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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):90/02/0157Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerden des N gegen die Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung vom 27. März 1990, Zl. VerkR-10.614/11-1990-II/Bi, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, und vom 9. August 1990, VerkR-10.414/13-1990-II/Bi, betreffend Abänderung des erstgenannten Bescheides, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 5.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
I. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. März 1990 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er sei am 11. Oktober 1988 kurz vor 17 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges 1) an einem näher beschriebenen Ort in der dort befindlichen unübersichtlichen Rechtskurve nicht äußerst rechts gefahren, zumal er mit dem genannten Pkw auf die linke Fahrbahnseite geraten sei und 2) an dem vor einem näher bezeichneten Haus vorschriftsmäßig abgestellten, dem Kennzeichen nach bestimmten Lkw nicht unter Einhaltung eines entsprechenden Sicherheitsabstandes vorbeigefahren, zumal er diesen Lkw beim Vorbeifahren mit dem (von ihm gelenkten) Kraftfahrzeug gestreift habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen und zwar zu 1) nach § 7 Abs. 2 StVO und zu 2) nach § 17 Abs. 1 StVO begangen. Es wurden 2 Geldstrafen zu je S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 12 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu hg.
Zl. 90/02/0088 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
II. Mit Bescheid vom 9. August 1990 änderte die belangte Behörde den zu I. zitierten Bescheid unter Berufung auf § 52a VStG 1950 insofern ab, als im Punkt 1) der Spruchteil "zumal er mit dem genannten Pkw auf die linke Fahrbahn geriet" zu entfallen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu hg.
Zl. 90/02/0157 protokollierte Beschwerde.
III. Über die zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
1. Der Verwaltungsgerichtshof hält es für zweckmäßig, zunächst auf die Frage der Rechtmäßigkeit des zu II. zitierten Bescheides einzugehen.
Dieser wurde im wesentlichen damit begründet, aus der Begründung des Bescheides vom 27. März 1990 ergebe sich, daß dem Beschwerdeführer ein Überfahren der Fahrbahnmitte oder ein Befahren der linken Fahrbahnseite nicht nachgewiesen werden könne. Dieser Umstand sei bei der Strafbemessung berücksichtigt, nicht jedoch sei der Spruch abgeändert worden, sodaß eine offenkundige Gesetzesverletzung zum Nachteil des Bestraften insofern vorliege, als der Tatvorwurf im Spruch über den sich aus der Begründung ergebenden hinausgehe. Die Berufungsbehörde habe daher unter Bedachtnahme auf § 44a lit. a VStG 1950 von dem ihr in § 52a Abs. 1 leg. cit. eingeräumten Recht Gebrauch gemacht.
Gemäß § 52a Abs. 1 VStG 1950 kann von Amts wegen ein rechtskräftiger Bescheid, durch den zum Nachteil des Bestraften das Gesetz offenkundig verletzt worden ist, von der Behörde, die ihn erlassen hat, oder von der Berufungsbehörde aufgehoben oder abgeändert werden. Auf die Ausübung dieses Rechtes hat niemand einen Anspruch.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde nicht berechtigt gewesen wäre, von dieser Bestimmung Gebrauch zu machen. Vielmehr erachtet der Verwaltungsgerichtshof die hiefür oben wiedergegebene Begründung der belangten Behörde für zutreffend, ist doch nicht zweifelhaft, daß es für den Beschwerdeführer einen "Nachteil" im Sinne des § 52a Abs. 1 VStG 1950 darstellte, einer Tat für schuldig befunden zu werden, die er in diesem Umfang nicht begangen hat. Von einem "Mißbrauch" kann keine Rede sein.
