Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §62 Abs4 idF 1982/199;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/02/0053Betreff
N gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 1. Februar 1990, Zl. MA 70-10/590/89/Str, und vom 16. Februar 1990, Zl. MA 70-10/780/89/Str (letzterer in der Fassung des Berichtigungsbescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 26. September 1990, Zl. MA 70-11/1179/90/Str), jeweils betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 5.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 1. Februar 1990 wurde der Beschwerdeführer unter anderem schuldig erkannt, er habe es als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws unterlassen, dafür zu sorgen, daß das Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes 1967 und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspreche, da anläßlich einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle an dem am 4. März 1988 um 16.30 Uhr von einer namentlich genannten Lenkerin an einem bestimmten Ort in Wien gelenkten Pkw festgestellt worden sei, daß das Fahrzeug an der rechten Fahrzeugseite vom rechten vorderen Kotflügel bis zum rechten Heck teilweise bis zu 20 cm lange, messerscharfe Schlitze und Kanten aufgewiesen habe, die geeignet gewesen seien, bei einem Verkehrsunfall schwere körperliche Verletzungen herbeizuführen, und die beiden rechten Fahrzeugtüren derart deformiert gewesen seien, daß sie weder versperrt noch geöffnet werden konnten und zwischen Türabschlußblech und oberer Türkante ein Freiraum von ca. 10 cm verblieben sei. Der Beschwerdeführer habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 KFG 1967 begangen. Es wurde eine Geldstrafe von
S 400,-- (Ersatzarreststrafe von 24 Stunden) verhängt.
Hiegegen richtet sich die zur Zl. 90/02/0051 protokollierte Beschwerde.
II. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 16. Februar 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 3. März 1988 um 15.00 Uhr an einem näher bezeichneten Ort in Wien dasselbe dem Kennzeichen nach bestimmte Kraftfahrzeug gelenkt, obwohl dieses Kraftfahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften (Kraftfahrgesetz) nicht entsprochen habe, da die Türen nach innen eingedrückt gewesen seien und an der unteren Seite ca. 10 cm über die Fahrzeugbreite hervorgeragt seien und das Kraftfahrzeug an der vorderen rechten Türe an der unteren Seite sowie an mehreren Stellen der Türen spitze bzw. scharfe Kanten aufgewiesen habe, die geeignet gewesen seien, bei einem Verkehrsunfall schwere körperliche Verletzungen herbeizuführen. Der Beschwerdeführer habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 KFG 1967 begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe von 30 Stunden) verhängt.
Hiegegen richtet sich die zur Zl. 90/02/0053 protokollierte Beschwerde.
III. Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die beiden zum Teil gleichlautenden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe mehrmals beantragt, den am 23. Februar 1988 um 21.45 Uhr an einem bestimmten Gendarmerieposten in Salzburg diensthabenden Gendarmen als Zeugen zu vernehmen. Dieser habe ihm nach einem Verkehrsunfall versichert, daß trotz der durch den Unfall verursachten Beschädigungen gegen eine Weiterfahrt mit dem Pkw keine Bedenken bestünden. Durch dessen Einvernehmung hätte der Beschwerdeführer glaubhaft machen können, daß ihn, selbst wenn der Tatbestand verwirklicht worden wäre, an der Tat kein Verschulden treffe.
Die belangte Behörde hat hiezu in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt, der behauptete Umstand sei nicht aktenkundig und gehe auch aus der Zeugenaussage der Ehegattin des Beschwerdeführers nicht hervor.
Diese Begründung vermag nicht zu überzeugen. Der behauptete Umstand kann - abgesehen von den Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren - nicht aktenkundig sein, wenn die Behörde nicht einmal versucht hat, den betreffenden Gendarmeriebeamten als Zeugen zu vernehmen, und wenn die Ehegattin des Beschwerdeführers hiezu offensichtlich nicht befragt wurde.
