TE Vwgh Erkenntnis 1991/1/24 90/06/0146

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Veröffentlicht am 24.01.1991
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Index

L80005 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Salzburg;
L82000 Bauordnung;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52 Abs2;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BauRallg;
B-VG Art130 Abs2;
ROG Slbg 1977 §19 Abs3;
ROG Slbg 1977 §2;
ROG Slbg 1977 §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde 1) der HN und

2) des JN gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 6. August 1990, Zl. 7/03-339153/6-1990, betreffend die Versagung einer Bewilligung nach § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Seekirchen), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- und der mitbeteiligten Marktgemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 1. März 1988 beantragten die Beschwerdeführer die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 (ROG) für die Errichtung eines Kleinwohnhauses mit einer Wohnfläche nicht über 160 m2 und angebauter Garage auf einer Teilfläche des Grundstückes Nr. n/1 KG Seekirchen/Land.

Nach Kundmachung des Ansuchens holte die mitbeteiligte Marktgemeinde zur Frage der Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem räumlichen Entwicklungskonzept zunächst ein raumplanerisches Vorgutachten des Dipl.-Ing. P.J.L. vom 6. September 1988 ein, aus dem hervorgeht, daß sich der Bauplatz im Bereich des Hofareals des "X-Gutes" befinde. Das X-Gut verfüge bereits über ein Austragshaus, für ein zweites scheine nach dem Familienstand des Hoferben kein Bedarf zu bestehen. Laut Entwurf des räumlichen Entwicklungskonzeptes verfolge die Marktgemeinde die Planungsabsicht, Einzelbewilligungen für Austragshäuser auf jeweils nur ein Objekt im Hofverband einzuschränken. Das Objekt würde laut Aussage der Beschwerdeführer auch nicht als Austragshaus genutzt werden, sondern ein "Wohnhaus im Grünen" darstellen. Dadurch bedeute das Vorhaben in einem noch höheren Ausmaß einen Akt der bewußten Zersiedelung. Dieses Vorgutachten wurde den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebracht. Mit Schreiben vom 6. Juli 1989 brachten sie u.a. vor, es sei nie um die Errichtung eines "Austragshauses" angesucht worden, sodaß sich eine Stellungnahme zum Familienstand des Hoferben erübrige. Außerdem sei allgemein bekannt, daß das bestehende Austragshaus vermietet werde und dadurch ein Objekt zum Nebenerwerb sei. Von einem Akt der bewußten Zersiedelung könne keine Rede sein, da der Bauplatz im "Bereich des Hofareals" liege. Jeder Hof, der von Wiesen und teilweise von Wald umgeben sei und bewohnt werde, sei u.a. auch ein "Wohnhaus im Grünen". Hierauf erstellte Dipl.-Ing. P.J.L. ein weiteres Gutachten vom 11. August 1989, aus dem hervorgeht, daß die Einschreiter die Errichtung eines ca. 100 Jahre alten, ursprünglich anderorts gestandenen Wohnhauses mit integrierter Garage auf einer Teilfläche der Grundparzelle n/1 KG Seekirchen-Land beabsichtigten. Laut rechtskräftigem Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Marktgemeinde sei das Grundstück als Grünland gewidmet. Es sei dem Hofareal des X-Gutes (Bauernhof der Beschwerdeführer) zuzuzählen. Die Grundstücks- und zugleich auch Bauplatzfläche werde mit 1237 m2 angegeben. Das Bauvorhaben selbst umfasse eine verbaute Fläche von rund 132 m2 und solle laut Einreichplan mit einem Keller-, einem Erd- und einem Obergeschoß ausgestattet werden. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens und bei Ortsaugenscheinen am 8. Juni 1988 und 10. August 1989 habe festgestellt werden können, daß es sich bei der beabsichtigten Bauplatzfläche um den Teil eines großen und zusammenhängenden Grünlandgebietes handle, das eindeutig durch die vorherrschende land- und forstwirtschaftliche Nutzung geprägt werde. Diese Tatsache werde auch durch die in der Umgebung vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebe dokumentiert. Der Bauplatz liege östlich des "Mühlberg-Kirchleins" und sei, wie auch der benachbarte X-Hof, auf Grund seiner Hang- bzw. Hügellage ausgesprochen exponiert. Der X-Hof verfüge bereits über ein Austragshaus, das jedoch zum Zwecke des Nebenerwerbes nicht selbst genützt, sondern weitervermietet werde. Auf diesen Tatbestand werde deshalb aufmerksam gemacht, weil die Beschwerdeführer ausdrücklich darauf verwiesen, kein Austragshaus, sondern ein "Kleinwohnhaus mit Garage" errichten zu wollen. Im § 1 Abs. 1 lit. b der "Verordnung über Unterlagen für Einzelbewilligung" werde die Angabe über die Art des Verwendungszweckes des eingereichten Bauvorhabens als erforderlich angeführt. Ein "Wohnhaus im Grünen" könne nicht als Begründung ausreichen, wenn sowohl Bauernhaus als auch Austragshaus vorhanden seien, der Hoferbe einziges Kind des Einreicherehepaares und somit kein Eigenbedarf für ein weiteres Wohnhaus gegeben sei. Zudem sei von den Einschreitern mitgeteilt worden, daß das beabsichtigte Wohnhaus von einer hoffremden Person errichtet und benützt werden solle. Angesichts dieses Sachverhaltes lasse sich eindeutig ein Widerspruch zur grundsätzlichen Planungsabsicht der Gemeinde, die im Entwurf zum räumlichen Entwicklungskonzept ausgedrückt werde, ableiten. Dort werde festgestellt, daß "Bautätigkeiten grundsätzlich nur in entsprechend gewidmeten Gebieten ....."

