TE Vfgh Erkenntnis 1988/6/10 B384/87

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Veröffentlicht am 10.06.1988
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
AVG 1950 §68 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung wegen entschiedener Sache; unveränderte Rechtslage; keine Änderung des maßgebenden Sachverhalts; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Willkür

Spruch

Die bf. Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die bf. Gesellschaft (die ein Spanplattenwerk betreibt) kaufte am 11. Juli/2. August 1983 die Gpn. 2354/1, 2354/2 und 3462, alle KG N.../Vorarlberg. Sie beantragte am 1. September 1983 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zu diesem Eigentumserwerb. Der (Vorarlberger) Grundverkehrssenat erteilte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. April 1984 die Erlaubnis zum Erwerb der Gpn. 2354/1 und 2354/2, versagte jedoch hinsichtlich der Gp. 3462 gemäß §5 Abs1 des Grundverkehrsgesetzes - GVG, Vorarlberger LGBl. 18/1977, die begehrte Genehmigung; diese 2.444 m2 große Liegenschaft werde landwirtschaftlich genützt und liege in der "Grünzone Walgau", einem als "überörtliche Freizone" gewidmeten Bereich. Ein Anrainer, der hauptberuflich Landwirt sei, interessiere sich für den Kauf dieses Grundstückes.

Am 6. Oktober 1986 stellte die bf. Gesellschaft neuerlich den Antrag, den Erwerb des Eigentums an der Gp. 3462 zu genehmigen. Sie brachte vor, seit Erlassung des Bescheides vom 16. April 1984 habe sich der maßgebende Sachverhalt geändert: Es interessiere sich nun überhaupt niemand anderer mehr für den Kauf dieser Liegenschaft; diese habe nur dann wirtschaftlichen Wert, wenn sie von der bf. Gesellschaft erworben werde.

b) Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Grundverkehrssenates vom 20. Feber 1987 wurde dieser neuerliche Antrag gemäß §68 Abs1 AVG 1950 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen; dies im wesentlichen mit folgender Begründung:

"Gemäß §68 Abs1 AVG 1950 sind Anbringen von Beteiligten, die die Änderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Einer meritorischen Entscheidung steht die Rechtskraft einer früheren Entscheidung dann im Wege, wenn einem neuerlichen Ansuchen ein Sachverhalt zugrunde liegt, der in den für die Entscheidung wesentlichen Elementen gegenüber den dem früheren Ansuchen zugrunde gelegenen Elementen keine Veränderung erfahren hat.

Im vorliegenden Verfahren ist hinsichtlich des Kaufgegenstandes, der Widmung im Flächenwidmungsplan, des Kaufpreises und des Erwerbszweckes seit dem Antrag vom 1.9.1983 keine Änderung eingetreten. Der maßgebende Sachverhalt, der nach dem Bescheid des Grundverkehrssenates vom 16.4.1984, GVS-310-402, zu einer Versagung der Genehmigung hinsichtlich der Gp. 3462, KG. Nüziders, führte, hat sich ebenso wie die maßgebenden Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes seither nicht geändert. Diese Grundparzelle wird weiterhin von einem Landwirt als Wiese genutzt. Der Auffassung, daß der Erwerb dieser Grundparzelle ohnehin nur eine Abrundung des Liegenschaftsvermögens der F E Ges.m.b.H. darstellt, kann nicht gefolgt werden, zumal die an die Gp. 3462 angrenzenden Liegenschaften nicht im Eigentum der Berufungswerberin stehen. Das übrige Vorbringen in der Berufung deckt sich mit dem im vorangegangenen, mit Bescheid des Grundverkehrssenates vom 16.4.1984, GVS-310-402, abgeschlossenen Verfahren. Seither hat sich somit keine solche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes ergeben, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluß zuließe, daß nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten könnte. Einer neuen Sachentscheidung steht somit die Rechtskraft eines bereits früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Bescheides gemäß §68 Abs1 AVG 1950 entgegen."

2. Gegen den zuletzt zitierten Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Der Grundverkehrssenat als bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift, in der er begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) Die bel. Beh. wies mit dem bekämpften Bescheid den Antrag der bf. Gesellschaft auf grundverkehrsbehördliche Genehmigung eines Eigentumserwerbes gemäß §68 Abs1 AVG 1950 wegen entschiedener Sache zurück.

Die bf. Gesellschaft macht geltend, der angefochtene Bescheid verletze sie deshalb im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, weil die Behörde zu Unrecht angenommen habe, daß eine Änderung des maßgebenden Sachverhaltes nicht eingetreten sei.

In diesem Zusammenhang sind die Bf. auf die neuere Rechtsprechung des VfGH hinzuweisen (zB VfSlg. 10611/1985 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur), an welcher der VfGH festhält. Aus ihr ergibt sich für diesen Fall, daß selbst eine inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen Bescheides im Sachverhaltsbereich keine Verletzung des geltend gemachten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bedeutete. Wie der VfGH nämlich aussprach, ist (bei unveränderter Rechtslage) die Frage, ob sich die für den früheren Bescheid maßgebend gewesene Sachlage derart geändert hat, daß die Erlassung eines neuen Bescheides in Betracht kommt, durch Messen des bestehenden Sachverhaltes an der dem früheren Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung vor ihrem normativen Hintergrund zu beantworten, und zwar nach derselben Methode, mit der er im Falle einer neuen Sachentscheidung an der Norm selbst zu messen wäre. Dieser Vorgang gleicht der Lösung der Sachfrage so sehr, daß er auch wie diese behandelt werden muß. Hat sich also die zuständige Behörde zu Recht mit der Frage beschäftigt, ob nach Rechtskraft einer Entscheidung eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eine neue Entscheidung rechtfertigt und diese Frage verneint, so berührt eine allfällige Unrichtigkeit ihres Urteils das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter im allgemeinen ebensowenig wie eine unrichtige Ansicht über die bindende Wirkung einer anderen behördlichen Erledigung (VfSlg. 6740/1972, 7144/1973, 7972/1976 und 8214/1977) oder die Zulässigkeit der Wiederaufnahme eines Verfahrens (VfSlg. 7865/1976).

