TE Vwgh Erkenntnis 1991/1/23 89/03/0302

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Veröffentlicht am 23.01.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §16 Abs2 litb;
StVO 1960 §9 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
StVO 1960 §99 Abs2 litc;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 28. September 1989, Zl. 9/01-31.008/2-1989, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ein Beamter der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Salzburg erstattete am 31. Dezember 1987 die Anzeige, der Beschwerdeführer habe am 19. Dezember 1987 um 11,10 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws im Bereich der unübersichtlichen Linkskurve der B 99 bei Straßenkilometer 19,85 mindestens zwei Personenkraftwagen überholt und dadurch den aus der Gegenrichtung kommenden Lenker des Gendarmeriefahrzeuges gezwungen, scharf abzubremsen und nach rechts zum Fahrbahnrand auszulenken. Deshalb sei die Verfolgung aufgenommen worden. Auf der B 146 habe der Beschwerdeführer bei Straßenkilometer 3,25 einen Pkw überholt und dabei, obwohl das Streifenfahrzeug bereits zum Überholen des Pkws des Beschwerdeführers angesetzt habe, die dort deutlich sichtbar aufgebrachte Sperrlinie mit der gesamten Fahrzeugbreite überfahren. Die Überholmanöver seien unter besonders gefährlichen Verhältnissen, hervorgerufen durch nasse Fahrbahn bei Dauerregen und schlechter Sicht durch Spritzwasser, begangen worden. Der angehaltene Beschwerdeführer habe angegeben, ohnehin die 100 km/h-Beschränkung beachtet zu haben. Die Übertretungen seien ihm nicht aufgefallen.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 28. September 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 19. Dezember 1987 als Lenker des genannten Pkws a) gegen 11,10 Uhr im Gemeindegebiet von Altenmarkt auf der B 99 bei Straßenkilometer 19,85 vor einer unübersichtlichen Linkskurve und zudem bei nasser Fahrbahn und bei durch Regen bedingten schlechten Sichtverhältnissen, sohin unter besonders gefährlichen Verhältnissen, zwei mehrspurige Kraftfahrzeuge überholt, und c) gegen 11,20 Uhr im Gemeindegebiet von Radstadt auf der B 146 bei Straßenkilometer 3,25 im Zuge eines Überholmanövers die Sperrlinie überfahren, und dadurch Übertretungen zu a) nach § 16 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. c StVO und zu c) nach § 9 Abs. 1 StVO begangen. Über ihn wurden gemäß § 99 Abs. 2 lit. c bzw. § 99 Abs. 3 lit. a StVO Geldstrafen von S 2.000,-- und S 300,-- (Ersatzarrest von zwei Tagen und 12 Stunden) verhängt. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, der Meldungsleger sei zur Tatzeit im Gendarmeriefahrzeug mitgefahren. Er habe am 18. Mai 1988 als Zeuge angegeben, daß der Beschwerdeführer gegen 11,10 Uhr im Bereich der unübersichtlichen Linkskurve der B 99, die ungefähr bei km 19,85 beginne, mindestens zwei mehrspurige Fahrzeuge überholt habe. Er sei dabei auf die linke Fahrbahnhälfte ausgeschert. Der Lenker des Gendarmeriefahrzeuges habe, um eine Kollision zu verhindern, das Fahrzeug abbremsen und nach rechts auslenken müssen. Zur Veranschaulichung habe der Beamte auch ein Lichtbild, das den Kurvenverlauf aus der Fahrtrichtung des Beschwerdeführers wiedergebe, vorgelegt. Dem Beschwerdeführer sei mit Blaulicht nachgefahren worden. Nach einigen Kilometern, 5 bis 10 Minuten nach der ersten Übertretung, habe der Beschwerdeführer ein anderes Fahrzeug überholt, obwohl das Gendarmeriefahrzeug bereits zum Überholen des Fahrzeuges des Beschwerdeführers angesetzt habe, und dabei auf der B 146 die Sperrlinie überfahren. Sie sei trotz nasser Fahrbahn sichtbar gewesen. Es habe auf beiden Straßen geregnet und sei die Sicht durch Wegspritzen des Wassers schlecht gewesen. Sodann folgt eine Wiedergabe der Angaben des Gendarmeriebeamten, der das Dienstfahrzeug lenkte und am 26. Mai 1988 eine im wesentlichen mit den Angaben des Meldungslegers übereinstimmende Zeugenaussage machte. Der beigezogene verkehrstechnische Amtssachverständige habe nach Durchführung eines Lokalaugenscheines festgestellt, daß die Unübersichtlichkeit insbesondere dadurch gegeben sei, daß durch die Leitschienen und durch ein Brückengeländer die Sichtweite abnehmend bis zu Straßenkilometer 19,9 bis auf rund 180 m verringert werde. Es handle sich um eine unübersichtliche Straßenstelle und sei in der Zwischenzeit ein Überholverbot verordnet worden. Es bedürfe z. B. bei Überholen von zwei mit 60 km/h hintereinander fahrenden Pkw mit 80 km/h einer Überholstrecke von ca. 280 m (12,5 Sekunden), wobei, wenn der Gegenverkehr mit 60 km/h angenommen werde, eine Sichtweite von 280 + 208 m

