TE Vfgh Erkenntnis 1988/6/11 B856/88

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Veröffentlicht am 11.06.1988
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
DSt 1872 §14
DSt 1872 §19

Leitsatz

(Ersatz-)Bescheid der OBDK trägt dem Erk. VfSlg. 11284/1987 vollinhaltlich Rechnung; keine Verletzung des Rechtes auf ein faires Verfahren und des Gleichheitsrechtes

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder wegen Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 18. Oktober 1979, Z D 32/78, wurde der Bf. für schuldig erkannt, daß er

"am 25. Feber 1976 als Anwalt der Liegenschaftsverkäufer E und K P gegenüber den Käufern A M und M K und deren RA. Dr. A M trotz ausdrücklichem Befragen die ihm bekannt gewesene Tatsache verschwiegen (habe), daß damals bereits gegen die nur außerbücherlichen Eigentümer der nun von diesen zum Verkaufe angebotenen Liegenschaft (EZ. 67 KG. St. Th, Gerichtsbezirk Klagenfurt), nämlich E und K P von der Voreigentümerin ein Prozeß auf Rückgabe dieser Liegenschaft anhängig war, wobei er, der Beschuldigte, sogar die genannten Beklagten anwaltlich vertrat, und er ... durch diese Verschweigung eines so wesentlichen Umstandes die Käufer A M und M K zur Leistung einer geforderten sofortigen baren Kaufpreisanzahlung von S 400.000.-- ohne Vorliegens irgendwelcher Sicherheiten veranlaßt"

habe. Der Beschuldigte wurde hiefür unter Bedachtnahme auf zwei frühere Strafen zur Disziplinarstrafe der Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von 3 Monaten sowie zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.

1.2. Mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (künftig: OBDK) vom 11. Juli 1983, Z Bkd 55/82, wurde der Berufung gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer keine Folge gegeben und der Bf. zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens verurteilt.

2.1. Nachdem der Bf. wegen des gleichen Sachverhaltes mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 24. Juni 1981 des Verbrechens des schweren Betruges nach §§146, 147 Abs3 StGB für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 18 Monaten verurteilt worden war (der Oberste Gerichtshof änderte den Strafausspruch dahingehend, daß die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit in eine bedingte Freiheitsstrafe umgewandelt wurde), wurde über Antrag des Kammeranwaltes vom Disziplinarrat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer beschlossen, gegen den Bf. ein weiteres Disziplinarverfahren einzuleiten, da die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung ein neues Faktum bilde, sodaß gemäß §19 DSt idF BGBl. 497/1974 nach §29 DSt vorzugehen sei.

Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 8. November 1984, Z D 26/82, wurde der Bf. sodann auf Grund der Ergebnisse des zweiten Disziplinarverfahrens der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes für schuldig erkannt, begangen dadurch,

"daß er wegen bewußt gemeinsamen Zusammenwirkens mit anderen Personen, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nämlich: Durch die wahrheitswidrige Angabe, der außerbücherliche Erwerb einer bestimmten Liegenschaft sei in Ordnung, und er dabei durch bewußtes Verschweigen einer zum damaligen Zeitpunkte bereits eingebrachten Klage auf Unwirksamkeit eben dieses Kaufvertrages zur Leistung von Barzahlungen im Gesamtbetrage von S 395.000.--, sohin zu Handlungen verleitete, durch die andere Personen an ihrem Vermögen Schaden erlitten, daß also RA. Dr. R L wegen dieses Verhaltens durch Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 24.6.1981, 8 Vr 238/81, des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§146, 147 Abs3 StGB. für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaße von 18 Monaten verurteilt wurde, die aufgrund der Strafberufung des hier Disziplinarbeschuldigten durch den Obersten Gerichtshof in einer der Höhe nach gleichbleibende, jedoch bedingte Freiheitsstrafe umgewandelt worden ist."

Der Bf. wurde hiefür zur Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste sowie zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.

2.2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis der OBDK vom 13. Mai 1985, Z Bkd 35/85, nicht Folge gegeben und der Bf. zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens verurteilt.

3. Auf Grund einer vom Disziplinarbeschuldigten eingebrachten Beschwerde, hob der VfGH diesen Bescheid mit Erkenntnis VfSlg. 11284/1987 wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz auf.

Begründend wurde insbesondere ausgeführt:

"Sowohl der ursprüngliche Einleitungsbeschluß, als auch das seinerzeitige Erkenntnis erster Instanz sind nicht davon ausgegangen, daß der Bf. wegen bewußt gemeinsamen Zusammenwirkens mit anderen Personen, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, vorgegangen ist, sondern lediglich, daß er ihm bekannte Umstände verschwiegen hat, die zur Schädigung dritter Personen führten, wobei offen blieb, ob dies vorsätzlich oder fahrlässig geschah.

Die OBDK hat im Erkenntnis vom 11. Juli 1983 über die zeitliche Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von drei Monaten zwar von einer Bindung an das rechtskräftige Strafurteil gesprochen, aber nicht jenes Verhalten des Bf. ihrer Beurteilung zugrundegelegt, das ihm das Strafurteil zur Last gelegt hat, sondern ausgeführt, daß der Bf. 'mindestens das ihm mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrates zur Last gelegte disziplinäre Verhalten begangen' hat. Die OBDK ist also (richtigerweise) bewußt nicht über den Einleitungsbeschluß bzw. das Erkenntnis erster Instanz hinausgegangen. Sie konnte dies allein schon deshalb nicht, da der Kammeranwalt seinerseits keine Berufung erhoben hat. Auch ihm war zu diesem Zeitpunkt weder die Einleitung des Strafverfahrens noch der volle strafrechtliche Sachverhalt bekannt.

