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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AlVG 1977 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der S gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 31. Oktober 1989, Zl. 124.697/4-7/1989, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. F, 2. Wiener Gebietskrankenkasse in Wien X, Wienerbergstraße 15-19, 3. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in Wien IX, Roßauer Lände 3, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in Wien XX, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, daß der Erstmitbeteiligte in der Zeit vom 1. April 1987 bis 22. Jänner 1988 auf Grund seiner Beschäftigung als Botendienstfahrer bei der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Versicherungspflicht in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie in der Arbeitslosenversicherung unterliege. Die Begründung des Bescheides unterscheidet sich von derjenigen des zur Zl. 89/08/0349 angefochtenen, die Versicherungspflicht eines anderen Botendienstfahrers, nämlich des M, betreffenden Bescheides (sie ist in dem zu dieser Zahl am heutigen Tag ergangenen Erkenntnis wiedergegeben) nur im folgenden: Die belangte Behörde zitiert die Aussage des erstmitbeteiligten F vom 15. Dezember 1988. Darnach sei er vom April 1987 bis Jänner 1988 bei der Beschwerdeführerin als Fahrer für den Botendienst tätig gewesen. Er habe überwiegend einen Citroen-Kleinbus gelenkt. Sämtliche Betriebsmittel, insbesondere Auto und Benzin seien ihm von der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellt worden. Die Stundenzahl der wöchentlichen Arbeitszeit sei unterschiedlich gewesen. Es sei jedoch auch in seinem Interesse gelegen gewesen, den Kleinbus voll zum Einsatz zu bringen. Die Aufträge habe er von der Funkzentrale und von seinem Arbeitgeber persönlich erhalten. Soweit erinnerlich, habe er keinen einzigen Fuhrauftrag abgelehnt. Er habe im erwähnten Zeitraum selbst und allein sämtliche Tätigkeiten persönlich erbracht. Eine Vertretung wäre vertraglich untersagt gewesen. Jeden Freitag habe er mit der Beschwerdeführerin abgerechnet. Das Auto sei an diesem Wochentag am Firmensitz abgestellt und am Montag von dort aus in Betrieb genommen worden. An jedem Freitrag der Woche seien mit der Beschwerdeführerin die zur Abgabe geführten Tagesberichte besprochen worden. Dabei habe sie ihm auch Anweisungen gegeben, was zu verbessern wäre und welche Kunden wegen einer Auftragserteilung angesprochen werden sollten. Die Beschwerdeführerin habe Einfluß auf ihn genommen, daß er das Fahrzeug voll zum Einsatz bringe. Im Anschluß an die ebenfalls wiedergegebene Aussage des M vom 9. Februar 1987 heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter:
Die belangte Behörde sei bei Würdigung der schriftlichen Vereinbarungen im Zusammenhalt mit den zitierten Angaben des Erstmitbeteiligten und des M zur Auffassung gelangt, daß die übereinstimmenden Sachverhaltsdarstellungen des Erstmitbeteiligten und des M als erwiesen anzunehmen seien und daß sich daraus ein Überwiegen der Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit ergebe. Die anschließenden rechtlichen Überlegungen unterscheiden sich lediglich in der Begründung der Annahme eines bestehenden Weisungsrechtes der Beschwerdeführerin. Diesbezüglich heißt es nämlich: Daß im vorliegenden Fall trotz des weitgehenden faktischen Verzichtes auf Weisungen ein Weisungsrecht der Beschwerdeführerin als Dienstgeberin bestanden und der Erstmitbeteiligte auch Ordnungsvorschriften unterlegen sei, gehe schon daraus hervor, daß er das ihm zur Verfügung gestellte Kraftfahrzeug am Wochenende am Firmensitz abzustellen gehabt und von der Beschwerdeführerin auch Anweisungen hinsichtlich der Acquisition von Aufträgen erhalten habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin aus denselben Gründen wie in ihrer Beschwerde zur Zl. 89/08/0349 (auch diese Ausführungen sind in dem zu dieser Zahl ergangenen Erkenntnis vom heutigen Tag wiedergegeben) inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die zweitmitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 89/08/0349, hat der Verwaltungsgerichtshof näher dargelegt, aus welchen Gründen in der Beschäftigung des M als Botendienstfahrer der Beschwerdeführerin dann, wenn man hinsichtlich der Art dieser Beschäftigung von seinen Aussagen ausgeht, die Merkmale persönlicher Unabhängigkeit überwogen. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Im Falle der von der belangten Behörde angenommenen "Übereinstimmung" der Aussage des Erstmitbeteiligten mit jener des M (dem Wortlaut oder zumindest der inhaltlichen Bewertung nach) wäre daher auch der in diesem Verfahren angefochtene Bescheid - in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen - schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Aussage des Erstmitbeteiligten stimmt aber zumindest in drei Punkten dem Wortlaut nach nicht mit der Aussage des M überein: 1. sprach der Erstmitbeteiligte davon, daß er die Aufträge nicht nur von der Funkzentrale, sondern auch "von meinem Arbeitgeber persönlich" erhalten habe; 2. sagte er aus, die Beschwerdeführerin habe auf ihn Einfluß genommen, daß er das Fahrzeug voll zum Einsatz bringe; 3. legte er dar, daß ihm die Beschwerdeführerin bei den Besprechungen anläßlich der Abrechnung am jeweiligen Freitag einer Woche Anweisungen gegeben habe, "was zu verbessern wäre und welche Kunden einen Auftrag geben werden bzw. angesprochen werden sollen".
