Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
StVO 1960 §4 Abs1 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. September 1990, Zl. I/7-St-H-89373, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. September 1990 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Fahrzeuges 1) am 19. Juni 1989 nach dem Verkehrsunfall um ca. 12.10 Uhr an einem näher beschriebenen Ort, die Ordination des Gemeindearztes Dr. M. verlassen, sich nach Hause und anschließend ins Gasthaus N. begeben und bis gegen 13.40 Uhr alkoholische Getränke konsumiert, somit bei einem Verkehrsunfall an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt, obwohl das Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, 2) am 19. Juni 1989 um 13.50 Uhr an einem näher beschriebenen Ort die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl er das Fahrzeug am 19. Juni 1989 um 12.10 Uhr an einem näher beschriebenen Ort gelenkt habe und vermutet werden konnte, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen und zwar zu 1) nach § 4 Abs. 1 lit. c und zu 2) nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO begangen. Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt und Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
ZUR VERWALTUNGSÜBERTRETUNG NACH § 4 ABS. 1 LIT. C STVO:
Zunächst ist klarzustellen, daß der Verwaltungsgerichtshof den diesbezüglichen Spruch des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit dessen Begründung dahin versteht, daß dem Beschwerdeführer als Nichtmitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes im wesentlichen der Konsum von Alkohol nach dem in Rede stehenden Verkehrsunfall zum Vorwurf gemacht wird, sodaß es sich bei der weiteren Beschreibung des Verhaltens des Beschwerdeführers, wohin er sich nach dem Verlassen der Ordination begeben habe, um unwesentliche Nebenumstände handelt. Es erübrigt sich daher, auf das Beschwerdevorbringen, soweit es sich mit diesen "Nebenumständen" auseinandersetzt, näher einzugehen. Insbesondere ist sohin für den Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1986, Zl. 84/03/0196, nichts gewonnen, weil es sich dort um einen anders gelagerten Beschwerdefall gehandelt hat.
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 90/02/0165) schließt die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes grundsätzlich auch das Verbot ein, nach dem Unfall Alkohol zu trinken, wenn dadurch die Feststellung, ob im Zeitpunkt des Unfalles ein durch Alkohol beeinträchtigter Zustand gegeben war, erschwert werden kann, und zwar unabhängig davon, ob vor dem Unfall Alkohol konsumiert wurde oder nicht; das Verbot besteht so lange, als mit einer amtlichen Tatbestandsaufnahme, zu der auch die Feststellung eines allfälligen alkoholbeeinträchtigten Zustandes des Lenkers im Unfallszeitpunkt gehört, gerechnet werden muß. Dies ist - u.a. - immer der Fall, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 2 StVO besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 1985, Zl. 85/03/0129). Eine solche Verständigungspflicht bestand jedenfalls für den "Unfallsgegner", weil der Beschwerdeführer bei diesem Verkehrsunfall verletzt worden war (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1990, Zl. 90/03/0147).
Zu Recht verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift auf das hg. Erkenntnis vom 13. März 1981, Zl. 02/2245/80, wonach die Feststellung des Sachverhaltes keineswegs nur am Unfallsort in Betracht kommt und die Mitwirkungspflicht jedenfalls so lange besteht, als die Untersuchungen noch ein brauchbares Ergebnis zeigen können. Der Beschwerdeführer war daher so lange nicht berechtigt, Alkohol zu sich zu nehmen, als eine Überprüfung seiner Person auf eine allfällige Alkoholisierung zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles noch brauchbare Ergebnisse hätte ergeben können. Diese Annahme der belangten Behörde vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig zu erkennen, da zwischen dem Verkehrsunfall und dem (End-)Zeitpunkt des Konsums von Alkohol durch den Beschwerdeführer erst ein Zeitraum von ca. eineinhalb Stunden verstrichen war (vgl. dazu die unten stehenden Ausführungen zu § 5 Abs. 2 StVO). Soweit der Beschwerdeführer im übrigen die Tatzeit rügt, vermag ihm der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten, ergibt sich doch aus dem im Instanzenzug ergangenen Schuldspruch mit genügender Klarheit, daß sich der Verkehrsunfall um ca. 12.10 Uhr ereignete und der Beschwerdeführer bis gegen 13.40 Uhr Alkohol konsumiert hat. Zur Abänderung der Tatzeitangabe war die belangte Behörde aber im Grunde des § 66 Abs. 4 AVG 1950 berechtigt und verpflichtet, wobei erwähnt wird, daß eine diesbezügliche, rechtzeitige Verfolgungshandlung im Zurkenntnisbringen der Anzeige gegenüber dem Vertreter des Beschwerdeführers am 10. August 1989 samt Aufforderung zur Rechtfertigung zu erblicken ist (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. Nr. 11 525/A). Ein Fall des § 65 VStG 1950 lag nicht vor, weil ja der Berufung nicht einmal teilweise Folge gegeben oder die Strafe abgeändert worden ist; daher wurde § 64 Abs. 1 und 2 VStG 1950 zu Recht angewendet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1985, Zlen. 85/02/0085, 0086). Die Beschwerde erweist sich sohin, soweit sie sich gegen die Bestrafung wegen Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO wendet, als unbegründet.
ZUR VERWALTUNGSÜBERTRETUNG NACH § 99 ABS. 1 lit. B IN VERBINDUNG MIT § 5 ABS. 2 STVO:
In Hinsicht auf diese Verwaltungsübertretung kommt es darauf an, ob vermutet werden kann, daß sich der Betroffene im Zeitpunkt des Lenkens in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat, wenngleich die Wahrnehmung, die zur Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung führt, nicht im Zeitpunkt des Lenkens gemacht werden muß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. November 1989, Zl. 89/03/0170). Der Beschwerdeführer verkennt daher mit seinem Vorbringen, weder der "Unfallgegner" noch der Gemeindearzt hätten behauptet, beim Beschwerdeführer Alkoholisierungsmerkmale festgestellt zu haben, die Rechtslage, da es darauf ankam, ob die die Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO rechtfertigenden Umstände im Zeitpunkt der Amtshandlung dem Straßenaufsichtsorgan gegenüber vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1989, Zl. 89/02/0022), was die belangte Behörde auf Grund der diesbezüglichen Aussage des Gendarmeriebeamten Z. in unbedenklicher Weise annehmen konnte, da dieser beim Beschwerdeführer starken Mundalkoholgeruch und gerötete Augenbindehäute festgestellt hatte. Ob der Beschwerdeführer tatsächlich alkoholisiert war, darauf kam es nicht an (vgl. auch dazu das soeben zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1989). Da das Lenken des Fahrzeuges durch den Beschwerdeführer (der Verkehrsunfall) um 12.10 Uhr erfolgte, waren bis zum Zeitpunkt der Aufforderung zum Alkotest um
13.50 Uhr 1 Stunde und 40 Minuten verstrichen, was nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Mai 1990, Zl. 89/03/0070) jedenfalls noch verwertbare Ergebnisse einer allfälligen Atemluftprobe auf Alkohol erwarten ließ. Schließlich entspricht es der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das zitierte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 90/02/0165), daß mit der Begründung, nach Beendigung der Lenkertätigkeit Alkohol zu sich genommen zu haben (sogenannter Nachtrunk), die Vornahme der Atemluftprobe nicht verweigert werden darf.
Die sohin zur Gänze unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Alkotest Straßenaufsichtsorgan Alkotest Verweigerung Alkotest Voraussetzung Alkotest Zeitpunkt Ort Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Nachtrunk Meldepflicht Mitwirkung und Feststellung des Sachverhaltes NachtrunkEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990020162.X00Im RIS seit
12.06.2001