TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/18 89/08/0165

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Veröffentlicht am 18.12.1990
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §871 Abs1;
ABGB §873;
ArbVG §3 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §5 Abs2 litb;
AVG §37;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des Ü gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 17. April 1989, Zl. 125.570/2-7/88, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Vorarlberger Gebietskrankenkasse in Dornbirn, Jahngasse 4, 2. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien II, Friedrich Hillegeist-Straße 1,

3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in Wien XX, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- und der mitbeteiligten Vorarlberger Gebietskrankenkasse S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer auf Grund seiner Tätigkeit bei der Firma L-Handelsgesellschaft m. b.H. (im folgenden L. GmbH) in der Zeit vom 15. Juli 1984 bis 31. März 1985 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei.

Ihrer Entscheidung legte die belangte Behörde folgende Feststellungen zugrunde: Der Beschwerdeführer sei in dem im Spruch genannten Zeitraum bei der L. GmbH beschäftigt gewesen. Seine Tätigkeit habe im Einschulen der Vertreter im Außendienst bestanden. Es sei keine bestimmte Arbeitszeit vorgegeben gewesen; sie habe sich vielmehr nach dem zeitlichen Bedarf der Einschulung gerichtet. Habe ein geeigneter Vertreter gefehlt, so habe der Beschwerdeführer diese Aufgabe übernommen. Die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit habe vier bis sechs Stunden betragen; dazu seien Fahrzeiten pro Tag im Ausmaß von 1 1/2 bis 2 Stunden gekommen. Zwischen dem Geschäftsführer der L. GmbH und dem Beschwerdeführer sei vereinbart worden, daß dieser ein monatliches Entgelt von S 2.100,-- netto plus Spesenersatz von S 240,-- pro Tag zu bekommen habe. Weiters sei ihm ein Firmen-Pkw zur Verfügung gestellt worden. Der Beschwerdeführer habe das Vorliegen von Weisungsgebundenheit insofern bejaht, als er vom Geschäftsführer der L. GmbH beauftragt worden sei, bestimmte Kunden zu besuchen.

In rechtlicher Hinsicht bewertete die belangte Behörde diese Feststellungen dahin, daß der Beschwerdeführer im gegenständlichen Zeitraum der Vollversicherungspflicht nach dem ASVG und der Versicherungspflicht nach dem AlVG unterlegen sei. Das Vorhandensein von Merkmalen der persönlichen Abhängigkeit wie Weisungsgebundenheit, Spesenvergütung, Bezug eines Fixums, Zurverfügungstellung eines Pkws habe sich im Ermittlungsverfahren ergeben. Die Frage, auf welches Entgelt der Beschäftigte im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG Anspruch habe, sei nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Gemäß § 2 Abs. 2 Z. 2 des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) regle der Kollektivvertrag die gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Weise, daß seine Bestimmungen unmittelbar rechtsverbindlich seien, durch Arbeitsvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden könnten und Sondervereinbarungen in den betreffenden Angelegenheiten, sofern sie der Kollektivvertrag nicht ausschließe, nur gültig seien, wenn sie den Arbeitnehmer begünstigten. Demnach gehe der Kollektivvertrag dem Dienstvertrag vor, d.h. daß durch den Dienstvertrag die kollektivvertraglichen Bestimmungen, z.B. betreffend die Höhe des Entgeltes, nicht abbedungen werden könnten, soweit damit eine Verringung des Entgeltes verbunden sei. Unter Zugrundelegung des unstrittigen Sachverhaltes, wonach der Beschwerdeführer in einem täglichen Ausmaß von 4 bis 6 Stunden plus 1 1/2 bis 2 Stunden Fahrzeit gearbeitet habe, habe ihm ein Kollektivvertragslohn für Handelsangestellte in einer die jeweilige Geringfügigkeitsgrenze von S 2.198,-. (für das Jahr 1984) bzw. S 2.261,-- (für das Jahr 1985) gebührt. Hinzuweisen sei darauf, daß es für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht nicht darauf ankomme, welches Entgelt tatsächlich ausbezahlt worden sei, sondern darauf, welcher Entgeltanspruch bestehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber ebenso wie die mitbeteiligte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die anderen mitbeteiligten Parteien erstatteten jeweils eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet. Nach § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Nach § 5 Abs. 1 Z. 2 ASVG sind - unbeschadet einer nach § 7 oder nach § 8 eintretenden Teilversicherung - von der Vollversicherung nach § 4 unter anderem Dienstnehmer hinsichtlich einer Beschäftigung, die nach Abs. 2 als geringfügig anzusehen ist, ausgenommen. Gemäß § 5 Abs. 2 lit. b ASVG gilt eine Beschäftigung unter anderem dann als geringfügig im Sinne des Abs. 1 Z. 2, wenn sie für mindestens eine Woche oder auf unbestimmte Zeit vereinbart ist und dem Dienstnehmer ohne Rücksicht auf die Zahl der Arbeitstage als monatliches Entgelt höchstens ein bestimmter Betrag gebührt, der für das Jahr 1984 S 2.189,-- und für das Jahr 1985 S 2.261,-- betrug.

