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L10103 Stadtrecht Niederösterreich;Norm
AVG §32;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. Jänner 1989, Zl. II/1-BE-K-3/88, betreffend Übertretung des NÖ Kurzparkzonenabgabegesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Bundesland Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, er habe - jeweils unter näherer Angabe der Zeit und des Ortes der Begehung - in St. Pölten am 25. April 1988, am 28. April 1988, am 10. Mai 1988, am 17. Mai 1988, am 20. Mai 1988, am 24. Mai 1988, am 26. Mai 1988, am 30. Mai 1988 und am 3. Juni 1988, ein dem Kennzeichen nach bestimmtes mehrspuriges Kraftfahrzeug innerhalb einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne hiefür die Kurzparkzonenabgabe entrichtet zu haben. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über den Beschwerdeführer nach § 3 Abs. 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 lit. a des NÖ Kurzparkzonenabgabegesetzes, jeweils eine Geldstrafe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 36 Stunden) verhängt.
In Erwiderung auf das Berufungsvorbringen wurde zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, im gegenständlichen Verfahren könne überhaupt nicht die Rede davon sein, daß im Sinne des zweiten Satzes des § 5 Abs. 1 VStG 1950 der Beschwerdeführer glaubhaft gemacht habe, ihn hätte an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden getroffen. Vielmehr zeigten "die Einspruchsausführungen, die Darlegungen in der Berufungsschrift und schließlich die Angaben des Bestraften in seiner Vernehmung vom 5. Oktober 1988, daß er das tatbildliche Verhalten nicht bloß fahrlässig sondern vorsätzlich begangen hat". Soweit behauptet werde, es wäre für den Beschwerdeführer auf Grund seiner Schichtarbeit unmöglich, einen Parkplatz zu finden, so sei dies für die Bestrafung unerheblich. Die Befreiungsgründe des § 5 des NÖ Kurzparkzonenabgabegesetzes seien taxativ aufgezählt und bestehe für Bewohner in Kurzparkzonenbereich kein Befreiungstatbestand.
Mit Beschluß vom 13. Juni 1989, B 298/89-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.
Die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in seinem Recht verletzt entgegen der Bestimmung des § 6 des NÖ Kurzparkzonenabgabengesetzes vom 10.04.1987 LGBL 3706-0 nicht bestraft zu werden und in seinem Recht verletzt entgegen der Bestimmung des § 1 (1) leg. cit. in St. Pölten am 25.04.1988 um 12.31 Uhr in der Klostergasse 29, am 28.04.1988 um 16.40 Uhr in der Dr. Ofner-Gasse 2, am 10.05.1988 um 10.28 Uhr in der Dr. Ofner-Gasse, am 17.05.1988 um 15.27 Uhr in der Dr. Ofner-Gasse 4, am 03.06.1988 um 15.35 Uhr in der Klostergasse 23, am 30.05.1988 um 8.20 Uhr in der Dr. Ofner-Gasse 2, am 26.05.1988 um 15.55 Uhr in der Klostergasse 23, am 20.05.1988 um 11.10 Uhr in der Klostergasse 25, am 24.05.1988 um 11.30 Uhr in der Klostergasse 25 mit seinem PKW, polizeiliches Kennzeichen W n.n kurzparkzonenabgabenfrei zu halten oder zu parken".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist allein in Streit, ob die "Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt St. Pölten über die Erhebung der Kurzparkzonenabgabe in der Stadt St. Pölten" gehörig kundgemacht wurde.
Dazu ist vorweg zu bemerken, daß gemäß Art. 89 Abs. 1 B-VG in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1975, der Verwaltungsgerichtshof berechtigt ist, die gehörige Kundmachung von Verordnungen selbst zu prüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1977, Slg. N. F. Nr. 9283/A).
