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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ArbVG §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde der Transportgesellschaft m.b.H. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. August 1989, Zl. SV - 638/4 - 1989, betreffend Nachverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen und Verhängung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 ASVG (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in 4010 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 29. September 1982 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin (ein Transportunternehmen) als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG für die in der beigeschlossenen Beitragsrechnung namentlich angeführten Versicherten und bezeichneten Zeiträume gemäß § 58 Abs. 2 ASVG zur Zahlung von allgemeinen Beiträgen von S 1,079.789,60 sowie Sonderbeiträgen von S 63.990,30 und verhängte einen Beitragszuschlag in der Höhe von S 105.100,--.
Diese Beitragsnachverrechnung resultiere - nach der Begründung dieses Bescheides - aus verschiedenen, von der mitbeteiligten Partei anläßlich der bei der Beschwerdeführerin vom 5. April 1982 bis 30. Juni 1982 durchgeführten Beitragsprüfung getroffenen Beanstandungen. Für das Beschwerdeverfahren ist davon noch von Bedeutung, daß (nach der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides) die von den Versicherten geleisteten Überstunden bei der Meldung des Entgeltes nicht berücksichtigt worden seien. Aufzeichnungen über die tatsächlich geleisteten Überstunden hätten bei der Prüfung nicht vorgelegt werden können. Im Zuge der Beitragsprüfung seien daher mit namentlich bezeichneten Versicherten (es handelte sich dabei um bei der Beschwerdeführerin beschäftigte oder beschäftigt gewesene Kraftfahrer) Niederschriften aufgenommen worden, in denen Überstunden von wöchentlich ca. 35 Stunden angegeben worden seien. Unter Heranziehung von § 42 Abs. 3 ASVG seien für die Nachverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen 20 Überstunden pro Woche angenommen worden.
Die Nachverrechnung bezog sich insgesamt auf Zeiträume zwischen Juni 1977 und Juli 1982.
Gegen den erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Partei erhob die Beschwerdeführerin unter anderem im Umfang der Vorschreibung von Sozialversicherungsbeiträgen für Überstunden und gegen die Verhängung eines Beitragszuschlages Einspruch. Darin wird hinsichtlich der Überstunden vorgebracht, daß diese auf einer vorgenommenen Schätzung und diese wiederum auf Niederschriften beruhe, die mit einigen Dienstnehmern aufgenommen worden seien; dazu werde festgehalten, daß in den "durchgeführten Lohnverrechnungen" bereits Überstunden, wenn auch nicht im Ausmaß der Schätzung, enthalten gewesen seien; ferner sei "ausreichend" Zeitausgleich gewährt worden. Schließlich handle es sich nicht um "Überstunden aus Vollarbeit", d.h. um Arbeitsleistungen im engeren Sinn, sondern ausschließlich um "Arbeitsleistungen im weiteren Sinne", die von der "eigentlich ausbedungenen Arbeitsleistung differiert" (gemeint offenbar: differenziert) zu bewerten seien. Es sei unbestritten, daß derartige Dienstleistungen (im Einspruch werden Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft und Dienstreisezeit erwähnt) lohnrechtlich und "arbeitszeitmäßig" anders "bewertet werden" könnten. Diese "Arbeitsleistungen im weiteren Sinn" setzten sich "im praktischen Ablauf" aus Zeiten zusammen, welche anfielen, wenn das Fahrzeug bei Grenzüberschreitungen oft vier bis fünf Stunden und auch bis zu einem Tag stehe, wobei der Fahrer genau wisse, daß in dieser Zeit keinerlei Anforderungen an seine Arbeitsleistung gestellt würden. Weiters handle es sich um Zeiten der Abladung der transportierten Frachtgüter, an welcher