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32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;Norm
AVG §47;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der X-Gesellschaft m.b.H. in Wien, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 4. September 1989, Zl. GA 11-1077/2/89, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 4. März 1986 richtete die Beschwerdeführerin an Amalie B in Wien folgendes Schreiben:
"Sehr geehrte Frau B,
mit Vertrag vom 25.3.1977, unterfertigt und hinterlegt in München, haben wir von Ihnen Ihr Unternehmen des Gast- und Schankgewerbes in der Betriebsform eines Cafe-Restaurants am Standort ... gepachtet. Das genannte Pachtverhältnis endet am 31.3.1987.
Da Sie über Herrn Dr. S abgelehnt haben, Ihre Mietrechte zu unseren Gunsten aufzugeben, machen wir hiermit von der uns im Vertragspunkt IV Z. 2 des genannten Pachtvertrages eingeräumten Option Gebrauch und geben hiermit die Erklärung
ab, den genannten Pachtvertrag bis 31.3.1997 zu verlängern.
Wir ersuchen um Kenntnisnahme, daß mit dieser fristgerecht abgegebenen Erklärung der Pachtvertrag um weitere 10 Jahre als verlängert gilt."
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht allein in Streit, ob mit der Erklärung vom 4. März 1986 der dort erwähnte Bestandvertrag in gebührenpflichtiger Weise beurkundet wurde. Die belangte Behörde bejahte dies in dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid mit der Begründung, unter Urkunde sei jede Schrift zu verstehen, in der, wenn auch formlos, das Zustandekommen eines Rechtsgeschäftes festgehalten sei, ein Schriftstück also, welches kraft seines Inhaltes geeignet sei, über ein gültig zustande gekommenes Rechtsgeschäft zum Beweis zu dienen. Es sei demnach gleichgültig, ob es sich um eine rechtserzeugende oder um eine nur den Inhalt eines schon abgeschlossenen Rechtsgeschäftes wiedergebende rechtsbezeugende Urkunde handle. Es komme nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht darauf an, ob der Verfasser ein Rechtsgeschäft bezeugen wollte oder nicht. Auch müsse die Schrift, um als Urkunde zu gelten, nicht sämtliche wesentlichen Vertragspunkte des Rechtsgeschäftes enthalten, sie müsse nur die Art des Rechtsgeschäftes und die Parteien, die am Rechtsgeschäft beteiligt seien, benennen. Hinsichtlich der näheren Vertragspunkte genüge es, daß auf andere Schriftstücke, die Angaben über das Rechtsgeschäft enthielten, verwiesen werde. Bei diesem Verständnis des Urkundenbegriffes sei das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 4. März 1986 an Amalie B. als eine die Gebührenschuld auslösende Urkunde über den am 25. März 1977 geschlossenen Mietvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und Amalie B anzusehen. Die Gebührenschuld sei durch Übersendung des von der Beschwerdeführerin unterzeichneten Schreibens an die Verpächterin entstanden.
Dieser Betrachtung stehe, wie es im angefochtenen Bescheid weiters heißt, auch nicht der Einwand der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren entgegen, daß das Schreiben inhaltlich lediglich die Erklärung der Ausübung der Option beinhalte und es nicht denkbar sei, daß sowohl der ursprüngliche Vertrag wie auch diese Erklärung jeweils die Gebührenschuld auslöse. Aus § 15 GebG 1957 sei der Grundsatz abzuleiten ("Urkundenprinzip"), daß die Gebührenpflicht so oft entstehe, als eine Urkunde errichtet werde. Zur Vermeidung von Härtefällen habe der Gesetzgeber § 25 Abs. 3 GebG 1957 geschaffen. Wäre sohin der Mietvertrag vom 23. März 1977 im Inland errichtet oder die Urkunde hierüber später ins Inland gebracht und zur Gebührenbemessung angezeigt worden, wäre für die neuerliche Beurkundung des Mietvertrages anläßlich der gegenständlichen Optionsausübung gemäß § 25 Abs. 3 GebG 1957 keine Gebühr zu entrichten. Da es eine frühere gebührenpflichtige Beurkundung im Beschwerdefall nicht gebe, könne § 25 Abs. 3 GebG 1957 nicht zum Zug kommen.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen den angefochtenen Bescheid zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, doch lehnte dieser Gerichtshof deren Behandlung mit Beschluß vom 27. Februar 1990, B 1383/89-3, ab. Nach Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof machte die Beschwerdeführerin in einem ergänzenden Schriftsatz inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 15 Abs. 1 GebG 1957 sind Rechtsgeschäfte (von hier unbeachtlichen Ausnahmen abgesehen) nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird. Gemäß § 16 Abs. 1 GebG 1957 entsteht die Gebührenschuld, wenn die Urkunde über das Rechtsgeschäft im Inlande errichtet wird,
1. bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften,
...
