TE Vwgh Erkenntnis 1991/1/22 90/05/0138

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Veröffentlicht am 22.01.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Dezember 1989, Zl. R/1-V-89112, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) MB und 2) NB,

3) Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 22. Februar 1988 beantragten die mitbeteiligten Bauwerber bei der gleichfalls mitbeteiligten Gemeinde die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Kleingarage auf dem Grundstück Nr. n/2, KG X. Mit Kundmachung vom 22. März 1988 wurden zur Bauverhandlung am 15. März 1988 persönlich nur die unmittelbaren Anrainer bzw. die vom Bauplatz nur durch eine öffentliche Verkehrsfläche getrennten Anrainer persönlich geladen. Nach dem dem Baugesuch beigeschlossenen Lageplan liegt zwischen dem Grundstück des beschwerdeführenden Nachbarn (Nr. n/4) und dem zu bebauenden Grundstück das gleichfalls den mitbeteiligten Bauwerbern gehörige Grundstück Nr. n/3 sowie teilweise ein im Eigentum der Gemeinde befindliches Grundstück (Nr. n/6).

Der Aktenlage nach wurde die Kundmachung an der Amtstafel der Gemeinde vom 22. März bis 18. April 1988 angeschlagen.

Nach Durchführung der Bauverhandlung erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 25. April 1988 die beantragte Baubewilligung.

Mit Schreiben vom 27. Februar 1989 erhob der Beschwerdeführer Berufung an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen. Der Beschwerdeführer führte hiebei aus, daß das den Bauwerbern gehörige Haus auf den Grundstücken Nr. n/3 und Nr. n/2 errichtet worden sei, sodaß nach der Bauordnung die Zusammenlegung der beiden Grundstücke zwingend notwendig sei. Er grenze daher in seinem Besitz direkt an das zu bebauende Grundstück an. Als Anrainer hätte er daher dem Verfahren beigezogen werden müssen, dieses sei neu durchzuführen und es seien die Bestimmungen der Bauordnung strikt einzuhalten.

Diese Berufung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 26. Juni 1989 mit der Begründung ab, daß der Beschwerdeführer nicht Anrainer sei und daher keine Parteistellung besitze.

Die dagegen erhobene Vorstellung wies die Niederösterreichische Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 29. Dezember 1989 als unzulässig zurück. Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß nach § 99 Abs. 1 Z. 2 der NÖ. Bauordnung 1976 nur Anrainer, deren Grundstücke mit den vom Bauvorhaben betroffenen Grundstücken eine gemeinsame Grenze haben, persönlich zu laden seien. Die übrigen Parteien und Beteiligten seien von der Bauverhandlung durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde zu verständigen. Dementsprechend sei die Gemeinde vorgegangen. Der Beschwerdeführer habe nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben, sodaß er mit seinem späteren Vorbringen präkludiert sei. Der Einwand des Beschwerdeführers, das Fehlen der gemeinsamen Grundstücksgrenze beruhe auf einer Rechtswidrigkeit und man müsse daher vom rechtmäßigen Zustand ausgehen, sei insofern rechtlich unerheblich, als zur Beurteilung der Voraussetzungen für eine persönliche Ladung zur Bauverhandlung von den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Ladung auszugehen sei. Die Behauptung des Beschwerdeführers, das ihm gehörige Grundstück werde als Zufahrt benützt, dürfte nicht zutreffen, weil sich zwischen seinem Grundstück und dem Trattenbach ein der Gemeinde gehöriges Grundstück befinde. Im übrigen sei ausdrücklich keine Beeinträchtigung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte behauptet worden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung dieser Gerichtshof mit Beschluß vom 11. Juni 1990, Zl. B 63/90-9, jedoch ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Bauverfahrens verletzt, weil er zur Bauverhandlung nicht geladen und ihm der Baubewilligungsbescheid auch nicht zugestellt worden sei, obwohl er Anrainer sei. Weiters sei er in seinen Rechten dadurch verletzt worden, daß sich die belangte Behörde mit seinen subjektiv-öffentlichen nachbarrechtlichen Einwendungen nicht auseinandergesetzt habe.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 118 Abs. 8 der NÖ. Bauordnung 1976 (BO), in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-6, genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG 1950, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. In den Verfahren nach den §§ 10, 108 und 110 kommt Anrainern jedoch keine Parteistellung zu. Die Zustellung einer Bescheidausfertigung hat an alle Parteien zu erfolgen, selbst wenn sie trotz Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen sind.

