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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
StVO 1960 §19 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Monika N gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. September 1990, Zl. VerkR-12.016/3-1990-II/Aum, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. September 1990 wurde die Beschwerdeführerin für schuldig befunden, am 14. November 1988 um 18,40 Uhr in "Linz, Garnisonstr. in Höhe des Hauses Nr. 15 in Richtg. Prinz-Eugen-Str. als Lenkerin des
Pkw ... vom Fahrbahnrand wegfahrend als Wartepflichtige den
Vorrang eines Fahrzeuges im fließenden Verkehr verletzt" zu haben, "weil der Vorrangberechtigte zu einem unvermittelten Bremsen seines Fahrzeuges genötigt wurde". Die Beschwerdeführerin habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 6 StVO 1960 begangen, weshalb über sie eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt worden ist.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 19 Abs. 6 StVO 1960 haben Fahrzeuge im fließenden Verkehr den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen oder dgl. kommen. Zufolge Abs. 7 dieser Gesetzesstelle darf, wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 18. November 1981, Slg. N. F. Nr. 10.594/A, ausgesprochen, daß bei einer Übertretung des § 19 Abs. 7 StVO 1960 zur Umschreibung der Tat im Sinne des § 44 a lit. a VStG 1950 anzuführen ist, durch welche der in den Abs. 1 bis 6 angeführten Verhaltensweisen der Beschuldigte den Tatbestand des § 19 Abs. 7 erfüllt hat. Es muß sich bereits aus der Tatumschreibung ergeben, worauf sich die Wartepflicht gründet, deren Verletzung einen Verstoß gegen § 19 Abs. 7 StVO 1960 darstellt.
Dem vorstehend bereits wörtlich wiedergegebenen, von der belangten Behörde übernommenen Schuldspruch ist nun allerdings nicht zu entnehmen, warum sie von der Wartepflicht der Beschwerdeführerin ausgegangen ist, weil bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44 a lit. a VStG 1950 lediglich davon die Rede ist, daß die Beschwerdeführerin "als Wartepflichtige" den Vorrang eines anderen Fahrzeuges verletzt habe. Diese Fehlerhaftigkeit des Schuldspruches besteht ungeachtet des Umstandes, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes wiedergegeben hat, wonach der vorbeifahrende Lenker gegenüber den am Straßenrand abgestellten Fahrzeugen den Vorrang genießt, weil im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes die Umschreibung von Tatbestandsmerkmalen lediglich in der Begründung des Bescheides nicht ausreicht (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1983, Slg. N. F. Nr. 11.069/A). Im übrigen vermag die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu überzeugen, weil die belangte Behörde auf den Einwand der Beschwerdeführerin, sie sei von keiner der im § 19 Abs. 6 StVO 1960 aufgezählten Verkehrsflächen gekommen, lediglich entgegnet hat, daß es sich dabei "um eine demonstrative Aufzählung handelt und die Behörde somit im gegenständlichen Fall im Analogiewege keine neue strafbare Norm erzeugt hat". Es ist zwar richtig, daß die Aufzählung der in dieser Gesetzesstelle genannten Verkehrsflächen eine demonstrative ist, doch darf nicht übersehen werden, daß es sich bei diesen Verkehrsflächen um solche von wesentlich geringerer Bedeutung als jener der Normalstraßen, also um eine untergeordnete Verkehrsfläche handeln muß (vgl. dazu die bei Benes-Messiner, Straßenverkehrsordnung, 8. Aufl., auf den S. 332 f unter E. 112 und 121 wiedergegebenen Entscheidungen des OGH). Wenn die belangte Behörde die in Rede stehende Vorschrift des § 19 Abs. 6 StVO 1960 nicht - in unzulässiger Weise (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 1988, Zl. 88/04/0035) - im Wege der Analogie ergänzen wollte, so hätte sie auszuführen gehabt, auf Grund welcher Umstände anzunehmen war, daß die Beschwerdeführerin ihr Fahrzeug auf einer derartigen "untergeordneten" Verkehrsfläche gelenkt hat, zumal nach der Aktenlage davon auszugehen ist, daß sowohl das Fahrzeug der Beschwerdeführerin als auch jenes des nach Ansicht der belangten Behörde Bevorrangten im Tatzeitpunkt im Sinne des § 19 Abs. 6 leg. cit. von der Garnisonstraße "gekommen" ist.
Der angefochtene Bescheid erweist sich also wegen des erwähnten Verstoßes gegen das Konkretisierungsgebot des § 44 a lit. a VStG 1950 als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
untergeordnete VerkehrsflächeAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3"Die als erwiesen angenommene Tat" BegriffSpruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung) Tatvorwurf Beschreibung des in der BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990180236.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
21.06.2012