b) Hier hat sich die Behörde mit der Frage, ob sich der Sachverhalt geändert hat, ausführlich auseinandergesetzt, und zwar auf eine Weise, die weder den logischen Denkgesetzen widerspricht noch Anhaltspunkte für Willkür bietet:

Die Beschwerde bringt zur Begründung, es hätten sich seit Erlassung des (ersten) Bescheides vom 16. April 1984 die maßgebenden Umstände tatsächlicher Natur geändert, vor:

"Tatsächlich hat der seinerzeitige Interessent seither nicht das geringste Interesse bekundet. Die Liegenschaft steht zum Verkauf, es wäre ihm also ein Leichtes gewesen, die Liegenschaft auch an sich zu lösen. Durch die seinerzeitigen Grundablösen mußte ihm die notwendige Barschaft zur Verfügung stehen, wobei der Preis ohnehin der ortsübliche und angemessene ist.

Aus dem Nichttätigwerden dieses Interessenten im besonderen, aber auch sonst keines Landwirtes im allgemeinen, ist auf die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dahingehend zu schließen, daß, während die Behörde seinerzeit von einem anderweitigem Kaufinteresse durch Landwirte an der Liegenschaft ausging, nunmehr ein solches Interesse nicht mehr besteht. Die Behörde hat diesen Umstand, obwohl sie ihm seinerzeit so großes Gewicht beimaß, nun überhaupt nicht untersucht. Die Zurückweisung unseres Antrages erfolgte also nur, da die Behörde den Sachverhalt verkannte und weitere Sachverhaltsermittlungen unterließ. Die Zurückweisung ist also gesetzwidrig. (ZfVB 1977/4/1459).

Von der Behörde wurde aber seinerzeit ein wesentlicher Umstand unberücksichtigt gelassen, nämlich daß es sich um ein landwirtschaftlich minderwertiges Gebiet handelt, was allein schon durch den Quadratmeterpreis a S 50,- zum Ausdruck kommt. Dieser Umstand ist aber für die Entscheidung sicher ein wesentlicher und wurde daher von uns nunmehr auch ins Treffen geführt. Die Behörde hat es aber unterlassen, dieses neuerliche wesentliche Argument, das damals noch nicht Grundlage für die Entscheidung bildete, zu untersuchen.

Schließlich geht die Behörde in ihrem jetzigen Bescheid einzig und allein von den Umständen seitens der landwirtschaftlichen Zielsetzung aus. Wir stützen unseren neuerlichen Antrag nun aber auch darauf, daß die Erweiterung unseres Betriebsgeländes dringend notwendig wird. Es sind gegenüber dem Zeitpunkt des damaligen Entscheides auch bei uns wesentliche Änderungen eingetreten, nämlich durch den erhöhten Bedarf. Um die vom Gesetz geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, hätte die Behörde auch diesen Umstand zu untersuchen gehabt, nicht aber den Antrag zurückzuweisen."

c) Diese Argumentation weist nicht nach, daß die Behörde denkunmöglich angenommen hat, es liege hier entschiedene Sache vor. Vielmehr ist die Begründung des angefochtenen Bescheides (s.o. I.1.b) durchaus plausibel. Die maßgebende Rechtslage hatte sich seit Erlassung des ersten Bescheides nicht geändert. Das dem nun bekämpften Bescheid vorangegangene Ermittlungsverfahren war zumindest nicht grob mangelhaft. Die Behörde konnte aufgrund dieses Ermittlungsverfahrens vertretbar annehmen, daß sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht geändert habe, daß nämlich die Liegenschaft nach wie vor von einem Landwirt als Wiese (also "landwirtschaftlich") genutzt wird, daß sie durch den beabsichtigten Eigentumserwerb diese Nutzung verlieren würde und daß gerade in dem Bereich, in dem sie liege, allgemein ein Aufstockungs- und Arrondierungsbedürfnis für bäuerliche Betriebe bestehe. Ob ein konkreter anderer Kaufinteressent seit Erlassung des ersten Bescheides weggefallen ist, kann wenigstens denkmöglich als Änderung einer Tatsache betrachtet werden, die für die Entscheidung unwesentlich ist.

d) Die bf. Gesellschaft ist also weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter noch in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht (etwa in jenem auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz) verletzt worden.

Da ob der Verfassungsmäßigkeit der maßgebenden gesetzlichen Vorschriften keine Bedenken bestehen, ist auch keine Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm gegeben.

Die Beschwerde war mithin abzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Bescheid, Bescheid Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B384.1987

Dokumentnummer

JFT_10119390_87B00384_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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