Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 lita;Beachte
Besprechung in:ÖStZB 1992, 197;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N, des O, des P und des Q, alle vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 29. Jänner 1990, Zl. B 296-3/88, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer betreiben in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einen Videoanlagenverleih. Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG 1972) ist die GbR.
Die GbR erzielte im Streitjahr 1985 noch keine Umsätze, machte aber in der Umsatzsteuererklärung für dieses Jahr Vorsteuern in Höhe von S 237.913,-- geltend.
Mit einem nach eigenen Angaben des steuerlichen Vertreters der GbR (Eingabe an das Finanzamt vom 28. April 1988) am 31. März 1988 zugestellten Bescheid, mit dem für das Jahr 1985 Umsatzsteuer nicht festgesetzt wurde, versagte das Finanzamt der GbR die Anerkennung der Vorsteuern mit der Begründung, daß sie keine fristgerechte Erklärung im Sinne des § 21 Abs. 8 UStG 1972 abgegeben habe.
In einem am 5. Mai 1988 zur Post gegebenen Schriftsatz vom selben Tag beantragte die GbR die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, um die Erklärung auf Regelbesteuerung im Sinne des § 21 Abs. 8 UStG 1972 nachzuholen. Der steuerliche Vertreter der GbR erblickte darin, daß die Umsatzsteuerveranlagung für 1985 erst nahezu eineinhalb Jahre nach Einreichung der Steuererklärung erfolgt sei, ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis im Sinne des § 308 Abs. 1 BAO. Wäre die Veranlagung noch im Laufe des Kalenderjahres 1987 erfolgt, hätte die GbR den Antrag auf Regelbesteuerung vor Ablauf der Zweijahresfrist im Berufungsweg nachholen können. Die Unkenntnis des gesetzlichen Erfordernisses, einen Antrag auf Regelbesteuerung zu stellen, sei bei der GbR, die seinerzeit steuerlich nicht vertreten gewesen sei, als minderer Grad des Versehens anzusehen, zumal seitens der Abgabenbehörden kein Hinweis auf dieses Erfordernis erfolgt sei.
Das Finanzamt wies den Wiedereinsetzungsantrag bescheidmäßig ab, worauf die GbR unter Hinweis auf die Begründung des Wiedereinsetzungsantrages Berufung erhob. Das Finanzamt traf eine abweisende Berufungsvorentscheidung, in der es unter anderem eine rechtzeitige Antragstellung im Sinne des § 308 Abs. 3 BAO in Abrede stellte, da in der Begründung des schon am 31. März 1988 zugestellten Umsatzsteuerbescheides für 1985 darauf hingewiesen worden sei, daß die GbR keinen Regelbesteuerungsantrag eingebracht hätte.
Die GbR begehrte die Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Auch dieser Antrag hält fest, daß die GbR bzw. ihre Gesellschafter (Vertreter) von § 21 Abs. 8 UStG 1972 keine Kenntnis hatten.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung ebenfalls keine Folge, weil die GbR kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis habe ins Treffen führen können und überdies die Wiedereinsetzung verspätet beantragt habe.
Vorliegende Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit
des angefochtenen Bescheides geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach dem ersten Satz des § 308 Abs. 3 BAO muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen Monatsfrist nach Aufhören des Hindernisses bei der Abgabenbehörde eingebracht werden, bei der die Frist wahrzunehmen war.
Sowohl im Wiedereinsetzungsantrag als auch im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte die GbR vor, die Erklärung gemäß § 21 Abs. 8 UStG 1972 aus Unkenntnis des Gesetzes versäumt zu haben. Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum stellen aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar (vgl. die von der belangten Behörde zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1986, Zl. 84/17/0210, und vom 10. April 1987, Zl. 87/17/0140, sowie die dort angeführte Vorjudikatur). An dieser Rechtsunkenntnis der Vertreter der GbR ändern die Einwände in der Beschwerde nichts, daß die Veranlagung nicht innerhalb der Zweijahresfrist des § 21 Abs. 8 UStG 1972 erfolgte, die GbR seinerzeit steuerlich nicht vertreten war, seitens der Abgabenbehörde auf das Erfordernis einer Erklärung gemäß § 21 Abs. 8 UStG 1972 nicht aufmerksam gemacht wurde und es sogar im Anschluß an eine Umsatzsteuerrevision im Jahre 1986 zu einer Gutschrift der in Rede stehenden Vorsteuer gekommen sei.
Abgesehen davon ist die belangte Behörde im Recht, wenn sie die Monatsfrist des § 308 Abs. 1 erster Satz BAO nicht gewahrt sieht. Selbst wenn man nämlich die Unkenntnis der Vertreter (Gesellschafter) der GbR über die Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, eine Erklärung gemäß § 21 Abs. 8 UStG 1972 abgeben zu müssen, als Hindernis im Sinne der zuletzt genannten Vorschrift der Bundesabgabenordnung werten wollte, hat der Bescheid des Finanzamtes, mit dem Umsatzsteuer für 1985 nicht festgesetzt wurde, die Unkenntnis beseitigt, weil er ausdrücklich die fehlende Erklärung gemäß § 21 Abs. 8 UStG 1972 als Grund für die Versagung des Vorsteuerabzuges offenlegte. Schon damit und nicht erst auf Grund eines späteren Informationsgespräches mit einer rechtskundigen Person mußte den Vertretern der GbR (ihren Gesellschaftern) klar sein, daß es für den Vorsteuerabzug eben einer Erklärung gemäß § 21 Abs. 8 UStG 1972 bedurfte. Bereits auf Grund der Zustellung des Bescheides, mit dem Umsatzsteuer für 1985 nicht festgesetzt wurde - die Zustellung erfolgte nach eigenen Angaben der GbR am 31. März 1988 - fiel also das behauptete Hindernis für eine Erklärung gemäß § 21 Abs. 8 UStG 1972 weg. Der am 5. Mai 1988 eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag war damit verspätet.
Da der angefochtene Bescheid der Rechtslage entspricht, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Diese Entscheidung konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG ein Dreiersenat treffen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990150045.X00Im RIS seit
06.07.2001Zuletzt aktualisiert am
29.05.2009