Der behauptete Verfahrensmangel könnte aber nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn er wesentlich wäre, wobei die Wesentlichkeit in der Beschwerde darzustellen ist (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 Seite 591). Dies ist dem Beschwerdeführer aber nicht gelungen:
Zwar kann die von einem Organ der (zuständigen) Behörde erteilte Auskunft für das Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums von Bedeutung sein, wenn auch die Unkenntnis oder irrige Auslegung von Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 und des Kraftfahrgesetzes 1967 durch Lenker bzw. Zulassungsbesitzer von Kraftfahrzeugen grundsätzlich nicht als unverschuldet angesehen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1990, Zl. 89/02/0206). In den Beschwerdefällen kommt es aber darauf an, welche Bedeutung der Beschwerdeführer der behaupteten Auskunft eines Gendarmeriebeamten, nach einem Verkehrsunfall bestünden gegen eine Weiterfahrt keine Bedenken, beimessen durfte.
Nach der Auffassung des Gerichtshofes konnte der Beschwerdeführer damit für die Weiterfahrt zur nächsten geeigneten Werkstätte, allenfalls auch noch für die (vom Beschwerdeführer laut Anzeige vom 4. März 1988 als dringend bezeichnete) Fahrt nach Wien und den Weg zu einer dort befindlichen Werkstätte seines Vertrauens als entschuldigt gelten. Keinesfalls durfte er die behauptete Auskunft dahin verstehen, damit wäre der Zustand seines beschädigten Fahrzeuges für alle Zukunft in kraftfahrgesetzlicher Hinsicht behördlich "genehmigt" worden. Vielmehr hätte er angesichts der festgestellten Beschädigungen für deren alsbaldige Reparatur (jedenfalls soweit dies zur Vermeidung von Gefahren notwendig war) sorgen müssen. Die beiden gegenständlichen Fahrzeugkontrollen sind aber mehr als eine Woche nach dem angeblichen Unfallszeitpunkt erfolgt.
Was die Fahrzeugkontrolle vom 4. März 1988 anlangt, so kommt noch hinzu, daß der Beschwerdeführer aus der Beanstandung vom 3. März 1988 von den Bedenken der Behörde gegen den Zustand seines Fahrzeuges wissen mußte. Nach dem Inhalt der diese Kontrolle betreffenden Anzeige, die ein Beweismittel im Sinne des § 46 AVG darstellt, hat er damals die Unmöglichkeit einer Weiterverwendung in diesem Zustand eingesehen und war ihm die Weiterfahrt untersagt worden. Dennoch wurde das Fahrzeug bereits am nächsten Tag wieder in Betrieb genommen.
Die behauptete Auskunft eines Salzburger Gendarmeriebeamten wäre somit nicht geeignet, den Beschwerdeführer für den Zeitpunkt 3. März 1988, noch viel weniger für den Zeitpunkt 4. März 1988 im Sinne des § 5 VStG zu entschuldigen, so daß der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht wesentlich sein kann.
Unrichtig will der Beschwerdeführer Straffreiheit gemäß § 134 Abs. 2 KFG in Anspruch nehmen. Nach Z. 1 dieser Bestimmung muß bei einem Verkehrsunfall DURCH DIE TAT nur Sachschaden entstanden sein; in den Beschwerdefällen ist die angelastete Tat aber jeweils zeitlich nach einem Verkehrsunfall, der zu gefährlichen Schäden am Fahrzeug geführt hat, gelegen.
