Index
90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §4 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. August 1990, Zl. VerkR - 13.709/1-1990-II/Bi, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. August 1990 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 3. Oktober 1989 um 22.15 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw an einem näher beschriebenen Ort gelenkt und habe es unterlassen 1) nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden (Kollision mit einem entgegenkommenden Pkw), mit dem sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, sofort den Pkw anzuhalten, 2) von diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedieststelle zu verständigen, 3) an der erforderlichen Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken (nach dem Unfall mit Sachschaden habe er Alkohol konsumiert, wodurch eine mögliche Alkoholisierung schon zum Unfallzeitpunkt verschleiert worden sei); weiters hätten 4) in der Folge beim Beschwerdeführer starker Alkoholgeruch aus dem Mund und gerötete Augenbindehäute, eine veränderte Aussprache und ein schwankender Gang festgestellt werden können, wobei der Beschwerdeführer am 3. Oktober 1989 gegen 23.50 Uhr an einem näher beschriebenen Ort die von einem besonders geschulten und von der Behörde ermächtigten Organ der Gendarmerie verlangte Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen und zwar zu 1) nach § 4 Abs. 1 lit. a, zu 2) nach § 4 Abs. 5, zu 3) nach § 4 Abs. 1 lit. c und zu 4) nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 jeweils der Straßenverkehrsordnung 1960 begangen. Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, (lit. a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten und (lit. c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Nach § 4 Abs. 5 leg. cit. haben die im Abs. 1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Voraussetzung für die Anhalte-, die Mitwirkungs- und die Meldepflicht ist als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1989, Zl. 89/03/0046). Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß es anläßlich des in Rede stehenden Vorfalles zu einem Sachschaden (Beschädigung des Außenspiegels des entgegenkommenden Pkws) gekommen ist, er bringt allerdings vor, die belangte Behörde hätte einen Sachverständigen zur Klärung der Frage beiziehen müssen, ob der Beschwerdeführer bei gehöriger Aufmerksamkeit die "Streifung" hätte bemerken müssen.
Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof allerdings nicht beizupflichten. Auf Grund der unbestritten erfolgten Kontaktierung der beiden Pkw's ist davon auszugehen, daß sich diese einander schon vor derselben gefahrbringend genähert haben. Bei dieser Situation war der Beschwerdeführer sogar verpflichtet, dem entgegenkommenden Pkw eine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden (vgl. zu anderen Situationen, die eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordern, die hg. Erkenntnisse vom 28. März 1985, Zl. 85/02/0072, vom 28. März 1990, Zl. 89/03/0176, und vom 19. Jänner 1990, Zl. 89/18/0199). Da der Beschwerdeführer weiters zugegeben hatte, anläßlich der Vorbeifahrt des entgegenkommenden Pkws einen "Knall" gehört zu haben, ist davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer die unter den gegebenen Umständen gebotene Aufmerksamkeit nicht aufgewendet hat. Sollte dies dazu geführt haben, daß ihm der Eintritt eines Sachschadens nicht sogleich zur Kenntnis gelangt ist, so ist ihm dies als Verschulden anzulasten. Der Einholung eines diesbezüglichen Sachverständigengutachtens bedurfte es sohin nicht.
Was die Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO anlangt, so entspricht es der hg. Rechtsprechung (vgl. das vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis vom 24. Februar 1982, Zl. 03/3848/80), daß die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes grundsätzlich auch das Verbot einschließt, nach dem Unfall Alkohol zu trinken, wenn dadurch die Feststellung, ob im Zeitpunkt des Unfalles ein durch Alkohol beeinträchtigter Zustand gegeben war, erschwert werden kann, und zwar unabhängig davon, ob vor dem Unfall Alkohol konsumiert wurde oder nicht; das Verbot besteht so lange, als mit einer amtlichen Tatbestandsaufnahme, zu der auch die Feststellung eines allfälligen alkoholbeeinträchtigten Zustandes des Lenkers im Unfallszeitpunkt gehört, gerechnet werden muß.
Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, im konkreten Fall sei die "Schadenssache vollständig reguliert" gewesen und habe der Zeuge E. (der Lenker des entgegenkommenden Pkws) keinerlei Andeutung gemacht, die Gendarmerie einschalten zu wollen. Für den Beschwerdeführer sei die Sache mit seinem Schuldeingeständnis und der Zusage, für die Reparaturkosten aufzukommen, "erledigt" gewesen, zumal auf dem (von ihm unterfertigten und dem Zeugen E. ausgehändigten) Zettel "Namen, Kennzeichen und Marke des Pkws" deutlich eingetragen gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe auf Grund der einvernehmlichen Regelung und der Umstände nicht damit rechnen können, daß später eine Atemluftkontrolle stattfinden könnte und er sich deshalb des Genusses alkoholischer Getränke zu enthalten habe.
Damit verkennt der Beschwerdeführer in mehrfacher Hinsicht die Rechtslage: Nach dem oben angeführten hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1982, Zl. 03/3848/80, besteht eine Mitwirkungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. c StVO immer dann, wenn es zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Dies ist u.a. der Fall, wenn ein Identitätsnachweis nicht erfolgte und eine Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 5 StVO gegeben ist. Der Beschwerdeführer übersieht, daß von einem Identitätsnachweis im Sinne des § 4 Abs. 5 zweiter Satz StVO nur dann gesprochen werden kann, wenn dies durch Vorweisen eines amtlichen Lichtbildausweises erfolgt (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1990, Zl. 89/03/0108). Die Durchführung eines solchen Identitätsnachweises behauptet auch der Beschwerdeführer nicht. Daß aber der Beschwerdeführer im Sinne des zitierten hg. Erkenntnisses vom 24. Februar 1982, Zl. 03/3848/80, nicht mehr mit einer amtlichen Tatbestandsaufnahme rechnen mußte, ist nicht erkennbar: Dies einerseits, weil der Beschwerdeführer selbst auf dem Boden seiner Sachverhaltsdarstellung mangels Feststellung seiner Identität keineswegs ausschließen konnte, daß der andere Pkw-Lenker das Einschreiten behördlicher Organe initiiert, und andererseits deshalb, weil der seit dem Verkehrsunfall verstrichene Zeitraum durchaus noch verwertbare Ergebnisse einer allfälligen Atemluftprobe auf Alkoholgehalt erwarten ließ (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1990, Zl. 89/18/0184) und die Mitwirkungspflicht jedenfalls so lange bestand (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. März 1981, Zl. 02/2245/80).
Auch der Schuldspruch nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO ist nicht als rechtswidrig zu erkennen: Der Beschwerdeführer übersieht mit seinem, auf diesbezügliche Zeugenaussagen bezugnehmenden Vorbringen, daß für die im § 5 Abs. 2 StVO festgelegte Verpflichtung des Fahrzeuglenkers, seine Atemluft auf Alkohol untersuchen zu lassen, nicht entscheidend ist, ob der Lenker tatsächlich durch Alkohol beeinträchtigt ist, sondern nur der Umstand, ob Straßenaufsichtsorgane eine Alkoholbeeinträchtigung des Lenkers vermuten konnten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Oktober 1990, Zl. 89/02/0185). Daß im Beschwerdefall eine solche Vermutung angebracht war, ergibt sich, abgesehen von den im Spruch des im Instanzenzug ergangenen Bescheides angeführten Alkoholisierungsmerkmalen - aus dem vom Beschwerdeführer gegenüber dem Gendarmeriebeamten selbst zugegebenen Alkoholkonsum vor Antritt der Fahrt (vgl. das soeben zitierte hg. Erkenntnis vom 31. Oktober 1990). Im übrigen entspricht es der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das zitierte Erkenntnis vom 11. Mai 1990, Zl. 89/18/0184), daß mit der Begründung, nach Beendigung der Lenkertätigkeit Alkohol zu sich genommen zu haben (sogenannter Nachtrunk), die Vornahme der Atemluftprobe nicht verweigert werden darf.
Die sohin zur Gänze unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Mitwirkung und Feststellung des SachverhaltesAlkotest VoraussetzungMeldepflichtNachtrunkFeststellung der Alkoholbeeinträchtigung NachtrunkIdentitätsnachweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990020165.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010