(60 : 3,6 x 12,5) = 488 m notwendig sei. Dieses Gutachten habe der Beschwerdeführer als nicht nachvollziehbar bezeichnet. Auf Grund des Ermittlungsverfahrens bestehe aber kein Zweifel an der Verwirklichung der zu a) und c) genannten Tatbestände. Sie seien von geschulten Organen der Straßenaufsicht in Ausübung ihres Dienstes wahrgenommen worden. Diesen Personen sei auf Grund ihrer Ausbildung und Erfahrung zuzubilligen, derartige Vorgänge richtig zu beobachten und das Beobachtete zutreffend wiederzugeben. Sie seien auch als Zeugen vernommen worden. Der Inhalt ihrer Aussagen zeige, daß sie persönliche Wahrnehmungen wiedergegeben haben. Es bestehe kein Anhaltspunkt für eine wahrheitswidrige Belastung des Beschwerdeführers. Es sei ihnen auch ein Urteil zuzubilligen, ob eine Kurve unübersichtlich sei. Im übrigen sei auch der Amtssachverständige nach einem Ortsaugenschein zu dem Schluß gekommen, daß hinsichtlich des Tatortes betreffend die Übertretung zu a) eine unübersichtliche Kurve vorliege. Dies lasse auch das Foto erkennen. Für die Richtigkeit des Gutachtens spreche auch die Ausführung des Beschwerdeführers, daß es bei dem vom Gutachter ausgeführten Ergebnis zu einer Kollision der beteiligten Fahrzeuge gekommen wäre und ja der Anlaß der Anzeige der gewesen sei, daß eben der Lenker des Gendarmeriefahrzeuges infolge des Überholmanövers des Beschwerdeführers scharf abbremsen und nach rechts zum Fahrbahnrand habe auslenken müssen, um eine Kollision zu vermeiden. Da das dem Beschwerdeführer unter a) zur Last gelegte Verhalten überdies bei nasser Fahrbahn und bei durch Regen bedingten schlechten Sichtverhältnissen begangen worden sei, sei die Unterstellung auch unter § 99 Abs. 2 lit. c StVO gerechtfertigt. Bezüglich des Überfahrens der Sperrlinie sei bemerkt, daß die beiden Beamten übereinstimmend deponiert hätten, daß sie erkennbar gewesen sei. Weiters sei festgehalten, daß gemäß § 55 Abs. 8 StVO in der Fassung der 13. Novelle Bodenmarkierungen keiner Verordnung bedürfen. Die Durchführung eines Lokalaugenscheines sei entbehrlich, da der Sachverständige ohnehin den Tatort besichtigt habe. Weiters folgen Ausführungen zur Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer stellt zunächst die Behauptung auf, es sei Verjährung eingetreten, zumal ihm in der Strafverfügung vom 19. Februar 1989 als Tatzeit für alle Übertretungen 11,10 Uhr vorgeworfen worden sei, obwohl dies wegen der verschiedenen Tatorte denkunmöglich sei. Eine Konkretisierung hinsichtlich Tatzeit und -ort sei erstmals mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 10. November 1988 erfolgt. Es mangle daher an einer tauglichen Verfolgungshandlung innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist.

Diesem Vorbringen kommt jedoch keine Berechtigung zu. Der Meldungsleger wurde nämlich am 18. Mai 1988, somit innerhalb der Verjährungsfrist, als Zeuge vernommen, wobei in dieser Zeugenaussage alle der späteren Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhaltselemente, insbesondere auch hinsichtlich der Tatorte und -zeiten, enthalten sind. Eine solche Zeugenvernehmung stellt aber eine den Eintritt der Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG dar, selbst wenn die Aussage dem Beschwerdeführer erst nach Ablauf der Frist des § 31 Abs. 2 VStG zur Kenntnis gebracht wird (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., Anm. h zu § 32 VStG, S. 882, und die dort zitierte Judikatur). Des weiteren erging u.a. am 19. Mai 1988 ein alle wesentlichen Sachverhaltselemente enthaltender Beschuldigten-Ladungsbescheid an den Beschwerdeführer. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist die Tatortangabe, daß der Überholvorgang bei Straßenkilometer 19,85 stattgefunden hat, als im Sinne des § 44 a lit. a VStG hinreichend konkretisiert anzusehen, mag auch der genannte Überholvorgang eine längere Strecke in Anspruch genommen haben.