der Fahrer nicht mitwirke. Auch diese (ergänze: Verladezeit) könne bei einer "Reise in den vorderen Orient" mehrere Tage in Anspruch nehmen. In den im Schätzungswege ermittelten Überstunden seien auch arbeitsfreie Feiertage in den Bestimmungsländern enthalten, an welchen der Fahrer überhaupt zu keinen Dienstleistungen angehalten werden könne und nicht einmal eine Rufbereitschaft erfülle. Auch seien darin Zeiten des Transportes der Fahrzeuge mittels einer Fähre von Italien in den vorderen Orient enthalten, welcher mehrere Tage in Anspruch nehme, in welchen der Fahrer "keiner Beschäftigung nachgehe". Diese Arbeiten seien jeweils unter die Arbeitsleistungen im weiteren Sinne, dies seien Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft und Dienstreisezeit, einzuordnen. Es handle sich "eher" um eine Rufbereitschaft oder um Bereitschaftsdienst, der mangels abweichender Vereinbarung oder Verkehrsübung grundsätzlich geringer zu entlohnen sei, als die Leistung selbst. Die auf Fährschiffen anfallenden Zeiten seien schließlich Dienstreisezeit, während der der Dienstnehmer "gewisse Möglichkeiten einer Freizeitbeschäftigung", wie z.B. Lesen und Schlafen, habe. Auch für die Reisezeit könne ein geringeres Entgelt oder sogar Unentgeltlichkeit vereinbart werden. Bei der Vorschreibung durch die erstmitbeteiligte Partei seien die Überstunden als Vollarbeit und dabei nicht berücksichtigt worden, daß geringere Entlohnungen "möglich" seien und auch Unentgeltlichkeit durch die Rechtsprechung durchaus als "richtig und angemessen" erachtet worden sei. Aufgrund der unrichtigen Beurteilung des Sachverhaltes sei auch der verhängte Beitragszuschlag unangemessen. Jedenfalls seien die Meldungen nach bestem Wissen und Gewissen erstattet worden. Daher werde ersucht, von der Verhängung eines Beitragszuschlages Abstand zu nehmen, und geltend gemacht, daß die Voraussetzungen für die Anwendung der fünfjährigen Verjährungsfrist im Sinne des § 68 Abs. 1 ASVG nicht vorlägen. Die Beschwerdeführerin habe bei der Erstattung der Meldungen stets die gehörige Sorgfalt walten lassen.
Die belangte Behörde hat die neuerliche Einvernahme der bereits von der mitbeteiligten Partei einvernommenen Dienstnehmer veranlaßt, wobei diese ihre Angaben im wesentlichen aufrecht erhielten. Mit Schriftsatz vom 22. Juli 1983 legte die Beschwerdeführerin Fahrtenbücher mit der Behauptung vor, diese seien im Zeitpunkt der Beitragsprüfung noch nicht zur Verfügung gestanden, da sie von einer vorher stattgefundenen Lohnsteuerprüfung nicht zurückgestellt worden seien. In einem Schreiben des Finanzamtes Linz vom 5. Oktober 1983 wurde der belangten Behörde mitgeteilt, daß im fraglichen Zeitraum keine Lohnsteuerprüfung anhängig gewesen sei und dem Finanzamt auch keine Fahrtenbücher aus diesem Titel vorgelegt worden seien.
Mit Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 18. September 1986, wurde schließlich ein Angestellter der Beschwerdeführerin von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 13. Dezember 1983 falsche Beweismittel, und zwar zwei Fahrtenbücher, die erst im nachhinein in einem Zuge nachgeschrieben worden seien, durch Vorlage beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung in einem sozialversicherungsrechtlichen Berufungsverfahren gebraucht und hiedurch das Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs. 2 StGB begangen, gemäß § 259 Abs. 3 StPO freigesprochen: Nach der Begründung dieses Urteiles nahm das Gericht als erwiesen an, daß der (hinsichtlich der Fälschung der Fahrtenbücher geständige) Angeklagte diese nicht selbst der Behörde vorgelegt, sondern der Beschwerdeführerin übergeben habe. Hinsichtlich einer (denkbaren) Verurteilung wegen der Herstellung eines falschen Beweismittels im Sinne des § 293 Abs. 1 StGB nahm das Gericht Verjährung an.
