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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Weiss und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 24. Juli 1990, Zl. 8V-1549/4/90, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 bestraft, weil er am 22. Mai 1989 um 21.55 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw an einem näher bezeichneten Ort in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde ging bei der Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers vom Ergebnis der Blutuntersuchung aus, der die am 22.Mai 1989 und 23.59 Uhr durchgeführte ärztliche Blutabnahme zugrunde lag. Diese Untersuchung ergab einen Blutalkoholgehalt von 0,86 Promille nach der ADH-Methode und 0,89 Promille nach Widmark. Daraus errechnete der von der belangten Behörde beigezogene amtsärztliche Sachverständige einen Blutalkoholwert zur Tatzeit von 0,92 bis 1,12 Promille nach der ADH-Methode und 0,95 bis 1,15 Promille nach Widmark.
Der Beschwerdeführer macht geltend, daß die gesetzlichen Voraussetzungen zur Vornahme einer Blutabnahme nicht gegeben gewesen seien, weil er seine Zustimmung dazu nicht erteilt habe und bei dem Unfall, an dem er beteiligte gewesen sei, außer ihm selbst keine anderen Personen schwer verletzt worden seien. Das Ergebnis der solcherart unzulässigen Blutabnahme hätte daher nicht als Beweismittel verwendet werden dürfen. Dazu ist folgendes auszuführen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 27. November 1979, Slg. Nr. 9975/A) dürfen die Ergebnisse einer Blutalkoholuntersuchung zur Erbringung des Nachweises der Begehung einer Verwaltungsübertretung gegen einen Verkehrsteilnehmer als Beschuldigten, dem ohne dessen Verlangen oder Zustimmung das Blut abgenommen worden ist, im Verwaltungsstrafverfahren nur unter der Voraussetzung verwertet werden, daß die Blutabnahme nicht gegen § 5 Abs. 6 StVO 1960 verstoßen hat. Gemäß § 5 Abs. 6 StVO 1960 hat die Untersuchung, wenn der Vorgeführte im Verdacht steht, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, bei dem eine Person getötet oder erheblich verletzt worden ist, eine Blutabnahme zu umfassen, wenn dies erforderliche und ärztlich unbedenklich ist.
Im Beschwerdefall läßt sich der Aktenlage nicht entnehmen, daß der Beschwerdeführer eine Blutabnahme verlangt oder einer solchen zugestimmt hätte. Der Umstand, daß im Protokoll über die klinische Untersuchung die im Vordruck bei Punkt 6) "Blutabnahme" vorgesehenen Vermerke verweigert - freiwillig - verlangt" jeweils gestrichen wurden und der Vermerk "gesetzlich" offenblieb, deutet eher daraufhin, daß die Blutabnahme nicht auf Verlangen oder mit Zustimmung des Beschwerdeführers erfolgte. Die Aktenlage bietet auch keine Anhaltspunkte für eine verläßliche Annahme, daß die beim gegenständlichen Verkehrsunfall körperlich zu Schaden gekommenen Personen "erheblich" im Sinne des § 5 Abs. 6 StVO 1960 verletzt wurden. Aus der Anzeige geht lediglich hervor, daß die vom Beschwerdeführer mitbeförderten 2 Personen leicht verletzt und nach ärztlicher Hilfeleistung durch einen praktischen Arzt von der Rettung ins Landeskrankenhaus Klagenfurt eingeliefert worden seien. Zur Beurteilung, ob die von ihnen erlittenen Verletzungen als "erheblich" im Sinne des § 5 Abs. 6 StVO 1960 anzusehen sind, hätte es näherer Feststellungen über die Art der Verletzungen sowie der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens darüber bedurft, welche Folgen (Dauer der Gesundheitsstörung, Dauer der Schmerzen, erforderliche medizinische Behandlung etc.) mit der Verletzung für die Verletzten verbunden waren (vgl. neben anderen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1990, Zl. 90/03/0154, und die dort angeführte Judikatur).
Wegen dieser Verfahrensmängel, deren Geltendmachung entgegen der in der Gegenschrift vertretenen Ansicht der belangten Behörde das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG zufolge des Grundsatzes der Amtswegigkeit des Verfahrens, der die amtswegige Klarstellung des maßgeblichen Sachverhaltes in diesen Punkten erfordert hätte, nicht entgegensteht, ist eine abschließende Prüfung der Frage der Zulässigkeit der Verwertung der Ergebnisse der Blutuntersuchung nicht möglich, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c aufzuheben war. Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde erübrigte sich.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Beweismittel Beschuldigtenverantwortung Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer Sachverständiger Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Blutabnahme Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Verfahrensrecht Beweismittel rechtswidrig gewonnener BeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990030223.X00Im RIS seit
12.06.2001