Diese sich hinsichtlich ihres Wortlautes von der Aussage des M unterscheidenden Darlegungen des Erstmitbeteiligten schließen nicht notwendig eine Übereinstimmung in ihrer auf die persönliche Abhängigkeit des Erstmitbeteiligten bezogenen rechtlichen Bewertung aus. Sollte sich nämlich das (zufolge der Zugrundelegung der Aussage des M auch dem Erstmitbeteiligten grundsätzlich zustehende) Recht, Aufträge ohne Sanktion abzulehnen, nicht nur auf die Aufträge der Funkzentrale, sondern auch auf jene der Beschwerdeführerin selbst bezogen haben (die Aussage des Erstmitbeteiligten, es sei von ihm kein einziger Fuhrauftrag abgelehnt worden, schließt ein solches Recht nicht aus), so müßten die angeführten unterschiedlichen Aussagen über die Einflußnahme der Beschwerdeführerin auf den Einsatz des Autos und die genannten "Anweisungen" eher im Sinne eines bloßen, weithin sanktionslosen Bemühens verstanden werden; die Berechtigung, Aufträge der Beschwerdeführerin selbst abzulehnen, würde aber die im Erkenntnis zur Zl. 89/08/0349 angestellten Überlegungen zur persönlichen Unabhängigkeit eher noch verstärken.
Die zweit- und drittangeführten unterschiedlichen Aussagen des Erstmitbeteiligten deuten aber eher darauf hin, daß ihm kein solches Ablehnungsrecht hinsichtlich der Aufträge der Funkzentrale oder der Beschwerdeführerin selbst zukam ("Anweisungen, .... welche Kunden ... angesprochen werden sollen") und er auch in seinem sonstigen arbeitsbezogenen Verhalten nicht persönlich unabhängig war ("Anweisungen, was zu verbessern wäre"). Die von der belangten Behörde daraus gezogenen Schlußfolgerungen auf das Bestehen eines Weisungs- und Kontrollrechts der Beschwerdeführerin bestünden dann zu Recht.
Da aus diesen Gründen die ihrem Wortlaut nach unterschiedlichen Aussagen des Erstmitbeteiligten und des M doch auch eine unterschiedliche rechtliche Bewertung zur Folge haben können, hätte die belangte Behörde eindeutig feststellen müssen, welchen der insofern unterschiedlichen Versionen sie im Beschwerdefall (bezogen auf die Beschäftigung des Erstmitbeteiligten) folgt. Da sie dies - offensichtlich auf Grund ihrer im Erkenntnis zur Zl. 89/08/0349 dargelegten unrichtigen Rechtsauffassung - nicht getan hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Begehren auf Stempelgebührenersatz war im Hinblick auf die bestehende sachliche Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) abzuweisen.
Schlagworte
Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Besondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Sozialversicherung Zivilrecht Vertragsrecht Beweismittel Zeugenbeweis Dienstnehmer Begriff Einzelne Berufe und Tätigkeiten Diverses Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit Dienstnehmer Begriff Wirtschaftliche AbhängigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1989080350.X00Im RIS seit
18.10.2001