Mit Schreiben vom 7. Februar 1989 und 20. Juni 1989 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, daß der Beitragszuschlag aufgrund der zwischenzeitig in Kraft getretenen Änderung des § 113 Abs. 1 ASVG durch Art. I Z. 33 lit. a der 41. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 111/1986, S 208.633,-- (so im Schreiben vom 7. Februar 1989) bzw. S 224.029,20 (so im Schreiben vom 20. Juni 1989) betragen würde und fragte an, ob unter diesen Umständen der Einspruch zurückgezogen werde.
Nach Verstreichen der auch im letztgenannten Schreiben gesetzten Frist erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, worin dem Einspruch der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und der Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 29. September 1982 "auch im Umfang seiner Anfechtung" mit der Maßgabe bestätigt wurde, daß gemäß § 113 Abs. 1 ASVG ein Beitragszuschlag in Höhe von S 224.029,20 zu entrichten sei.
Nach der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, insbesondere auch der Aussage der vernommenen Dienstnehmer (bzw. ehemaligen Dienstnehmer) der Beschwerdeführerin, führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, daß eine genaue Feststellung der tatsächlich geleisteten Überstunden im vorliegenden Fall nicht mit Sicherheit möglich sei. Aus den vorliegenden Beweismitteln ergebe sich jedoch, daß die Annahme von 20 Überstunden pro Woche und Fahrer "eine für den Dienstgeber sehr großzügige Handhabung" darstelle. Die Beschwerdeführerin habe die Unrichtigkeit der von ihr erstatteten Meldung auch bei gehöriger Sorgfalt erkennen können: Bloße Anfragen auch bei der mitbeteiligten Partei selbst hätten jederzeit ausreichend Klarheit darüber gebracht, welche Vorschriften der Kollektivvertrag bezüglich Überstunden normiere. Schließlich sei von der belangten Behörde hinsichtlich des Beitragszuschlages das im Zeitpunkt ihrer Entscheidung geltende Recht anzuwenden und demgemäß der Beitragszuschlag zumindest in der Höhe der Verzugszinsen vorzuschreiben gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt - und ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist nicht die beitragsrechtliche Bewertung von Geld- oder Sachbezügen im Sinne des § 49 Abs. 1 oder 2 ASVG, sondern vielmehr ausschließlich strittig, ob den in der Beitragsnachverrechnung des erstinstanzlichen Bescheides namentlich angeführten Dienstnehmern in den dort bezeichneten Zeiträumen Entgelte, insbesondere für Überstunden, zugestanden sind, die von der mitbeteiligten Partei nicht verrechnet wurden.
Ob ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug (worunter nach dem hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1959. Slg. Nr. 5144/A, auch das Überstundenentgelt zu verstehen ist) besteht, ist - wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen. Danach bleibt die Regelung der Frage, ob ein Dienstnehmer überhaupt einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat, unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen und in welchem Umfang er besteht und wann er fällig ist, soferne keine gesetzliche Grundlage besteht (hier etwa: § 10 Arbeitszeitgesetz), einer Vereinbarung (Einzel- oder Kollektivvertrag), mangels einer solchen (vgl. die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, ArbSlg. 10.086) dem Ortsgebrauch überlassen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1984, Zl. 81/08/0211 mit zahlreichen Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin wendet sich zunächst gegen die Nachverrechnung von Überstundenentgelten mit der Begründung, sie habe mit ihren Dienstnehmern eine "Pauschallohnvereinbarung" getroffen, und zwar dahingehend, daß die Dienstnehmer zu ihrem "beträchtlich über den kollektivvertraglichen Ansätzen liegenden Wochenlohn" noch ein Entgelt von S 1,-- pro gefahrenem Kilometer ausbezahlt erhalten hätten. Eine derartige Rahmenlohnvereinbarung sei im Fernverkehrsgewerbe nicht nur zulässig, sondern auch üblich, weil nach der "Natur der Sache die Dienstzeitbestimmung bei Fernfahrern nicht ohne weiteres möglich" sei, wozu auch der Umstand komme, daß verhältnismäßig viele Bereitschaften anfielen, in denen die Fernfahrer beispielsweise auf die Beladung eines Fahrzeuges warten müßten. Auch "verordne" das Gesetz den LKW-Lenkern bestimmte Ruhezeiten. Die effektiv zur Auszahlung gelangenden und der Beitragsberechnung zur Sozialversicherung zugrundegelegten Lohnbeträge gingen über die kollektivvertraglichen "Normalentgelte" hinaus, sodaß damit "die von der belangten Behörde angenommenen Überstundenleistungen reichlich abgegolten" worden seien.
