedürftigkeit" auf den Hilfeempfänger, also in bezug auf "Untersuchung, Behandlung und Pflege in Krankenanstalten" (§ 10 Abs. 1 lit. c SHG) den ambulant Behandelten oder den stationär Aufgenommenen, zu beziehen ist. Auf den der Beschwerde zugrunde liegenden Fall bezogen heißt dies, daß als Hilfsbedürftiger im Sinne des § 4 Abs. 1 SHG ausschließlich J. P. in seiner Eigenschaft als in einer Krankenanstalt der beschwerdeführenden Partei Aufgenommener (Patient) und damit Empfänger entsprechender Hilfe in Betracht kam. Ob er tatsächlich, wie von der Beschwerde behauptet, hilfsbedürftig war, bleibt zu prüfen.
3.2. Daß J. P. zur Zeit seiner Behandlung in der Krankenanstalt der Beschwerdeführerin weder Einkommen noch Vermögen hatte, ist von der Behörde - unwidersprochen - festgestellt worden. Demnach war der Genannte nicht in der Lage, für sich den Lebensbedarf in Form der Krankenhilfe (hier: Anstaltspflege) aus eigenen Kräften und Mitteln zu beschaffen. Somit verbleibt im Hinblick auf § 4 Abs. 1 SHG die Frage, ob er diese Form des Lebensbedarfes "auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält".
Im Beschwerdefall steht fest, daß 90 v.H. der für J. P. aufgelaufenen Pflegegebühren vom Versicherungsträger seiner nach dem ASVG versicherten Mutter, H. P., übernommen worden sind (vgl. § 44 zweiter Satz des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes, LGBl. Nr. 78/1957 idgF, sowie die diesbezügliche Grundsatzbestimmung des § 148 Z. 2 erster Satz ASVG; die sohin verbleibenden 10 v.H. sind gemäß der zitierten ausführungsgesetzlichen Vorschrift vom Versicherten, d.h. von H. P., zu entrichten). In dem Ausmaß, in dem der Differenzbetrag von der Mutter des J. P. als Unterhaltspflichtiger nicht erbracht wird - daß allenfalls andere Personen unterhaltspflichtig wären, ist im Verwaltungsverfahren nicht hervorgekommen - ist im Beschwerdefall das Tatbestandselement "den Lebensbedarf auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält" verwirklicht, mithin insoweit Hilfsbedürftigkeit des J. P. gegeben.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der den Rückersatz beantragende Dritte die Hilfsbedürftigkeit nicht zu beweisen, sondern lediglich glaubhaft zu machen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. April 1989, Zl. 89/11/0001). Im vorliegenden Fall hat die beschwerdeführende Partei laut ihrem - in Übereinstimmung mit der Aktenlage stehenden - Vorbringen in der Beschwerde ohne Erfolg versucht, die besagten 10 v.H. der Verpflegskosten von der Versicherten hereinzubringen. Selbst eine aufgrund eines vollstreckbaren Zahlungsbefehls bewilligte Gehaltsexekution blieb erfolglos (vgl. die im Akt erliegende Mitteilung der Steiermärkischen Landesregierung, des Dienstgebers der H. P., vom 28. April 1989 an die beschwerdeführende Partei, derzufolge "das Verbot auf dem 26. Rang vorgemerkt wurde"; ein Abzugstermin könne derzeit nicht bekanntgegeben werden, "da kein pfändbarer Bezugsteil vorhanden ist".) Damit hat die beschwerdeführende Partei die Hilfsbedürftigkeit des J. P. in Ansehung des durch die Sozialversicherung (Krankenversicherung) seiner Mutter nicht gedeckten 10 %igen Pflegegebührenanteiles jedenfalls glaubhaft gemacht.
4. Im Hinblick auf die im bezeichneten Umfang gegebene Hilfsbedürftigkeit des J. P. und die Tatsache, daß ihm von der Krankenanstalt Hilfe geleistet worden ist, hat die belangte Behörde den diesbezüglichen Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Rückersatz durch den örtlich zuständigen Sozialhilfeträger zu Unrecht abgewiesen. Sie hat damit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das die Stempelgebühren betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die persönliche Gebührenfreiheit der Versicherungsträger (§ 109 ASVG) abzuweisen.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190310.X00Im RIS seit
13.07.2001