TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/19 90/02/0099

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Veröffentlicht am 19.12.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs1;
StVO 1960 §52 lita Z13b;
StVO 1960 §89a Abs2 idF 1987/213 ;
StVO 1960 §89a Abs2 idF 1987/213;
StVO 1960 §89a Abs2 idF 1989/086 ;
StVO 1960 §89a Abs2;
StVO 1960 §89a Abs2a idF 1983/174;
StVO 1960 §89a Abs2a idF 1989/086 ;
StVO 1960 §89a Abs2a;
StVO 1960 §89a Abs7 idF 1976/412;
StVO 1960 §89a Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Stoll, Dr. Bernard und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 28. März 1990, Zl. MA 70-12/319/89, betreffend Kostenvorschreibung gemäß § 89a Abs. 7 StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 28. März 1990 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 89a Abs. 7 und 7a StVO 1960 für die vom Magistrat der Stadt Wien, MA 48, am 18. Februar 1989 um

8.55 Uhr vorgenommene Entfernung und nachfolgende Aufbewahrung des in Wien 16, Lerchenfelder Gürtel 17, verkehrsbeeinträchtigend abgestellt gewesenen, dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges ein Kostenersatz in der Höhe von S 1.260,-- vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Unbestritten ist, daß an der Stelle, an der das gegenständliche, auf die Beschwerdeführerin zugelassene Kraftfahrzeug abgestellt war, ein im Sinne des § 52 Z. 13b StVO 1960 beschildertes Halteverbot von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr, ausgenommen Zustelldienste von 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr, bestanden hat. Die belangte Behörde hat das Vorliegen einer durch dieses Kraftfahrzeug verursachten Verkehrsbeeinträchtigung im Sinne des § 89a Abs. 2 StVO 1960 auf Grund der Angaben des auch als Zeugen vernommenen Polizeibeamten, der die Abschleppung des Fahrzeuges veranlaßt hat, als erwiesen angenommen. Demnach sei das Fahrzeug am 18. Februar 1989 UM 7.55 UHR in dieser Halteverbotszone abgestellt gewesen und habe "insofern den Fließverkehr am Gürtel behindert, als alle in der ersten Spur fahrenden Fahrzeuge auf die zweite Spur ausweichen mußten", "dadurch" sei "ein Rückstau von etwa 100 m" entstanden, und es habe, "obwohl dieser Tag ein Samstag war, reges Verkehrsaufkommen" geherrscht. Die Beschwerdeführerin bestreitet die Richtigkeit dieser Sachverhaltsdarstellung und bekämpft damit die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Diese unterliegt nur einer eingeschränkten Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof in der Richtung, ob der Sachverhalt genügend ermittelt worden ist und ob die bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen schlüssig sind (vgl. u. a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Der Beschwerdeführerin ist unter diesem Gesichtspunkt entgegenzuhalten, daß die Annahme, es habe an der betreffenden Örtlichkeit auch zu der genannten Zeit (obwohl an einem Samstag) starker Verkehr geherrscht, weder den Denkgesetzen noch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widerspricht. Ob die vom auffordernden Polizeibeamten für dieses Verkehrsaufkommen gegebenen Gründe ("unmittelbar bevorstehende Öffnung der Geschäftslokale" und "Ende der Energieferien") stichhältig sind, ist ohne Belang, weil es sich insofern nicht um die Wiedergabe eigener Wahrnehmungen, sondern lediglich um nachträgliche Vermutungen, worauf der starke Verkehr zurückzuführen gewesen sein könnte, handelt. Mag auch - wie die Beschwerdeführerin meint - "amtsbekannt" sein, "daß das Ende der Energieferien wohl zu einem verstärkten Verkehrsaufkommen auf den nach Wien führenden Straßen, nicht aber zu einem verstärkten Verkehrsaufkommen im Stadtbereich selbst führt", so schließt dies gedanklich keineswegs die Möglichkeit aus, daß dennoch an diesem Tag um diese Zeit an der betreffenden Örtlichkeit das vom Polizeibeamten geschilderte erhöhte Verkehrsaufkommen war, zumal trotz der Semesterferien ein erheblicher Teil der Bevölkerung in Wien bleibt, die Geschäfte weitgehend offen halten und es viele gibt, die Wien erst gerade um diese Zeit oder später für den einen Tag oder das ganze Wochenende verlassen. Es kann daher nicht als offenkundige Tatsache im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG 1950 angesehen werden, daß dort damals kein erhöhtes Verkehrsaufkommen war. Die Lenkerin des gegenständlichen Fahrzeuges war der Aktenlage nach nicht anwesend, und auch sonst liegen keine gegenteiligen Beweisergebnisse vor.