Der Anwendung des § 52a Abs. 1 VStG 1950 stand auch nicht die Vorschrift des § 51 Abs. 5 leg. cit. entgegen: Es kann kein Zweifel bestehen, daß § 52a VStG 1950 (vgl. auch dessen Absatz 2), da er "Nachteile" des Bestraften beseitigen soll, zu Gunsten desselben Regelungen trifft. Da die Vorschrift des § 51 Abs. 5 VStG 1950 von Rechtsschutzüberlegungen getragen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1989, Zl. 89/04/0054), wäre es geradezu widersinnig, die Heranziehung des § 52a Abs. 1 VStG 1950 außerhalb der Frist des § 51 Abs. 5 leg. cit. auf interpretativem Wege auszuschließen. Die Beschwerde gegen den zu II. zitierten Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
2. Zur Beschwerde gegen den zu I. zitierten Bescheid:
Ausgehend von den vorstehenden Überlegungen zu III.1. ist dem Einwand des Beschwerdeführers, es liege ein Widerspruch zwischen dem Schuldspruch zu Punkt 1) und der bezüglichen Begründung (in Hinsicht auf die Frage, ob der Beschwerdeführer mit dem Pkw auf die linke Fahrbahnseite geriet oder nicht) der Boden entzogen. Weiters ist klarzustellen, daß durch den Bescheid vom 9. August 1990 keine Klaglosstellung in Hinsicht auf Punkt 1 des Bescheides vom 27. März 1990 eingetreten ist. Im Unterschied zum hg. Beschluß vom 28. Juni 1989, Zl. 89/03/0045, wurde nämlich im vorliegenden Fall durch die belangte Behörde keine "Neufassung" des Bescheidspruches vorgenommen, sondern lediglich ein (für die Tatbildmäßigkeit unwesentlicher) Satzteil aus dem Spruch eliminiert.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers wird der so modifizierte Schuldspruch dem Konkretisierungsgebot des § 44a lit. a VStG 1950 gerecht, legt doch § 7 Abs. 2 StVO - anders als § 7 Abs. 1 leg. cit. - dem Fahrer die Verpflichtung auf, an bestimmten Stellen ausnahmslos am rechten Fahrbahnrand zu fahren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 1980, Zl. 429/78). Was aber den Einwand des Beschwerdeführers anlangt, er sei wegen eines Kanaldeckels nicht in der Lage gewesen, am rechten Fahrbahnrand zu fahren, so kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer diesem Kanaldeckel ausweichen durfte, hat doch der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren (vgl. seinen Schriftsatz vom 1. März 1989) selbst eingeräumt, dieser Kanaldeckel rage 60 cm in die Fahrbahn hinein. Die belangte Behörde hat jedoch in einem mängelfreien Verfahren festgestellt, daß der vom Beschwerdeführer zum rechten Fahrbahnrand eingehaltene Abstand ca. 1,4 m betragen habe, was somit - auch unter dem Blickwinkel des Schutzzweckes der Norm - jedenfalls die Annahme rechtfertigte, der Beschwerdeführer habe gegen § 7 Abs. 2 StVO verstoßen. Der Schuldspruch zu Punkt 1) ist daher frei von Rechtsirrtum, zumal auch unerfindlich ist, weshalb - so der Beschwerdeführer - die belangte Behörde in Anwendung des § 52a Abs. 1 VStG 1950 zu einer "Einstellung" des Verfahrens hätte kommen müssen.
Aber auch die diesbezügliche Strafbemessung vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig zu erkennen. Der Einwand, die belangte Behörde hätte im Hinblick auf die Anwendung des § 52a Abs. 1 VStG 1950 die Strafe herabsetzen müssen, geht ins Leere, weil die belangte Behörde ohnedies - ausgehend von dem Umstand, daß der Beschwerdeführer nicht die Gegenfahrbahn befahren habe - die Strafe herabgesetzt hat. Ein Grund für ein "Nachsehen" der Strafe (im Sinne des § 51 Abs. 4 VStG 1950) bestand für die belangte Behörde - da sie keinen Anlaß für die Annahme des Überwiegens rücksichtswürdiger Umstände hatte - nicht. Ein Überschreiten des ihr zustehenden Ermessensspielraumes ist nicht erkennbar.
Die Beschwerde gegen Punkt 1) des Schuldspruches erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Zu der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Übertretung des § 17 Abs. 1 StVO (Punkt 2 des Schuldspruches) ist zu bemerken:
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 9. Juli 1987, Zl. 87/02/0004) läßt die Tatsache einer Berührung des vorbeifahrenden Fahrzeuges mit dem stehenden Fahrzeug darauf schließen, daß der nötige Sicherheitsabstand zu diesem Zeitpunkt nicht eingehalten wurde. Eine solche Berührung konnte die belangte Behörde in unbedenklicher Weise schon aufgrund der Aussage des Zeugen Ö. vom 6. Dezember 1988 annehmen, wonach dieser u.a. beobachtet hat, das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug sei bei der Vorbeifahrt "auf der rechten Seite etwas in die Höhe gedrückt" worden, weiters habe der Zeuge den "Aufprall" gehört. Das Beschwerdevorbringen, welches darauf hinausläuft, die belangte Behörde habe die Prüfung unterlassen, ob die vom Beschwerdeführer behauptete - andere - Ursache der Beschädigung des von ihm gelenkten Fahrzeuges den Tatsachen entspräche, ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, kommt es doch allein darauf an, ob die belangte Behörde als erwiesen annehmen durfte, daß der Beschwerdeführer den nötigen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat. Ob das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug bei diesem Vorfall eine "Beschädigung" erfahren hat, ist mithin für die Frage, ob der Beschwerdeführer gegen § 17 Abs. 1 StVO verstoßen hat, nicht von Bedeutung. Es konnte daher dahingestellt bleiben, was die Ursache der Beschädigung des vom Beschwerdeführers gelenkten Fahrzeuges war. Da auch hier keine Bedenken gegen die Strafbemessung bestehen, erweist sich die gegen Punkt 2) des Schuldspruches erhobene Beschwerde gleichfalls als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
IV. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren der belangten Behörde auf Ersatz des Vorlageaufwandes zu Zl. 90/02/0157 war abzuweisen, da dieser nur einmal (Vorlage im Akt Zl. 90/02/0088) gebührt.
Schlagworte
Beweismittel ZeugenAblehnung eines BeweismittelsEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990020088.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010