TE Vwgh Erkenntnis 1991/1/23 90/02/0138

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Veröffentlicht am 23.01.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §8 Abs4 idF 1983/174;
VStG §24;
VStG §25 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 11. Juni 1990, Zl. Ib-182-262/89, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 11. Juni 1990 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 8 Abs. 4 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 6. Februar 1989 um 10.35 Uhr mit dem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in Bregenz "auf der Montfortstraße, Höhe HNr. 17, Richtung Römerstraße", den Gehsteig vorschriftswidrig benützt habe, indem er das Fahrzeug auf dem Gehsteig abgestellt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer vermengt in der Beschwerde die dem vorliegenden Beschwerdefall zugrundeliegende, sich aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit dem (damit vollinhaltlich übernommenen) Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 29. August 1989 ergebende strafbare Handlung vom 6. Februar 1989 um 10.35 Uhr in Bregenz "auf der Montfortstraße, Höhe HNr. 17, Richtung Römerstraße" mit der Tat, die zwar ebenfalls eine Übertretung des Beschwerdeführers nach § 8 Abs. 4 StVO 1960 betroffen hat, allerdings vom 15. Dezember 1988 um 9.00 Uhr in Bregenz "auf der Montfortstraße, Höhe Haus Nr. 13", und die Gegenstand eines anderen Verwaltungsstrafverfahrens war, in dem mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. Juli 1990, Zl. Ib-182-258/89, das insofern ergangene erstinstanzliche Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 1. August 1989 (wegen unrichtiger Bezeichnung des Tatortes) aufgehoben worden ist. Beide Straffälle haben unmittelbar miteinander nichts zu tun, doch geht aus der Beschwerde zweifelsfrei hervor, daß sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt stellt, er habe seinen Pkw (auch zur gegenständlichen Tatzeit) nicht am angeführten Tatort ("Höhe HNr. 17"), sondern - ebenso, wie sich, seiner Verantwortung entsprechend, hinsichtlich des genannten Vorfalles vom 15. Dezember 1988 letztlich herausgestellt habe, auf Höhe des ehemaligen Hauses Nr. 15, und zwar neben der dort befindlichen Werbesäule auf einem "Vorplatz" und daher nicht auf einem Gehsteig im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 10 StVO 1960, abgestellt gehabt.

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides von den Angaben des Meldungslegers in der Anzeige, wonach der Pkw des Beschwerdeführers "auf Höhe Haus Nr. 17" zur Gänze auf einem Gehsteig abgestellt gewesen sei, ausgegangen und hat eine zeugenschaftliche Vernehmung des Meldungslegers für entbehrlich gehalten, weil der Beschwerdeführer diesen Tatort nicht bestritten habe und sich dort, wie einer von ihr eingeholten Skizze zu entnehmen sei, kein vom Beschwerdeführer behaupteter "Vorplatz" befinde. Der Beschwerdeführer hat seinen Einspruch gegen die erstinstanzliche Strafverfügung nicht begründet, und es wurde ihm auch im erstinstanzlichen Verfahren nicht Gelegenheit gegeben, eine Begründung nachzuholen. Seine Berufung gegen das Straferkenntnis vom 29. August 1989 begründete er wie folgt:

"Wie ich bereits im Strafverfahren zur Zahl: X-2979/89" (dabei handelte es sich um jenes, das sich auf den Vorfall vom 15. Dezember 1988 bezog) "ausgeführt habe, stellte ich den Pkw nicht auf dem Gehsteig ab. Der Pkw stand auf dem Vorplatz des Hauses Montfortstr. 17, wodurch der Fußgängerverkehr auf dem Gehsteig nicht behindert wurde. Das Überfahren des Gehsteiges zu einem Vorplatz ist gemäß § 8 StVO zulässig. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz hat über die Breite des Gehsteiges und über das Vorhandensein des Vorplatzes keinerlei Feststellungen getroffen. Bereits beim ersten Fall habe ich unmittelbar nach der Beanstandung durch den Polizeibeamten ein Foto angefertigt, aus welchem der genaue Standort des Fahrzeuges ersichtlich ist." Der Beschwerdeführer hat damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sein Pkw an der gleichen Stelle abgestellt gewesen sei wie beim früheren Vorfall und er sich demnach in diesem Verwaltungsstrafverfahren auf die gleiche Weise wie im anderen Verwaltungsstrafverfahren rechtfertige. Daran vermag der Umstand, daß der Beschwerdeführer hiebei von einem "Vorplatz des Hauses Montfortstr. 17" gesprochen hat, im Hinblick auf die mehrmalige ausdrückliche Bezugnahme auf den in diesem Zusammenhang maßgebenden Sachverhalt im anderen gegen ihn anhängigen Verwaltungsstrafverfahren nichts zu ändern. Diese Rechtfertigung hat der Beschwerdeführer auch beibehalten, nachdem ihm das Ermittlungsergebnis unter Anschluß der eingeholten Skizze samt Begleitschreiben des Amtes der Landeshauptstadt Bregenz, Städtische Sicherheitswache, in welchem es heißt: "Der Gehsteig bzw. die öffentliche Verkehrsfläche auf Höhe HNr. 15 (ehemaliges Haus 'Stefan') an der Montfortstraße hat an der breitesten Stelle 7.20 Meter. Auf Höhe HNr. 17 (ehemalige Fa. Lutz u. Weber - heutige Interunfallversicherung) eine Breite von 2.20 Meter. (Siehe Skizze)", vorgehalten worden war. Die dazu abgegebene schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 3. Mai 1990 lautete nämlich: "Laut Skizze - welche vom Amt der Landeshauptstadt Bregenz mitgeschickt wurde - ist eindeutig ein Unterschied zwischen Gehsteig und der sonstigen öffentlichen Verkehrsfläche gegeben. Der Gehsteig zieht sich in der Breite von ca. 2,20 m über die gesamte Länge der Montfortstraße. Auch im Schreiben der Polizei Bregenz steht, daß es sich bei dieser Fläche um eine öffentliche Verkehrsfläche handelt und nicht dezidiert um einen Gehsteig. Auch aus der Formulierung 'Gehsteig bzw. öffentliche Verkehrsfläche' ergibt sich eindeutig, daß sich nicht einmal die Polizei sicher ist, ob es sich bei diesem Platz um einen Gehsteig handelt oder nicht. Wenn die Behörde zur Ansicht gelangen sollte, daß ich meinen Pkw trotzdem auf einem Gehsteig abgestellt hätte, so kann mir dies nicht zum Vorwurf gemacht werden, da sich nicht einmal die Polizei auskennt." Auch damit hat der Beschwerdeführer zu erkennen gegeben, daß sein Pkw nicht auf Höhe des Hauses Nr. 17, sondern auf Höhe des (ehemaligen) Hauses Nr. 15 abgestellt gewesen sei, zumal nur diesbezüglich in dem zitierten Begleitschreiben von einen "Gehsteig bzw." einer "öffentlichen Verkehrsfläche" die Rede ist und der Beschwerdeführer dazu Stellung nimmt. Die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe "zu keinem Zeitpunkt" bestritten, "sein Fahrzeug zur Tatzeit am Tatort abgestellt zu haben", und er habe Angaben gemacht, "die mit den Verhältnissen vor Ort nicht übereinstimmen", ist daher nicht stichhältig. Die Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift, beim Beschwerdevorbringen handle es sich um eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung, kann nicht geteilt werden. Vielmehr stellt es bei verständiger Würdigung seines Vorbringens im Verwaltungsstrafverfahren bloß eine Wiederholung der bisherigen Verantwortung des Beschwerdeführers dar.

Es liegen demnach wesentliche Mängel der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde, die der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner ihm zustehenden Prüfungsbefugnis wahrzunehmen hat (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053), vor, zumal die belangte Behörde auf Grund der dem Inhalt der Anzeige widersprechenden Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers verpflichtet gewesen wäre, den Meldungsleger als Zeugen über den genauen Standort des Pkws des Beschwerdeführers zu befragen (vgl. insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1978, Slg. Nr. 9602/A). Dabei hätte geklärt werden können, ob nicht (bereits) dem Meldungsleger hinsichtlich der Bezeichnung des Tatortes in der Anzeige ein Irrtum unterlaufen ist, welcher schon deshalb nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden könnte, weil das Haus Nr. 15 nicht mehr existiert und der vom Beschwerdeführer behauptete Standort deshalb, weil nach der Skizze zwischen den Liegenschaften Nr. 15 und Nr. 17 eine Straße in die Montfortstraße einmündet, dem (Eck-) Haus Nr. 17 gegenüberliegt. Ob diese Verkehrsfläche auch als Gehsteig zu qualifizieren wäre und sich demnach der Beschwerdeführer ebenfalls gemäß § 8 Abs. 4 StVO 1960 strafbar gemacht hätte, kann - abgesehen davon, daß die für diese Beurteilung erforderlichen Feststellungen fehlen - unerörtert bleiben, weil der Beschwerdeführer im Falle der Richtigkeit seines Vorbringens mit dem angefochtenen Bescheid für eine Tat bestraft worden wäre, die er zufolge eines anderen Tatortes gar nicht begangen hat.

Da somit die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von Amtspersonen Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990020138.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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