TE Vfgh Beschluss 1988/6/11 B862/87

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Veröffentlicht am 11.06.1988
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §146 Abs1
ZPO §148 Abs3

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist als verspätet

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Beschluß vom 13. Juni 1987, B87/87, wies der VfGH eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten zurück, da sie nicht innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist eingebracht worden war. Dieser Beschluß wurde dem Bf. am 5. August 1987 zugestellt.

2. Mit einem beim VfGH am 19. August 1987 eingelangten, zu B862/87 protokollierten Schriftsatz beantragt der Bf. zu B87/87 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist. Er bringt vor, der angefochtene Bescheid sei seinem früheren Vertreter bei der Handelskammer Kärnten zugestellt und dort mit einer Eingangsstampiglie versehen worden, die als 19. Dezember 1986 anstatt 9. Dezember 1986 - gelesen werden konnte. Die Frist zur Erhebung der Beschwerde sei daher in der Kanzlei des Beschwerdevertreters im Verfahren vor dem VfGH vom 19. Dezember 1986 an berechnet worden. Zwar sei beim Diktat der mit 26. Jänner 1987 datierten Beschwerde das Zustelldatum richtig mit 9. Dezember 1986 angegeben worden, infolge des damaligen starken Arbeitsanfalls wegen einer größeren Anzahl gleichartiger zu diesem Datum einzubringender Beschwerden sei jedoch kein neuerlicher Fristvormerk erfolgt. Da die Überschreitung der sechswöchigen Beschwerdefrist erst mit Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses vom 13. Juni 1987 bemerkt worden sei, sei der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig.

Offenbar zur Begründung dafür, daß seitens des Vertreters des Bf. ein nicht über einen "minderen Grad des Versehens" hinausgehendes Verschulden vorliege, wird weiters vorgebracht, daß alle anderen gegen gleichartige Bescheide gerichteten Beschwerden rechtzeitig eingebracht worden seien.

II. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden.

Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO idF der Zivilverfahrens-Nov. 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Offenbar verspätet eingebrachte Anträge sind ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen (§148 Abs3 ZPO).

III. Die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde wurde durch einen Irrtum einer Kanzleiangestellten und der daraus folgenden falschen Fristvormerkung gehindert. Das Versehen einer Kanzleikraft bei der Vormerkung des Termins für den Ablauf der Beschwerdefrist wurde nach der Rechtsprechung des VfGH wiederholt als Fehler, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht, und damit als ein die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindernder minderer Grad des Versehens iS des §146 Abs1 ZPO qualifiziert (VfSlg. 11427/1987, 11537/1987). Dieses Hindernis fiel allerdings nicht erst mit Zustellung des zurückweisenden Beschlusses des VfGH am 5. August 1987, sondern schon früher weg:

Als der Beschwerdevertreter am 26. Jänner 1987 die Beschwerde diktierte, war die vom Datum der Zustellung des Bescheides (das war der 9. 12. 1986) an zu berechnende sechswöchige Beschwerdefrist schon abgelaufen. Das Hindernis zur rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde fiel aber im Zeitpunkt des Diktats der Beschwerde weg, da der Beschwerdevertreter dabei richtigerweise davon ausging, daß der bekämpfte Bescheid am 9. Dezember 1986 zugestellt wurde, und damit den seinerzeitigen Fehler erkennen mußte. Gerade angesichts einer größeren Anzahl von in diesem Zeitraum vom Beschwerdevertreter beim VfGH eingebrachten Beschwerden gegen gleichartige Bescheide mußte dem Beschwerdevertreter jedenfalls beim Diktat der in Rede stehenden Beschwerde auffallen, daß in dieser Beschwerdesache seit Zustellung des Bescheids bereits ein wesentlich längerer Zeitraum verstrichen war als in den anderen, in diesem Zeitabschnitt erledigten Beschwerdesachen.

Das Hindernis für die fristgerechte Einbringung der Beschwerde ist daher am 26. Jänner 1987 weggefallen; die mit diesem Tag beginnende Frist des §148 Abs2 ZPO ist ungenützt verstrichen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist war demnach als verspätet zurückzuweisen.

Dieser Beschluß konnte gemäß §33 VerfGG iVm §148 Abs3 ZPO (§35 Abs1 VerfGG) in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B862.1987

Dokumentnummer

JFT_10119389_87B00862_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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