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides in rechtlicher Hinsicht auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juni 1977, Zl. 2774/76 (richtig: 2374/76, veröffentlicht in ZVR 106/1978), hingewiesen, wonach es keiner weitwendigen Ausführungen bedarf, daß gerade in Spitzenverkehrszeiten die Mißachtung eines zur Hintanhaltung einer Verkehrsbeeinträchtigung erlassenen Halteverbotes eine Hinderung und damit Beeinträchtigung des Verkehrs besorgen läßt, wird doch durch die Aufstellung des (später abgeschleppten) Fahrzeuges ein Fahrstreifen der Fahrbahn unbenützbar. Auf dieses Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem weiteren Erkenntnis vom 4. Juli 1985, Zl. 85/02/0022, dem ein ähnlich gelagerter Fall zugrundelag, Bezug genommen und hiebei ebenfalls das Vorliegen einer Verkehrsbeeinträchtigung im Sinne des § 89a Abs. 2 StVO 1960 bejaht. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Judikatur abzugehen. In diesem Zusammenhang ist im Hinblick darauf, daß Lenker anderer Fahrzeuge durch das abgestellte Fahrzeug der Beschwerdeführerin nicht am Vorbeifahren gemäß § 89a Abs. 2a lit. c StVO 1960 "gehindert" waren, festzuhalten, daß zwar im § 89a Abs. 2a StVO 1960 einzelne Fälle einer solchen Verkehrsbeeinträchtigung eigens angeführt sind, es sich aber nur um eine demonstrative Aufzählung handelt und daher die Annahme einer Verkehrsbeeinträchtigung auch in Ansehung anderer Tatbestände gerechtfertigt sein kann. Dies trifft bei solchen Verhältnissen, wie sie in den den beiden zuletzt genannten Vorerkenntnissen zugrundeliegenden Fällen und im vorliegenden Beschwerdefall geherrscht haben, zu. Der Umstand, daß zu bestimmten Zeiten "Zustelldienste", worunter nach § 52 Z. 13b StVO 1960 "das rasche Auf- oder Abladen geringerer Warenmengen" zu verstehen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1988, Zl. 87/02/0176), vom Halteverbot ausgenommen sind, weshalb zu diesem Zweck das kurzfristige Abstellen eines Fahrzeuges in der Verbotszone innnerhalb dieses Zeitraumes gestattet ist und daher aus diesem Grund dieser Fahrstreifen allenfalls für den fließenden Verkehr nicht zur Verfügung steht, vermag daran nichts zu ändern. Durch diese verordnete Ausnahme vom Halteverbot wird zwar der Eintritt von Beeinträchtigungen des fließenden Verkehrs in Kauf genommen, weshalb auch ein dort erlaubterweise abgestelltes Fahrzeug, obwohl es ebenso ein Hindernis für im Fließverkehr befindliche Fahrzeuge darstellt, nicht abgeschleppt werden dürfte, wenn an Ort und Stelle eindeutig zu erkennen ist, daß ein objektiv verkehrswidriges Verhalten nicht als Ursache für die Verkehrsbeeinträchtigung gilt (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. April 1984, Zl. 83/02/0287). Diese Voraussetzung fehlt aber im vorliegenden Beschwerdefall.

Es ist auch grundsätzlich davon auszugehen, daß ein Fahrzeug nicht erst dann entfernt werden darf, wenn eine Hinderung des Verkehrs konkret eingetreten ist, sondern bereits dann, wenn nach den Umständen des Einzelfalles zu besorgen ist, daß das Fahrzeug den übrigen Verkehr hindern werde, wobei im vorliegenden Beschwerdefall ein dem § 89a Abs. 2a lit. d erster Fall, g oder h StVO 1960 vergleichbarer Fall nicht gegeben ist (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1990, Zl. 89/02/0195). Allerdings kommt es bei Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abschleppung (als Voraussetzung für eine Kostenvorschreibung nach § 89a Abs. 7 StVO 1960) ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entfernung des Fahrzeuges an (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1986, Slg. Nr. 12041/A, das auch diesbezüglich im schon erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates zur Zl. 89/02/0195 zitiert wird). Diese Verhältnisse (UM 8.55 UHR desselben Tages) hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Dies stellt aber keinen wesentlichen Mangel dar, weil auf Grund der bereits eine Stunde vorher bestandenen, als erwiesen angenommenen Verkehrsverhältnisse am Abstellort nicht mit einer Abnahme des Verkehrs zu rechnen war und demnach eine - über "eine bloße Behinderung" hinausgehende - Hinderung des Fließverkehrs durch das abgestellte Fahrzeug der Beschwerdeführerin auch noch im Zeitpunkt seiner Entfernung zu besorgen war, wobei der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Umstand, es seien "im fraglichen Bereich zumindest vier vollwertige Fahrspuren in derselben Richtung" vorhanden, ohne Bedeutung ist.

Für den Fall der Rechtmäßigkeit der Entfernung ihres Fahrzeuges bringt die Beschwerdeführerin gegen die Rechtmäßigkeit der Kostenvorschreibung gemäß § 89a Abs. 7 StVO 1960 nichts vor. Da nicht aktenkundig ist, zu welchem Zeitpunkt das Fahrzeug abgestellt wurde, kann zwar der belangten Behörde nicht unbedingt darin gefolgt werden, daß (im Sinne des vorletzten Satzes dieser Gesetzesstelle) die Aufstellung von Anbeginn gesetzwidrig war. Jedenfalls mußte aber dem Inhaber (Lenker) des Fahrzeuges im Zeitpunkt der Aufstellung der bevorstehende Eintritt der Voraussetzung zur Entfernung bekannt sein, war doch für ihn der Eintritt der Verkehrsbehinderung auf Grund des durch Verkehrszeichen kundgemachten "Verkehrsspitzenhalteverbotes" vorhersehbar (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 1985, Zl. 85/02/0022, und vom 28. September 1988, Zl. 88/02/0049), sodaß der Verwaltungsgerichtshof gegen die Rechtmäßigkeit der Kostenvorschreibung keine Bedenken hat.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Parteiengehör offenkundige notorische TatsachenVerfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht ManuduktionspflichtVorhersehbarkeit Verkehrsbehinderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990020099.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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