b) wenn die Urkunde von einem Vertragsteil unterzeichnet wird, im Zeitpunkte der Aushändigung (Übersendung) der Urkunde an den anderen Vertragsteil oder an dessen Vertreter oder an einen Dritten;
2. bei einseitig verbindlichen Rechtsgeschäften,
a) wenn die Urkunde nur von dem unterzeichnet wird, der sich verbindet, im Zeitpunkte der Aushändigung (Übersendung) der Urkunde an den Berechtigten oder dessen Vertreter;
...
Anknüpfungspunkt für die Gebührenpflicht eines Rechtsgeschäfts ist gemäß § 15 Abs. 1 leg. cit. die Urkunde als schriftliches Beweismittel über das Rechtsgeschäft. Soweit die Urkundenerrichtung nicht bereits Voraussetzung für das Zustandekommen des Rechtsgeschäftes ist (rechtserzeugende Urkunde), kann ein Schriftstück (als Urkunde) nur dann eine Gebührenpflicht auslösen, wenn es Beweis zu machen geeignet ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1985, Zl. 84/15/0176).
Beweis zu machen geeignet ist grundsätzlich auch ein Schriftstück, das bei einem zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäft nur einer der beiden Vertragsteile ausfertigt (und unterfertigt) und dann dem anderen Vertragsteil aushändigt (übersendet). Die Eignung des Schriftstückes, als Beweismittel zu dienen, kann dabei aber, wie Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum Gebührengesetz, aus den Vorschriften des § 16 Abs. 1 Z. 1 lit. b und des § 16 Abs. 1 Z. 2 lit. a GebG 1957 überzeugend abgeleitet haben, nicht auf die vom Aussteller des Schriftstückes dort behaupteten eigenen Ansprüche bezogen werden. Das Schriftstück muß vielmehr geeignet sein, die Ansprüche desjenigen unter Beweis zu stellen, dem es ausgehändigt wird. Mit dem vom anderen Vertragsteil ausgestellten (unterfertigten) Schriftstück, das die Ansprüche des Empfängers beurkundet, ist dieser dann imstande, den Beweis des ihm zustehenden Anspruches zu führen. Aus der Sicht des die Urkunde ausstellenden (unterfertigenden) Vertragsteiles muß das Schriftstück Aufschluß über Art und Umfang der von ihm geschuldeten Leistung geben, soll ein zur Begründung der Gebührenpflicht taugliches Beweismittel und damit eine die Gebührenpflicht auslösende Urkunde vorliegen (siehe insbesondere Frotz-Hügel-Popp, aaO, §§ 15-18 B II 1 b dd und B II 1 b gg).
Aufschluß über Art und Umfang der vom Urkundenaussteller geschuldeten Leistung gibt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch ein Schriftstück, aus dem Art und Umfang der geschuldeten Leistung im Hinblick auf die vom Urkundenaussteller in Anspruch genommene Weitergeltung eines bereits beurkundeten Rechtsgeschäftes bestimmbar sind. Diesem Erfordernis wird das eingangs erwähnte Schreiben durch Bezugnahme auf den Vertrag vom 25. März 1977 gerecht. Diese Bezugnahme ermöglicht die Feststellung, daß Amalie B - weiterhin - auf jene von der Beschwerdeführerin geschuldeten Leistungen Anspruch hat, die sich aus dem Vertrag vom 25. März 1977 ergeben.
Die in der Beschwerdeergänzung vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken unterbreitete die Beschwerdeführerin bereits dem Verfassungsgerichtshof im Beschwerdeschriftsatz. Dieser Gerichtshof fand im Beschluß vom 27. Februar 1990 unter Hinweis auf seine Rechtsprechung keinen Anlaß, die Bedenken aufzugreifen. Im Hinblick auf diese Rechtsprechung vermag auch der Verwaltungsgerichtshof die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin nicht zu teilen.
Zusammenfassend läßt der angefochtene Bescheid keine Rechtswidrigkeit erkennen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990150040.X00Im RIS seit
14.01.1991