Nach § 99 Abs. 1 BO hat die Behörde über jedes Ansuchen gemäß den §§ 92 und 93 eine Bauverhandlung abzuhalten, in deren Verlauf ein Augenschein vorzunehmen ist. Zur Bauverhandlung sind unter anderem persönlich Anrainer zu laden, deren Grundstücke mit dem vom Bauvorhaben betroffenen eine gemeinsame Grenze haben; dies gilt auch dann, wenn eine gemeinsame Grundstücksgrenze nur deshalb nicht gegeben ist, weil eine öffentliche Verkehrsfläche oder ein Gewässer dazwischen liegt (Z. 2). Die übrigen Parteien und Beteiligten sind von der Bauverhandlung durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde zu verständigen.

Im Beschwerdefall hat die Baubehörde erster Instanz zu Recht den Beschwerdeführer nicht persönlich zur Bauverhandlung geladen, weil sein Grundstück jedenfalls von dem zu bebauenden Grundstück durch ein weiteres Grundstück der Bauwerber getrennt ist. Nach dem dem Baubewilligungsverfahren zugrunde liegenden Plan soll die Kleingarage beinahe 20 m entfernt vom Grundstück des Beschwerdeführers errichtet werden. Bei einer solchen Situation durfte die Berufungsbehörde zu Recht davon ausgehen, daß dem Beschwerdeführer im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens Parteistellung nicht zukam, weil er durch das Bauvorhaben nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten berührt wird. Auch in seinem ergänzenden Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof behauptet der Beschwerdeführer zunächst nur eine Verletzung seines Rechtes auf Teilnahme bei der Bauverhandlung, was er schon in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof damit näher begründete, daß in Wahrheit die beiden genannten, den mitbeteiligten Bauwerbern gehörigen Grundstücke zusammenzulegen gewesen wären. Damit übersieht der Beschwerdeführer allerdings, daß eine solche Zusammenlegung bisher offensichtlich noch nicht erfolgte und auch nicht jeder Anrainer Parteistellung besitzt, sondern nur derjenige, der durch das Vorhaben in einem subjektiv-öffentlichen Recht berührt wird. In seiner Beschwerdeergänzung behauptet nun zwar der Beschwerdeführer, daß er in seinen Rechten dadurch verletzt worden sei, daß sich die belangte Behörde mit seinen subjektiv-öffentlichen nachbarrechtlichen Einwendungen in keiner Weise auseinandergesetzt habe, er nannte jedoch kein (materielles) subjektiv-öffentliches Recht, in welchem er durch die Erteilung der Baubewilligung tatsächlich verletzt worden wäre. Auch in seiner Vorstellung an die Gemeindeaufsichtsbehörde hatte der Beschwerdeführer ausschließlich sein Recht auf Beiziehung zum Baubewilligungsverfahren ins Treffen geführt und behauptet, mangels Kenntnis des bewilligten Bauvorhabens könnten konkrete Einwendungen nicht erhoben werden. Im übrigen behauptete der Beschwerdeführer, daß die Bauwerber zur beabsichtigten Garage über sein Grundstück fahren. Dem Lageplan zufolge trifft das nicht zu, doch kann diese Frage unerörtert bleiben, weil mit der erteilten Baubewilligung den mitbeteiligten Bauwerbern kein Recht auf Benützung von Grundflächen des Beschwerdeführers eingeräumt worden ist. Auch mit diesem Vorbringen konnte sohin der Beschwerdeführer nicht dartun, daß er durch die bewilligte Garage in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten berührt wird.

Da schon auf Grund der dargelegten Erwägungen dem Beschwerdeführer im Baubewilligungsverfahren Parteistellung nicht zukam, erübrigte sich eine Auseinandersetzung mit der in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung der belangten Behörde , daß der Beschwerdeführer mangels rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen präkludiert sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung zutrifft, weil diese Frage nur dann zu erörtern wäre, wenn dem Beschwerdeführer im Verfahren Parteistellung zugekommen wäre. Im übrigen hätte eine eingetretene Präklusion nicht dazu führen dürfen, daß die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers zurückwies, weil auch einem Präkludierten Parteistellung zukommt (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N. F. Nr. 10.317/A). Mangels Parteistellung wurde der Beschwerdeführer jedoch durch die Zurückweisung seiner Vorstellung nicht in seinen Rechten verletzt.

Zu dem Vorbringen in der Beschwerde ist schließlich der Vollständigkeit halber noch zu bemerken, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch eine übergangene Partei nicht schlechthin einen Rechtsanspruch darauf besitzt, daß ein ohne ihre Beteiligung erlassener Bescheid allein mangels Beiziehung zum Verfahren aufgehoben wird (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österr.

Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., Anm. 6 zu § 37 AVG, und die dort wiedergegebene Rechtsprechung).

Da der Beschwerdeführer im Beschwerdepunkt durch den angefochtenen Bescheid - wie dargetan - nicht in seinen Rechten verletzt wurde, war seine Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Baurecht Nachbar Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung) Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Baurecht Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungsrecht und Präklusion (AVG §42 Abs1)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990050138.X00

Im RIS seit

24.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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