Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 26. Juli 1990, Zl. 9/01-33.107/1-1989, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß vor Ablauf von zwei Jahren vom 29. Oktober 1989 (dem Tag der vorläufigen Führerscheinabnahme) an keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der angefochtenen Entziehungsmaßnahme liegt die Annahme zugrunde, daß der Beschwerdeführer am 29. Oktober 1989 mit einem von ihm gelenkten Pkw einen Verkehrsunfall mit Personenschaden (Tod des Beifahrers) verschuldet habe, weil er im Ortsgebiet mit ungefähr 110 km/h bei Dunkelheit ins Schleudern gekommen sei und in unmittelbarer Aufeinanderfolge gegen einen Randstein und zwei Hausmauern gestoßen sei. In der Folge habe er die Duldung einer Blutabnahme zum Zwecke der Feststellung des Blutalkoholgehaltes verweigert. Deswegen sei er mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 1. Dezember 1989 wegen Übertretungen nach § 20 Abs. 2 und nach § 5 Abs. 6 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. c StVG 1960 bestraft worden. Das Straferkenntnis sei infolge Rechtsmittelverzichts des Beschwerdeführers rechtskräftig geworden. Vom Landesgericht Salzburg sei er mit Urteil vom 30. März 1990 wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z. 1 StGB für schuldig erkannt worden. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens nach § 5 Abs. 6 sei mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 25. Juli 1990 abgewiesen worden.
Die belangte Behörde ging auf Grund dieses Sachverhaltes vom Vorliegen von zwei bestimmten Tatsachen im Sinne des § 66 Abs. 2 KFG 1967 - nämlich nach lit. e und lit. f - und gestützt darauf von der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers aus.
2.1. Der Beschwerdeführer versucht zunächst, seiner Beschwerde mit Ausführungen betreffend die Rechtswidrigkeit des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 1. Dezember 1989 zum Erfolg zu verhelfen. Auf Grund des rechtskräftigen Straferkenntnisses stand aber für die Entziehungsbehörden bindend fest, daß er die in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen begangen hat. Dabei spielt es keine Rolle, aus welchen Gründen er auf ein Rechtsmittel gegen dieses Straferkenntnis verzichtet hat. Alle diesbezüglichen Beschwerdebehauptungen gehen ins Leere. Für die belangte Behörde stand fest, daß eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vorliegt.
Ins Leere gehen auch die Ausführungen des Beschwerdeführers zu dem Gutachten des ärztlichen Sachverständigen im gerichtlichen Strafverfahren über das Ausmaß seiner Alkoholbeeinträchtigung im Unfallszeitpunkt. Dasselbe gilt für die Behauptung, die Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens sei zu Unrecht verweigert worden.
2.2. Was die Annahme der belangten Behörde, es liege auch eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 vor, weil der Beschwerdeführer die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h unter besonders gefährlichen Verhältnissen überschritten habe, betrifft, wird diese darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer statt der erlaubten Höchstgeschwindigkeit mit 110 km/h gefahren sei. Dazu kann dem angefochtenen Bescheid noch entnommen werden, daß der Beschwerdeführer vor der Fahrt alkoholische Getränke zu sich genommen habe, daß Dunkelheit geherrscht habe sowie daß die Straßenränder bebaut seien. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, daß bei dem Unfall eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 gesetzt worden sei. Das außergewöhnliche Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung in Verbindung mit den durch die Dunkelheit und die am Straßenrand befindlichen Gebäude beeinträchtigten Sichtverhältnissen, insbesondere in Ansehung von Verkehrsteilnehmern, die von der Seite (aus einmündenden Verkehrswegen oder aus Haus- und Grundstückseinfahrten) auf die Fahrbahn gelangen könnten, sowie in Verbindung mit dem durch den unbestrittenen Alkoholkonsum jedenfalls herabgesetzten Fahrvermögen bewirkten, daß die Verhältnisse beim Unfall als besonders gefährlich anzusehen sind. Zu diesem Schluß kam auch das Strafgericht, wenn es den Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eines Vergehens nach § 81 Z. 1 StGB für schuldig erkannt hat. Es kann daher dahinstehen, ob mit einer derartigen Verurteilung für die Kraftfahrbehörden bereits bindend feststeht, daß eine von ihr als erwiesen angenommene Verletzung einer Verkehrsvorschrift - hier einer Geschwindigkeitsbeschränkung - unter besonders gefährlichen Verhältnissen im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 begangen wurde, m.a.W. ob eine derartige Verurteilung dieselbe bindende Wirkung wie eine verwaltungsbehördliche Bestrafung unter Heranziehung des § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 1989, Zl. 89/11/0070).