Gemäß § 10 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl. Nr. 461/1969, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 354/1981, gebührt für Überstunden ein Zuschlag von 50 v.H. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 leg. cit. ist bei Berechnung des Zuschlages gemäß Abs. 1 der auf die einzelne Arbeitsstunde entfallende Normallohn zugrunde zu legen.
Gemäß § 6 Abs. 1 AZG liegt Überstundenarbeit vor, wenn entweder die Grenzen der nach den §§ 3 oder 5 zulässigen Wochenarbeitszeit überschritten werden oder die Tagesarbeitszeit überschritten wird, die sich aufgrund der Verteilung dieser Wochenarbeitszeit gemäß den §§ 3 bis 5 und 18 Abs. 2 AZG ergibt.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. ist Tagesarbeitszeit die Arbeitszeit innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraumes von 24 Stunden, gemäß Z. 3 Wochenarbeitszeit die Arbeitszeit innerhalb des Zeitraumes von Montag bis einschließlich Sonntag.
Gemäß § 13 AZG gelten diese (in den Abschnitten zwei und drei des Arbeitszeitgesetzes enthaltenen) Bestimmungen für Lenker und Beifahrer von Kraftfahrzeugen mit den in §§ 14 und 16 enthaltenen Abänderungen; davon ist für den Beschwerdefall die Bestimmung des § 14 Abs. 1 AZG wesentlich, wonach die Arbeitszeit die Lenkzeiten, die Zeiten für sonstige Arbeitsleistungen und Zeiten der Arbeitsbereitschaft umfaßt.
Für den Beschwerdesachverhalt ergibt sich daraus zunächst, daß - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - bei Lenkern und Beifahrern von Kraftfahrzeugen auch Zeiten außerhalb der eigentlichen Lenkzeiten, und zwar auch dann, wenn sie mit einer geringeren Beanspruchung einhergehen, wie etwa Zeiten bloßer Arbeitsbereitschaft, Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeitvorschriften und damit auf die tägliche bzw. wöchentliche Normalarbeitszeit im Sinne der §§ 3 bis 5 AZG anzurechnen sind. Eine nach § 10 AZG zuschlagspflichtige Überstundenarbeit liegt daher bei Lenkern und Beifahrern auch dann vor, wenn die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit im Zuge einer bloßen Arbeitsbereitschaft überschritten wird.
Der Begriff des (der Ermittlung des Überstundenzuschlages zugrunde liegenden) "Normallohns" im Sinne des § 10 Abs. 2 AZG umfaßt den Grundlohn mit allen Zuschlägen (vgl. Klein, Das Überstundenentgelt, 129 in: FS Strasser, im Anschluß an Floretta - Spielbüchler - Strasser, Arbeitsrecht I, 124; ebenso OGH in Arb 10.451). Der Verwaltungsgerichtshof teilt die in der zitierten Lehre und Rechtsprechung vertretene Auffassung, daß § 10 Abs. 1 AZG eine unabdingbare Mindestnorm darstellt, welche zwar dem Kollektivvertrag, nicht aber auch dem Einzelarbeitsvertrag eine abweichende Regelung, jedoch auch dem Kollektivvertrag nur hinsichtlich der Berechnungsart, offenläßt.