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, im maßgeblichen Zeitraum bei der L. GmbH in persönlicher Abhängigkeit beschäftigt gewesen zu sein; vor dem Hintergrund der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit eines Vertreters unterscheidungskräftigen Kriterien (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1988, Zl. 85/08/0062, und vom 25. September 1990, Zl. 89/08/0334) bestehen gegen die diesbezügliche Wertung der belangten Behörde auch keine von Amts wegen aufzugreifenden Bedenken.

Die belangte Behörde hat aber auch die wirtschaftliche Abhängigkeit des Beschwerdeführers zu Recht bejaht. Denn entgegen dem Beschwerdevorbringen darf die wirtschaftliche Abhängigkeit nicht mit Lohnabhängigkeit, also mit dem Angewiesensein des Beschäftigten auf das Entgelt zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, gleichgesetzt werden. Sie findet vielmehr ihren Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel und ist deshalb bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 19. März 1984, Slg. Nr. 11.361/A). Daß der Beschwerdeführer in diesem Sinne von der L. GmbH wirtschaftlich abhängig war, kann nach den insofern unbestrittenen Feststellungen nicht bezweifelt werden.

Entscheidender Streitpunkt zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Frage, ob der Beschwerdeführer im maßgebenden Zeitraum bei der L. GmbH gegen ein die obgenannten Geringfügigkeitsgrenzen übersteigendes Entgelt beschäftigt war.

Gegen die diese Frage bejahende Auffassung der belangten Behörde erhebt der Beschwerdeführer nachstehende Einwände: Er habe mit dem Geschäftsführer der L. GmbH ausdrücklich ein Gehalt von monatlich S 2.100,-- zuzüglich Spesenersatz von S 240,-- pro Tag (der auch zur Gänze für Spesen aufgebraucht worden sei) vereinbart und dabei klargestellt, es dürfe nicht mehr werden, weil er sonst seine (seit 1983 bezogene) vorzeitige Alterspension (offensichtlich infolge langer Versicherungsdauer) verliere. Der Beschwerdeführer habe die Vereinbarung nur deshalb geschlossen, um seinen Pensionsschock zu überwinden; dabei ein besonders hohes Entgelt zu erzielen, sei nicht seine Absicht gewesen. Die Hauptüberlegung der Entgeltvereinbarung habe vielmehr darin bestanden, nicht den Pensionsanspruch zu verlieren. Die Unterschreitung des Kollektivvertragslohns habe sohin den Beschwerdeführer nicht belastet, ein solcher Lohn hätte ihm vielmehr insgesamt geschadet. Die vom Kollektivvertrag abweichende Vereinbarung habe sich sohin für den Beschwerdeführer als begünstigende Vereinbarung dargestellt und sei demnach zulässig gewesen. Ein kollektivvertragliches Entgelt hätte übrigens auch von der L. GmbH gar nicht bezahlt werden können. Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, daß die Entgeltvereinbarung den Beschwerdeführer nicht begünstigt habe und daher der Kollektivvertragslohn zu bezahlen gewesen wäre, müßte man zu einem anderen Ergebnis kommen. In diesem Fall wäre es nämlich eindeutig nicht zum Abschluß eines Arbeitsverhältnisses gekommen, weil es dem Beschwerdeführer, wie bereits ausgeführt worden sei, entscheidend darum gegangen sei, seinen Pensionsanspruch nicht zu verlieren. Er hätte dann entweder gar nicht im Unternehmen der L. GmbH oder noch weniger Stunden gearbeitet. Es habe also in einem entscheidenden Punkt ein "Dissens hinsichtlich des Wesens des Arbeitsverhältnisses bestanden, bei dessen Wegfall das Arbeitsverhältnis nicht zustande gekommen wäre". Somit widerspreche es dem Akteninhalt, wenn die belangte Behörde davon ausgehe, es habe Konsens dahingehend geherrscht, daß ein kollektivvertragstypisches Angestelltenverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der L. GmbH zustande gekommen sei. In diesem Zusammenhang macht der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, es stelle die Nichtanhörung der wichtigsten Auskunftsperson, nämlich des Geschäftsführers der L. GmbH, eine entscheidungswesentliche Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar. Nicht erwiesen sei, welche genaue Stundenzahl der Beschwerdeführer gearbeitet habe; diesbezüglich seien die Sachverhaltsfeststellungen ziemlich unpräzise.