Aber auch der vom Beschwerdeführer angestellte Größenschluß, wenn durch die Übertretung kein Unfall entstanden sei, könne die Zuwiderhandlung nicht als Verwaltungsübertretung gelten, ist verfehlt. § 134 Abs. 1 KFG sieht generell die Strafbarkeit von Verstößen gegen die Vorschriften des Kraftfahrgesetzes vor; Abs. 2 bestimmt, wann eine solche Zuwiderhandlung nicht als Verwaltungsübertretung gilt. Eine Gesetzeslücke, die durch Größenschluß gefüllt werden könnte, liegt somit nicht vor. Die sachliche Rechtfertigung der Rechtswohltat des § 134 Abs. 2 Z. 1 KFG ist darin gelegen, daß dem Täter - ebenso wie gemäß § 99 Abs. 6 lit. a StVO (vgl. hiezu Benes-Messiner StVO8 § 99 Anm. 22 und 23) - Gelegenheit gegeben werden soll, durch vorschriftsmäßiges Verhalten bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden Straffreiheit zu erwirken (vgl. auch Grubmann, KFG3 § 134 Anm. 4).
In seiner zur Zl. 90/02/0053 protokollierten Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer auch gegen die Beschreibung des Fahrzeugzustandes durch die belangte Behörde. Damit bekämpft er deren Beweiswürdigung. Diese unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur insofern, als sie auf die Vollständigkeit des erhobenen Sachverhaltes und ihre Schlüssigkeit hin überprüft wird (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).
Hievon ausgehend hält die Beweiswürdigung der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof jedenfalls stand: Daß Teile der beschädigten Karosserie seitlich herausragten und scharfe Kanten bildeten, haben in den beiden Beschwerdefällen zwei verschiedene Meldungsleger unabhängig voneinander in detaillierten Fahrzeugbeschreibungen im Rahmen ihrer Anzeigen festgehalten; ein Meldungsleger hat dies auch als Zeuge bekräftigt. Selbst die Ehegattin des Beschwerdeführers hat ausgesagt, daß ein Blechteil hervorgestanden sei. Wenn die belangte Behörde den gegenteiligen Behauptungen des Beschwerdeführers keinen Glauben geschenkt hat, ist darin daher eine rechtswidrige Beweiswürdigung nicht gelegen. Unter den gegebenen Umständen ist es nicht ausschlaggebend, daß der andere Meldungsleger bei seiner Zeugenvernehmung keine konkrete Erinnerung an den Vorfall mehr hatte.
Worin der vom Beschwerdeführer behauptete Widerspruch zwischen Spruch und der Begründung, das Fahrzeug habe sich - bei der Besichtigung der Beschädigungen durch den Meldungsleger - im ruhenden Verkehr befunden, liegen soll, ist unerfindlich.
Eine Rechtswidrigkeit erblickt der Beschwerdeführer darin, daß im angefochtenen Bescheid vom 16. Februar 1990 sowohl Übertretungsnorm als auch Strafnorm nicht angeführt seien. Ersteres ist aktenwidrig. Was die Strafnorm anlangt, ist darauf hinzuweisen, daß der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides dieser in seiner berichtigten Fassung zugrunde zu legen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Mai 1990, Zl. 89/02/0070, und vom 7. September 1990, Zl. 90/18/0072). Im - unbekämpft gebliebenen - Berichtigungsbescheid vom 26. September 1990 hat die belangte Behörde aber das ursprünglich unrichtige Normzitat des Straferkenntnisses korrigiert und als Strafnorm zutreffend § 134 KFG angeführt. Somit erweist sich auch diese Rüge des Beschwerdeführers als gegenstandslos.
Was die Strafbemessung betrifft so verwechselt der Beschwerdeführer den Erschwerungsgrund des Vorhandenseins einschlägiger Vorstrafen mit dem Milderungsgrund der absoluten Unbescholtenheit. Selbst bei Annahme verwaltungsstrafrechtlicher Unbescholtenheit des Beschwerdeführers vermag der Verwaltungsgerichtshof in den Beschwerdefällen nicht zu erkennen, daß die Behörde bei der Bemessung der im untersten Bereich der Strafdrohung liegenden Geldstrafen ihren Ermessensspielraum überschritten hätte.
Die vorliegenden Beschwerden erweisen sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990020051.X00Im RIS seit
11.07.2001