Das bloße Bestehen einer von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten "überkollektivvertraglichen Pauschallohnvereinbarung" kann - abgesehen davon, daß es sich um eine entgegen dem aus § 41 Abs. 1 VwGG für das verwaltungsgerichtliche Verfahren abzuleitenden Neuerungsverbot erstmalig behauptete Tatsache handelt, worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift mit Recht hinweist - einem darüber hinausgehenden Anspruch auf Überstundenentlohnung im Sinne des § 10 AZG schon deshalb nicht entgegenstehen, weil eine überkollektivvertragliche Entlohnung nur dann als pauschale Abgeltung von Überstunden angesehen werden kann, wenn dies zwischen den Parteien vereinbart wurde (vgl. Arb 8183 und Arb 8651), eine solche Vereinbarung aber von der Beschwerdeführerin weder im Verwaltungs- noch im Beschwerdeverfahren behauptet wurde (mit der Behauptung einer solchen Vereinbarung stünde im übrigen im Widerspruch, daß die Beschwerdeführerin unbestrittenermaßen, wenn auch nur vereinzelt, Überstunden gesondert verrechnet hat).
Die in der Beschwerde dargelegte Pauschallohnvereinbarung stellt sich vielmehr als ein (zeitbezogener) Wochenlohn kombiniert mit einer sich nach der Anzahl der gefahrenen Kilometer pro Woche bemessenden (und insoweit leistungsbezogenen) Lohnkomponente für reine Lenkzeiten dar, und zwar unabhängig davon, ob die gefahrenen Kilometer innerhalb oder außerhalb der Normalarbeitszeit zurückgelegt wurden. Diese Art der Vereinbarung mag ein Anreiz für die Lenker der Beschwerdeführerin sein, auch über die Normalarbeitszeit hinaus (und sogar unter Verletzung der für Ruhezeiten, Lenkpausen und die Begrenzung der Einsatzzeiten gemäß § 14 bis 16 AZG geltenden Bestimmungen) Fahrleistungen zu erbringen; eine sich auf die Abgeltung von Überstunden beziehende Lohnkomponente kann dieser Vereinbarung - so wie sie in der Beschwerde dargestellt wird - nicht entnommen werden. Der gegen die Nachverrechnung von Überstunden DEM GRUNDE NACH erhobene Beschwerdeeinwand geht daher schon unabhängig davon fehl, welchen Inhalt die von der belangten Behörde entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 13. Oktober 1988, Zl. 86/08/0190, und Zl. 88/08/0179 und vom 8. Juni 1989, Zl. 87/08/0331) weder festgestellten noch aktenkundig gemachten Vorschriften des anzuwendenden Kollektivvertrages haben.
Hinsichtlich der ANZAHL der als nicht verrechnet angenommenen (und daher zur Nachverrechnung gebrachten) Überstunden, wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die von der mitbeteiligten Partei vorgenommene Schätzung mit der Begründung, daß das Gesetz eine solche Schätzung nicht vorsehe.
Entgegen der Beschwerdeauffassung ist der Versicherungsträger gemäß § 42 Abs. 3 ASVG berechtigt, die für die Beurteilung der für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände aufgrund anderer Ermittlungen oder unter Heranziehung der Daten anderer Versicherungsverhältnisse bei dem selben Dienstgeber sowie von Daten gleichartiger oder ähnlicher Betriebe festzustellen, wenn die vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten Unterlagen für die Beurteilung dieser Umstände nicht ausreichen.