Die gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor. Die Unterlassung der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zum Inhalt der Entgeltvereinbarung beantragten Vernehmung des Geschäftsführers der L. GmbH stellt (abgesehen davon, ob sie möglich gewesen wäre) schon deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel dar, weil die belangte Behörde ohnedies den vom Beschwerdeführer behaupteten Inhalt dieser Vereinbarung als Feststellung übernommen hat. Sollte der Beschwerdeführer aber eine Feststellung des Inhaltes vermissen, er habe beim Abschluß dieser Entgeltvereinbarung gegenüber dem Geschäftsführer der L. GmbH ausdrücklich die obgenannte Absicht klargestellt und mit seinem verfahrensrechtlichen Einwand meinen, es hätte deshalb der Vernehmung des Geschäftsführers der L. GmbH bedurft, so fehlte auch diesem Einwand (abgesehen davon, daß ihn der Beschwerdeführer nicht in dieser Weise ausgeführt hat) aus den noch darzulegenden rechtlichen Erwägungen die Relevanz. Die Feststellungen über die Arbeitszeit des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde auf die Aussagen des Beschwerdeführers selbst bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 13. Oktober 1987, auf die er in seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 6. Dezember 1988 ausdrücklich verwiesen hat, gestützt. Der Feststellung einer "genaueren Stundenzahl" bedurfte es nicht, da dem Beschwerdeführer nach den insofern nicht bestrittenen Feststellungen der belangten Behörde schon bei einer täglichen Arbeitszeit an der Untergrenze des festgestellten Durchschnittsausmaßes bei Zugrundelegung der Entgeltbestimmungen des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten (dessen grundsätzliche Anwendbarkeit auf das Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers mit der L. GmbH von ihm ebenfalls nicht bestritten wird) ein die genannten Geringfügigkeitsgrenzen übersteigendes Entgelt gebührte.

Bei der Prüfung der sohin entscheidungswesentlichen Frage, ob dem Beschwerdeführer ein solches Entgelt trotz der Vereinbarung eines darunterliegenden Entgelts zustand, ist vorerst darauf zu verweisen, daß die Frage, ob ein Anspruch auf ein Entgelt im Sinne des § 5 Abs. 2 lit. b ASVG (d.i. im Sinne des § 49 ASVG: vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 12. Februar 1982, Zl. 81/08/0086) und wenn ja in welcher Höhe gebührt, nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen ist (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 26. Jänner 1984, Zl. 81/08/0211, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Die Entgelthöhe richtet sich im Arbeitsverhältnis primär nach der Vereinbarung, subsidär nach der Angemessenheit (§ 1152 ABGB) oder dem Ortsgebrauch und der Angemessenheit (§ 6 Abs. 1 AngG). Verstößt die Einzelvereinbarung gegen eine Norm kollektiver Rechtsgestaltung, ist sie insoweit nichtig (teilnichtig). An die Stelle der nichtigen Lohnabrede tritt der Lohnsatz der kollektiven Rechtsquelle (vgl. OGH, WBl 1990, Seite 272). Unter welchen Voraussetzungen eine Einzelvereinbarung in einer ihre Teilnichtigkeit bewirkenden Weise gegen einen Kollektivvertrag verstößt, regelt § 3 des Arbeitsverfassungsgesetzes - ArbVG, (BGBl. Nr. 22/1974). Gemäß § 3 Abs. 1 erster Satz ArbVG können die Bestimmungen in Kollektivverträgen, soweit sie die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern regeln, durch Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden. Nach § 3 Abs. 1 zweiter Satz ArbVG sind Sondervereinbarungen, sofern sie der Kollektivvertrag nicht ausschließt, nur gültig, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger sind oder Angelegenheiten betreffen, die im Kollektivvertrag nicht geregelt sind. Nach § 3 Abs. 2 leg. cit. sind bei der Prüfung, ob eine Sondervereinbarung im Sinne des Abs. 1 günstiger ist als der Kollektivvertrag jene Bestimmungen zusammenzufassen und gegenüberzustellen, die in einem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.