Vor allem aber bekämpft der Beschwerdeführer die Feststellungen der belangten Behörde, wonach der Überholvorgang im Bereich einer unübersichtlichen Kurve stattgefunden bzw. die Sperrlinie sichtbar gewesen sei, indem er die Beweiswürdigung rügt und in diesem Zusammenhang die Unterlassung weiterer Ermittlungen geltend macht.

Auch dieses Vorbringen vermag jedoch nicht durchzuschlagen.

Zu dem gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde gerichteten Beschwerdevorbringen ist daran zu erinnern, daß die Würdigung der Beweise, auf Grund deren der Sachverhalt angenommen wurde, nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, als es sich um die Prüfung handelt, ob der Denkvorgang der Beweiswürdigung schlüssig ist, d.h. mit den Denkgesetzen im Einklang steht, und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1985, Zl. 85/18/0034).

Die belangte Behörde hat die maßgebenden Feststellungen auf die im wesentlichen übereinstimmenden Angaben der beiden Gendarmeriebeamten als Zeugen gestützt, wonach der Überholvorgang auf der B 99 im Bereich einer unübersichtlichen Kurve erfolgt sei. Diese stehen auch mit dem Gutachten des Amtssachverständigen im Einklang, der nach einem Lokalaugenschein ebenfalls zum Vorliegen eines unübersichtlichen Kurvenverlaufes gelangte. Hingegen hat der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren lediglich die Übertretungen bestritten, aber keine konkreten Ausführungen gemacht, geschweige denn eine schlüssige Gegendarstellung gegeben. Dem Beschwerdeführer ist zwar beizupflichten, daß verschiedene Berechnungen des Amtssachverständigen von Fahrgeschwindigkeiten ausgehen, die auf Zirka-Werten beruhen, zumal hiefür verbindliche Angaben, die auch bei derartigen Situationen in der Regel mit Unsicherheit behaftet sind, fehlen. Er übersieht jedoch, daß das entgegenkommende Gendarmeriefahrzeug abgebremst und nach rechts zum Fahrbahnrand ausgelenkt werden mußte, um eine Kollision zu vermeiden, woraus sich eindeutig ergibt, daß eben die Sichtverhältnisse in Verbindung mit den eingehaltenen Geschwindigkeiten ein gefahrloses Überholen nicht zuließen. Die Meinung des Beschwerdeführers, das Gutachten des Amtssachverständigen sei schon deshalb unzutreffend, weil es auf Grund der von ihm festgestellten Fahrbahnbreite auf jeden Fall zufolge Überdeckung der Fahrzeuge zu einer Kollision hätte kommen müssen, findet in der Aktenlage keine Deckung. Gegen die Beweiswürdigung bestehen keine Bedenken. Für die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 2 lit. b StVO ist es im übrigen bedeutungslos, ob tatsächlich im Zeitpunkt des Überholmanövers Gegenverkehr herrschte oder nicht. Das Überholen ist ohne Berücksichtigung der Geschwindigkeiten der Fahrzeuge verboten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1979, Zl. 2971/78).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch die Meinung des Beschwerdeführers nicht zu teilen, daß in Ansehung der Übertretung nach § 9 Abs. 1 StVO entweder die Annahme, es seien besonders gefährliche Verhältnisse wegen Sichtbehinderung durch nasse Fahrbahn und Regen vorgelegen, oder die, es sei die Sperrlinie sichtbar gewesen, unzutreffend sein müsse. Abgesehen davon, daß der Überholvorgang, hinsichtlich dessen das Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse angenommen wurde, sich an einem mehrere Kilometer entfernten Tatort ereignet hat, besagt der Umstand, daß die Sichtverhältnisse auch hier durch die nasse Fahrbahn und den Regen ein Überholmanöver beeinträchtigt hätten, nicht, daß damit auch eine Sperrlinie, die ja unmittelbar vor dem in Bewegung befindlichen Fahrzeug auftaucht, nicht sichtbar sein kann. Da die beiden Gendarmeriebeamten, die dem Beschwerdeführer auf der B 146, nachdem es zu dem zunächst inkriminierten Überholvorgang auf der B 99 gekommen war, nachfuhren, die Sperrlinie deutlich wahrnehmen konnten, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie zu der Feststellung gelangte, daß die Sichtbarkeit der Sperrlinie auch für den Beschwerdeführer gegeben war. Dem Beschwerdeführer wurde auch die Übertretung nach § 9 Abs. 1 StVO nicht unter der Annahme des § 99 Abs. 2 lit. c StVO zur Last gelegt. Dem Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse in Ansehung der Übertretung nach § 16 Abs. 2 lit. b StVO wurde vom Beschwerdeführer mit keinen, geschweige denn stichhaltigen Argumenten entgegengetreten.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild) Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1989030302.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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