Wenn man von den (in der Folge als gefälscht erkannten) Fahrtenbüchern absieht, war die Beschwerdeführerin nicht in der Lage, den Prüfern der mitbeteiligten Partei Aufzeichnungen über die von ihren Dienstnehmern tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden vorzulegen, obgleich sie gemäß § 26 Abs. 1 AZG verpflichtet ist, solche Aufzeichnungen zu führen. Dies wird auch in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Bei dieser Sachlage durfte die mitbeteiligte Partei von ihrem Recht zur Schätzung im Sinne des § 42 Abs. 3 ASVG Gebrauch machen. Es istnicht rechtswidrig, wenn die mitbeteiligte Partei zu diesem Zweck einen Teil der in Betracht kommenden Lenker der Beschwerdeführerin befragt und auf der Grundlage des sich aus dieser Befragung ergebenden Sachverhaltes die Schätzung der Anzahl der Überstunden auch für die anderen, gleichartig tätigen Versicherten vorgenommen hat, zumal das Gesetz eine solche Vorgangsweise ausdrücklich gestattet.
Gegen die ERGEBNISSE der Schätzung (20 Überstunden pro Lenker und Arbeitswoche) hat die Beschwerdeführerin schon in ihrem Einspruch kein konkretes Vorbringen erstattet. Auch in der Beschwerde wird - abgesehen von den unzutreffenden, sich auf die ZULÄSSIGKEIT der Schätzung beziehenden Einwänden - kein konkretes Vorbringen erstattet, aus dem entweder Bedenken gegen die Grundlage der Schätzung oder gegen die (von der mitbeteiligten Partei ersichtlich unterstellte) Gleichartigkeit der Verhältnisse hinsichtlich der von der Beitragsnachverrechnung betroffenen Lenker entstehen könnten. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt angesichts der von den befragten Dienstnehmern angegebenen wöchentlichen Arbeitszeit von 70 bis 80 Stunden und den sonstigen Umständen des Falles keine Bedenken gegen die Schlüssigkeit der darauf fußenden Annahme, daß pro Lenker zumindest 20 Wochenstunden an Überstunden unverrechnet geblieben sind. Behauptungen darüber, daß im anzuwendenden Kollektivvertrag von der durch § 5 Abs. 1 AZG eingeräumten Befugnis, die Arbeitszeit bei Anfall von Arbeitsbereitschaft in erheblichem Umfang um höchstens 20 Stunden pro Woche bzw. auf 12 Stunden pro Tag zu verlängern, Gebrauch gemacht worden wäre, wurden von der Beschwerdeführerin nicht aufgestellt. Der Beschwerdeeinwand, dieses Ausmaß sei durch die Gesetzes- und die Aktenlage nicht gedeckt, trifft daher ebenfalls nicht zu.
Wie schon im Verwaltungsverfahren macht die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde ferner die Verjährung der nachverrechneten Beiträge geltend. Dieser Einwand wäre (bezogen auf den Zeitpunkt des Prüfungsbeginnes 5. April 1982) nur dann teilweise berechtigt, wenn die kurze, zweijährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 erster Satz ASVG und nicht die fünfjährige Frist des § 68 Abs. 1 dritter Satz ASVG anzuwenden wäre. Letzteres ist dann der Fall, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2 ASVG) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist grundsätzlich davon auszugehen, daß sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Pflicht notwendige Kenntnisse verschaffen muß und deren Mangel im Fall einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten hat (vgl. die Erkenntnisse vom 25. April 1985, Zl. 84/08/0133, vom 13. Juni 1989, Zl. 85/08/0064 und vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0060). Diese Erkundigungspflicht geht insbesondere dahin, sich über die Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung bei der Behörde und (oder) einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person Gewißheit zu verschaffen und sich bei dabei zutage tretenden widersprüchlichen Rechtsauffassungen mit Gewissenhaftigkeit mit dem Für und Wider eingehend auseinanderzusetzen (vgl. das Erkenntnis vom 13. Juni 1989, Zl. 85/08/0064 mit Hinweis auf das Erkenntnis vom 22. November 1984, Zl. 83/08/0140). Die Beschwerdeführerin hätte die Unvertretbarkeit ihrer Rechtsauffassung nicht nur schon aus den für sie maßgeblichen Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes unschwer erkennen können; sie hat darüber hinaus im gesamten Verfahren nicht behauptet, ihrer Erkundigungspflicht im Sinne dieser Rechtsprechung nachgekommen zu sein, sodaß die belangte Behörde zutreffend die fünfjährige Verjährungsfrist angenommen hat.