Mit seiner Auffassung, die getroffene Entgeltvereinbarung sei deshalb im Sinne der eben zitierten Bestimmungen des ArbVG günstiger als die in Betracht kommende kollektivvertragliche Entgeltsnorm, weil bei deren Geltung für den Beschwerdeführer die vorgebrachten pensionsrechtlichen Nachteile einträten, verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Denn obwohl bei dem gebotenen Günstigkeitsvergleich (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis vom 17. Mai 1984, Zl. 81/08/0007, mit Judikatur- und Schrifttumshinweisen; OGH, RdA 1989, 53, 308, ebenfalls mit Judikatur- und Schrifttumshinweisen) auf den Einzelfall abzustellen ist, ist Kriterium für die Günstigkeit nicht die Meinung oder die Vorstellungswelt des betroffenen Arbeitnehmers oder Arbeitgebers, es ist vielmehr nach objektiv sozialpolitischen Wertmaßstäben zu prüfen (Floretta-Strasser, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz 1975, 37; zur erforderlichen Objektivierung des Günstigkeitsvergleichs auch Firlei, Das Problem der Objektivierung des Günstigkeitsvergleichs im österreichischen und deutschen Arbeitsverfassungsrecht, RdA 1981, 1 ff; OGH, RdA 1989, 53). Wäre die subjektive Einschätzung des Arbeitnehmers dafür bestimmend, was günstiger ist, so würde die Wirkung der kollektivrechtlichen Mindestnormen, auch gegen den (vertraglich fixierten) Willen der Arbeitsvertragsparteien Geltung zu beanspruchen, beseitigt (Firlei, Objektivierung, RdA 1981, 5). Unter Zugrundelegung dieser Wertmaßstäbe ist aber das zwischen dem Beschwerdeführer und dem Geschäftsführer der L. GmbH vereinbarte Monatsentgelt von S 2.100,-- ungünstiger als das im anzuwendenden Kollektivvertrag vorgesehene höhere Monatsentgelt, auch wenn ersteres aus in der Sphäre des Beschwerdeführers liegenden, mit dem gegenständlichen Arbeitsvertrag in keinem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden Gründen, nämlich wegen der vom Beschwerdeführer befürchteten pensionsrechtlichen Nachteile, nach seiner Einschätzung günstiger war. Ebenso unmaßgeblich ist danach, ob die L. GmbH ein kollektivvertragliches Entgelt hätte bezahlen können. Die zwischen dem Beschwerdeführer und der L. GmbH getroffene Entgeltvereinbarung wurde daher von der belangten Behörde im Ergebnis zu Recht als unwirksam erachtet.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hatte diese Teilnichtigkeit doch zur Folge, daß er einen Anspruch auf ein über den genannten Geringfügigkeitsgrenzen liegendes Entgelt im maßgeblichen Zeitraum hatte. Ein "Dissens" lag bei der Entgeltvereinbarung im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer behauptete und auch so festgestellte Eindeutigkeit des Vereinbarten nicht vor (vgl. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I, 6. Auflage, 88). Der behauptete Rechtsfolgenirrtum begründete aber jedenfalls keine Unwirksamkeit dieser Vereinbarung (vgl. Koziol-Welser, Grundriß I, 6. Auflage, 101, 104).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Entgelt Begriff AnspruchslohnSachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelKollektivvertragSondervereinbarungDienstnehmer Begriff Wirtschaftliche AbhängigkeitBeweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärterAblehnung eines BeweismittelsMindestlohn

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989080165.X00

Im RIS seit

18.12.1990

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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