Der Beschwerdeführer bringt nun vor, aus einem auf der Verordnung angebrachten Vermerk ergebe sich, daß diese am 3. November 1987 angeschlagen sowie am 17. November 1987 abgenommen worden sei. Die Verordnung habe jedoch volle zwei Wochen kundgemacht zu werden. Dies sei mit dem Anschlag vom 3. November 1987 und der Abnahme vom 17. November 1987 nicht gewährleistet. Bei Abnahme am 17. November 1987, was selbstverständlich während der Amtsstunden geschehe - es ergebe sich nirgends Gegenteiliges -, sei die Kundmachung für volle zwei Wochen nicht gewährleistet bzw. könne dies nicht überprüft werden.
Die belangte Behörde ist den sachverhaltsbezogenen Beschwerdeausführungen nicht entgegengetreten.
Die belangte Behörde vertritt die Rechtsmeinung, nach § 34 Abs. 1 St. Pöltner Stadtrecht 1977 seien Verordnungen der Stadt nur durch Anschlag an der Amtstafel kundzumachen, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt sei. Im vorliegenden Fall existiere eine derartige gesetzliche Ausnahmebestimmung. § 1 Abs. 2 NÖ Kurzparkzonenabgabegesetz bestimme nämlich, daß hinsichtlich der Kennzeichnung der Abgabepflicht in Kurzparkzonen § 52 lit. a Z. 13d der Straßenverkehrsordnung 1960 gelte.
§ 1 NÖ Kurzparkzonenabgabegesetz, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. 3706-0, lautet auszugsweise:
"(1) Die Gemeinden werden ermächtigt, durch Beschluß des Gemeinderates für das Halten und Parken von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 105/1986) eine Abgabe (Kurzparkzonenabgabe) nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu erheben.
(2) Der Gemeinderat kann einzelne Kurzparkzonen von der Abgabepflicht ausnehmen. Hinsichtlich der Kennzeichnung der Abgabepflicht in Kurzparkzonen gilt § 52 lit. a Z. 13d der Straßenverkehrsordnung 1960 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. Nr. 105/1986.
(3) ........".
§ 34 Abs. 1 St. Pöltner Stadtrecht 1977, LGBl. 1015-0, lautet:
"(1) Verordnungen der Stadt sind, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, durch Anschlag an der Amtstafel während der Dauer von zwei Wochen kundzumachen. Verordnungen, deren Art eine Kundmachung durch Anschlag an der Amtstafel nicht zuläßt, sind vom Magistrat zur öffentlichen Einsicht während der Amtsstunden aufzulegen; dies ist durch Anschlag an der Amtstafel kundzumachen."
Entgegen der Rechtsmeinung der belangten Behörde, handelt es sich bei der Regelung des letzten Satzes des § 1 Abs. 2 NÖ Kurzparkzonenabgabegesetz lediglich um die Form der "Kennzeichnung" der gebührenpflichtigen Kurzparkzonen. Wird doch nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die Normativität der Anordnung der Abgabenpflicht aus der Kundmachung des Gemeinderatsbeschlusses abgeleitet und nicht aus der nicht normativen Kennzeichnung einer Kurzparkzone als gebührenpflichtig (vgl. die zum Wiener Parkometergesetz ergangenen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1977, Slg. 8075, und des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1983, Zl. 83/17/0074, sowie das zum Tiroler Kurzparkzonenabgabegesetz ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1988, Zl. 88/17/0031; vgl. auch Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht, Band 1, S. 838 f., wonach "Kennzeichnungen" eine Erscheinungsform bloß "informatorischer Veröffentlichung" sind, die auf das Bestehen von bereits verordnungsmäßig festgelegten Rechtspflichten hinweisen sollen). Aus diesen Erwägungen kann die Regelung des letzten Satzes des § 1 Abs. 2 NÖ Kurzparkzonenabgabegesetz nicht als eine - von der subsidiären Vorschrift des § 34 Abs. 1 St. Pöltner Stadtrecht 1977 abweichende - Kundmachungsregel erkannt werden.