In dem auf Grund des §19 DSt in Gang gesetzten neuerlichen Disziplinarverfahren ist der Disziplinarrat und ihm folgend die bel. Beh. nunmehr - dem Strafurteil folgend zu Recht - von der bewußten Schädigung dritter Personen durch den Bf. ausgegangen. Die bel. Beh. hat jedoch in Verkennung der Rechtslage nicht die Frage der Auswirkung des Erkenntnisses des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 18. Oktober 1979, Z D 32/78, bzw. der OBDK vom 11. Juli 1983, Z Bkd 55/82, und zwar sowohl hinsichtlich der Anrechnung der Strafe auf die Frist des §14 DSt, als auch hinsichtlich der Kosten geprüft. Zur Anrechnung war sie jedoch verpflichtet, weil letztlich nur eine Tat zu beurteilen war. Dadurch hat sie den Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz dadurch verletzt, daß sie den Bf. wegen ein und derselben Tat - wenn sie auch unter verschiedenen Gesichtspunkten zu Recht zweimal geprüft wurde - insoferne mehrmals verurteilt hat, als die erfolgte Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von drei Monaten nicht in die dreijährige Frist des §14 eingerechnet wurde und der Bf. zweimal zum Kostenersatz verurteilt wurde."

4. Mit (Ersatz-)Bescheid vom 30. November 1987 wurde der Berufung des Disziplinarbeschuldigten sodann teilweise Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 8. November 1984, Z D 26/82, das ansonsten unberührt blieb, dahin abgeändert, daß die im Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 18. Oktober 1979, Z D 32/78, verhängte Disziplinarstrafe der Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von 3 Monaten in sinngemäßer Anwendung der §§31, 40 StGB in die Frist des §14 DSt eingerechnet und die im angefochtenen Erkenntnis verfügte Kostenersatzpflicht aufgehoben wurde.

Im übrigen wurde der Berufung nicht Folge gegeben.

5.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein faires Verfahren und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

5.2. Die bel. Beh. hat die Akten vorgelegt, auf Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.

6. Der Verfasssungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

6.1. Der Bf. behauptet, die bel. Beh. habe das Vorerkenntnis des VfGH rechtsirrig interpretiert. Beiden Straferkenntnissen, mit denen die gegen ihn durchgeführten Disziplinarverfahren abgeschlossen wurden, läge ein identer Sachverhalt zu Grunde. Bereits dem vom Kammeranwalt nicht bekämpften Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 18. Oktober 1979 sei zu entnehmen, daß in Wirklichkeit der Disziplinarrat vom selben Sachverhalt ausgegangen sei wie das nachfolgende strafgerichtliche Urteil; lediglich die Fassung der jeweiligen Urteilssprüche sei unterschiedlich, was schon dadurch zu erklären sei, daß sich der Strafrichter an die termini technici des StGB, der Disziplinarrat jedoch an jene des Disziplinarstatuts gehalten habe. Die Auffassung der bel. Beh., auf Grund der Verschiedenheit der Sprüche eine neuerliche Verurteilung vornehmen zu können, erweise sich neuerlich als verfassungs- und konventionswidrig. Da der gesamte Sachverhalt bereits vor Rechtskraft des Ersterkenntnisses bekannt gewesen sei, lägen in Wahrheit beiden Straferkenntnissen der OBDK idente Sachverhalte zu Grunde. Im Erkenntnis 11284/1987 habe der VfGH ausdrücklich ausgeführt, der alleinige Umstand, daß zu einem an sich disziplinär zu ahndenden Fehlverhalten eine strafgerichtliche Verurteilung wegen dieses Fehlverhaltens hinzutrete, könne nicht sachlich rechtfertigen, daß für ein und dasselbe Fehlverhalten eine zweimalige disziplinäre Bestrafung (einmal vor einer strafgerichtlichen Verurteilung und ein zweites Mal nach derselben) stattfinde, ohne auf die bisherige Verurteilung Bedacht zu nehmen. Die zwei- oder mehrmalige Verurteilung wegen ein und desselben Fehlverhaltens bei unveränderter Sach- und Rechtslage verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und die MRK.

6.2. Die Beschwerde ist nicht begründet. Hiezu genügt es, den Bf. auf das in dieser Rechtssache ergangene Erkenntnis VfSlg. 11284/1987 zu verweisen. Aus diesem geht alles, was auf die vorliegende Beschwerde zu antworten ist, bereits eindeutig hervor; mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis hat die bel. Beh. dem Standpunkt des VfGH vollinhaltlich Rechnung getragen (s. die Punkte 3. und 4.). Mehr zu sagen, würde auf eine bloße Wiederholung hinauslaufen.

Die behaupteten Grundrechtsverletzungen liegen somit nicht vor.

6.3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Bei diesem Ergebnis war auf den Antrag auf Bewilligung der aufschiebenden Wirkung nicht mehr einzugehen.

Schlagworte

Disziplinarrecht Rechtsanwälte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B856.1988

Dokumentnummer

JFT_10119389_88B00856_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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