Schließlich wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Erhöhung des verhängten Beitragszuschlages im Sinne des § 113 Abs. 1 ASVG: Die von der belangten Behörde vertretene Auslegung, es sei das im Zeitpunkt ihrer Entscheidung geltende Recht anzuwenden, widerspreche in krasser Weise dem "fundamentalen Grundsatz des allgemeinen Verwaltungsverfahrens, daß das von einer Partei ergriffene Rechtsmittel niemals zu einer Verböserung des von ihr angefochtenen Bescheides führen" dürfe.
Im Gegensatz zu dieser Auffassung ist die belangte Behörde im Rahmen der Sache (d.h. im Umfang des den Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens bildenden Teils der jeweiligen Verwaltungssache) gemäß § 66 Abs. 4 letzter Satz AVG 1950 berechtigt und verpflichtet, den bei ihr bekämpften Bescheid nach jeder Richtung und daher (mangels einer dem § 54 Abs. 4 VStG analogen Bestimmung im Administrativverfahren) auch zu Ungunsten des Rechtsmittelwerbers abzuändern (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11237/A und - aus jüngerer Zeit - das Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/08/0172). Da es bei der Vorschreibung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 ASVG nicht darauf ankommt, auf welche Beitragszeiträume sich die Meldeverstöße beziehen, welche zum Anlaß einer Beitragsvorschreibung genommen wurden, ist auch für die Entscheidung über den Einspruch gegen die Verhängung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 ASVG die im Zeitpunkt der Erlassung des Rechtsmittelbescheides geltende Rechtslage maßgebend (vgl. das Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0050 mit weiteren Hinweisen). Daraus folgt, daß die belangte Behörde zu Recht § 113 Abs. 1 ASVG in der dieser Bestimmung durch Art. I Z. 33 lit. a der 41. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 11/1986 gegebenen Fassung angewendet hat. Nach dem letzten Satz des § 113 Abs. 1 ASVG in der zitierten Fassung darf der Beitragszuschlag die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung aufgrund des § 59 Abs. 1 ASVG für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären. Die belangte Behörde war daher berechtigt und verpflichtet, den von der mitbeteiligten Partei verhängten Beitragszuschlag auf die Höhe der Verzugszinsen (gegen deren, von der mitbeteiligten Partei ermitteltes und der Beschwerdeführerin im Rahmen der Gewährung von Parteiengehör bekanntgegebenes, Ausmaß auch in der Beschwerde kein Einwand erhoben wird) anzuheben, sodaß ihr auch in diesem Punkt keine Rechtswidrigkeit anzulasten ist.
Die in allen Punkten unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Infolge der sachlichen Erledigung der Beschwerde ist eine Entscheidung über den von der Beschwerdeführerin gestellten, jedoch nicht konkretisierten (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, Slg. Nr. 10831/A) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entbehrlich geworden.
Schlagworte
Entgelt Begriff AnspruchslohnEntgelt Begriff ÜberstundenMaßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die SacheUmfang der Abänderungsbefugnis Reformatio in peiusVerbot der reformatio in peiusEntgelt Begriff SachbezugUmfang der Abänderungsbefugnis Allgemein bei Einschränkung der Berufungsgründe beschränkte ParteistellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1989080279.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
17.05.2009