Nach dem Europäischen Übereinkommen über die Berechnung von Fristen samt Erklärung der Republik Österreich, BGBl. Nr. 254/1983, das unmittelbar anwendbar (vgl. das
hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1989, Zl. 88/08/0089, sowie 156 BlgNr., XIV GP, S. 8) und nach seinem Artikel 1 lit. a auf die Berechnung von Fristen auf dem Gebiet des Zivil-, Handels- und Verwaltungsrechts einschließlich des diese Gebiete betreffenden Verfahrensrechts anzuwenden ist, soweit diese Fristen durch Gesetz, von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde festgesetzt worden sind, bedeutet gemäß Art. 2 dieses Übereinkommens der Ausdruck "dies a quo" den Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt, der Ausdruck "dies ad quem" den Tag, an dem die Frist abläuft.
Gemäß Art. 3 Abs. 1 dieses Übereinkommens laufen Fristen, die in Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren ausgedrückt sind, von Mitternacht des dies a quo bis Mitternacht des dies ad quem. Gemäß Abs. 2 dieses Artikels schließt der Abs. 1 jedoch nicht aus, daß eine Handlung, die vor Ablauf einer Frist vorzunehmen ist, am dies ad quem nur während der gewöhnlichen Amts- oder Geschäftsstunden vorgenommen werden kann.
Ist eine Frist in Wochen ausgedrückt, so ist gemäß Art. 4 Abs. 1 dieses Übereinkommens der dies ad quem der Tag der letzten Woche, der dem dies a quo im Namen entspricht.
Es ist unbestritten, daß im Beschwerdefall der 17. November 1987 der dies ad quem ist. Bei Berücksichtigung der Regelung dieses Übereinkommens ergibt sich damit, daß die Kundmachung der Verordnung nicht während voller zwei Wochen erfolgte, wie es § 34 Abs. 1 St. Pöltner Stadtrecht 1977 verlangt (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1975, Slg. 7723).
An dieser Beurteilung vermag auch der in der Gegenschrift enthaltene Hinweis der belangten Behörde auf die Regelung des § 34 Abs. 1 zweiter Satz St. Pöltner Stadtrecht 1977 nichts zu ändern. Die belangte Behörde zieht aus dieser Regelung den Schluß, daß es nicht einzusehen sei, warum Verordnungen, die an der Amtstafel angeschlagen werden können, bis zu dem dem Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag auf der Amtstafel belassen werden sollten, wenn für Verordnungen, deren Art eine Kundmachung durch Anschlag nicht zuläßt, eine Auflage während der Amtsstunden hinreiche.
Die belangte Behörde verkennt bei ihrer Argumentation, daß die Bestimmung, wonach der letzte Tag einer Frist zur Gänze mitgerechnet wird, ausnahmslos gilt und daß damit vermieden wird, Bruchteile von Tagen berücksichtigen zu müssen (vgl. 156 BlgNR, XIV. GP, S. 9). Mit der Regelung des § 34 Abs. 1 zweiter Satz St. Pöltner Stadtrecht 1977 wird lediglich bestimmt, daß in Verordnungen, deren Art eine Kundmachung durch Anschlag an der Amtstafel nicht zuläßt, nur während der Amtsstunden - und nicht jeweils von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr - während der Kundmachungsfrist öffentlich eingesehen werden kann. Damit wird aber keine von der Fristenberechnung des obzitierten Europäischen Übereinkommens abweichende Regelung getroffen.
Aus den obigen Erwägungen ist die Kundmachung durch Anschlag nicht während voller zwei Wochen erfolgt, wie es § 34 Abs. 1 St. Pöltner Stadtrecht 1977 verlangt. Der Beschluß des Gemeinderates der Landeshauptstadt St. Pölten über die Erhebung der Kurzparkzonenabgabe ist demnach nicht in der vom Gesetz vorgeschriebenen Weise kundgemacht worden. Damit fehlte es an einer Voraussetzung für die Gebührenpflicht für die im Beschwerdefall relevanten Tatzeitpunkte. Daraus folgt weiters, daß die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat.
Der angefochtene Bescheid war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, wobei Aufwandersatz nur im begehrten Ausmaß zuzusprechen war.
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989170236.X00Im RIS seit
14.11.2001Zuletzt aktualisiert am
11.07.2010