2.3. Werden diese bestimmten Tatsachen der nach § 66 Abs. 3 KFG 1967 gebotenen Wertung unterzogen, ergibt sich folgendes Bild:
Die Verwerflichkeit aller Alkoholdelikte ist als besonders groß anzusehen. Die Gefährlichkeit der Verhältnisse ergibt sich unmittelbar aus dem Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1989, Zl. 88/11/0229). Die zwischen der Tat und der Erlassung des angefochtenen Bescheides (mit dem die Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers mit 29. Oktober 1991 prognostiziert wurde, während die Erstbehörde dies erst für den 29. Oktober 1992 angenommen hatte) verstrichene Zeit von ungefähr neun Monaten ist insbesondere im Hinblick auf den Umstand, daß während dieser Zeit das Entziehungsverfahren vor den Kraftfahrbehörden und während des größten Teils dieser Zeit das gerichtliche Strafverfahren anhängig waren, von geringer Bedeutung.
Die belangte Behörde durfte daher davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer auf Grund dieser bestimmten Tatsachen verkehrsunzuverlässig ist und dieser Zustand länger als drei Monate anhalten werde.
3. Der Beschwerdeführer bekämpft schließlich die Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967, in der ihm keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Diese Bemessung hat vornehmlich nach den Kriterien des § 66 Abs. 3 KFG 1967 zu erfolgen.
Soweit diese Kriterien gegen den Beschwerdeführer sprechen, ist auf die Ausführungen zum obigen Punkt 2.3 zu verweisen.
Für den Beschwerdeführer spricht allerdings, daß er - der seit neun Jahren im Besitz einer Lenkerberechtigung war - nach der Aktenlage bisher nicht negativ in Erscheinung getreten ist, insbesondere keine gerichtlichen Vorstrafen und keine verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen aufweist. Es ist daher davon auszugehen, daß der in Rede stehende Vorfall als erstmalig anzusehen ist. Auf die Unfallsfolgen kommt es im gegebenen Zusammenhang nicht an. Obwohl zwei bestimmte Tatsachen vorliegen, ist zu beachten, daß es sich bei dem Lenken mit überhöhter Geschwindigkeit nach Alkoholkonsum und dem anschließenden Verweigern der Duldung einer Blutabnahme unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers um einen einzigen Vorfall handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß die belangte Behörde ungeachtet der von ihr zugunsten des Beschwerdeführers vorgenommenen Abänderung des Erstbescheides die Zeit im Sinne des § 73 Abs. 2 KFG 1967 unrichtig bemessen hat. Vor allem im Hinblick auf die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers bis zu dem gegenständlichen Vorfall - welchem Umstand der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung große Bedeutung beimißt (vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 1985, Zl. 84/11/0091) - hätte sie mit einer nicht unerheblich kürzeren Zeit das Auslangen finden müssen. Die Gesetzwidrigkeit der Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 führt mangels Trennbarkeit dieses Ausspruches vom übrigen Inhalt eines Entziehungsbescheides (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11.237/A) zur gänzlichen Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter AbspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990110175.X00Im RIS seit
19.03.2001Zuletzt aktualisiert am
01.07.2009