erfolgen sollen und daß "Einzelbewilligungen nur aus zwingenden Gründen genehmigt werden sollten, wobei für die Beurteilung rein wirtschaftliche Überlegungen allein grundsätzlich nicht zur Begründung herangezogen werden sollten. Ferner seien Einzelbewilligungen für Austragshäuser jeweils auf ein Objekt im Hofverband einzuschränken". Allein schon wegen des Fehlens dieser Übereinstimmung mit der Planungsabsicht der Gemeinde bzw. den Aussagen des räumlichen Entwicklungskonzeptes müsse das Ansuchen abgelehnt werden. Weiters wird in diesem Gutachten ausgeführt, daß das eingereichte Wohnprojekt nicht der, laut § 19 Abs. 3 ROG mit 200 m2 limitierten Gesamtgeschoßfläche entspreche, sondern diese überschreite und die Wasseranalyse vom 17. März 1988 einerseits eine Trinkwassereignung zum Untersuchungszeitpunkt bestätigte, andererseits aber auch den Hinweis enthalte, daß es in Zukunft zu Problemen mit der Wasserqualität kommen könne. Das eingereichte Projekt widerspreche somit nicht nur der grundsätzlichen, vom Gesetzgeber verfolgten Planungsabsicht, sondern verstoße auch gegen die formalen Erfordernisse des § 19 Abs. 3 ROG. Es könne daher der Gemeindevertretung nicht empfohlen werden, die Einzelbewilligung zu erteilen.

Mit Bescheid vom 23. April 1990 gab die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Ansuchen der Beschwerdeführer betreffend die Erteilung einer Bewilligung nach § 19 Abs. 3 ROG keine Folge. Das Gutachten des Dipl.-Ing.P.J.L. vom 11. August 1989 wurde in der Begründung des Bescheides vollständig wiedergegeben; weiters wurde zur Begründung ausgeführt, die Gemeindevertretung habe sich in ihrer Sitzung am 19. September 1989 der Auffassung des Gutachters vollinhaltlich angeschlossen und den Beschluß gefaßt, der beantragten Einzelbewilligung die Zustimmung zu versagen.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. August 1990 als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde habe sich zu Recht dem Raumordnungsgutachten ihres langjährigen Ortsplaners angeschlossen, dessen profunde Sach- und Ortskenntnis sowie laufende Befassung mit Raumordnungsaufgaben der belangten Behörde ihn ungeachtet der Vorschrift des § 52 Abs. 1 AVG 1950 zur Abgabe von Gutachten im besonderen Maße befähigten. Dipl.-Ing. P.L. habe an der Technischen Universität das Fachstudium für Landesplanung und Raumordnung mit der zugehörigen Graduierung abgeschlossen und damit auch die gesetzliche Befähigung zur Erstellung des verfahrensgegenständlichen Gutachtens erlangt. Das letztere sei in Befund und Gutachten getrennt, logisch begründet und die belangte Behörde sehe keinen Grund, die fachlichen Aussagen des Gutachtens aus welchen Gründen immer in Zweifel zu ziehen bzw. durch den Inhalt des gemeindlichen Ermittlungsverfahrens als nicht gedeckt zu erachten. Wenn auch die Rüge der Beschwerdeführer hinsichtlich der Gesamtgeschoßfläche des Bauvorhabens zuträfe, also nach den vorgelegten Plänen der gesetzliche Grenzwert von 200 m2 nicht überschritten werde, so könne dieser Umstand für sich allein nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen. Dasselbe treffe hinsichtlich der Wiederaufstellung eines alten Bauernhauses zu, zumal letzteres nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb des X-Bauerngutes eingegliedert werden, sondern privaten Wohnzwecken dienen soll. Wie aus der Begründung des Bescheides der Gemeindevertretung ersichtlich sei, widerspreche nach Ansicht der Gemeinde das gegenständliche Ansuchen den gegebenen und vorausschaubaren Strukturverhältnissen im Sinne des § 10 Abs. 2 ROG. Die Beschwerdeführer gäben selbst zu, daß das Bauvorhaben durch Hoffremde errichtet und bewohnt werden solle, also ein Kausalzusammenhang weder zum Ablauf des landwirtschaftlichen Betriebsgeschehens am X-Gut noch zur Familie der Eigentümer des Anwesens bestehe. Auch die von den Beschwerdeführern ins Spiel gebrachte Frage, die Verwirklichung des Bauvorhabens würde eine stil- und artgerechte Ergänzung und Verschönerung ihres Anwesens bewirken, könne daran nichts ändern, daß die vor Ort gegebene und angestrebte Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur, welche rein bäuerlicher Provenienz sei, bei Verwirklichung des Bauvorhabens abträglich beeinflußt würde. Zusammenfassend sei daher zu sagen, daß eine widmungsfremde Nutzung des Grünlandes durch die Verbauung mit einem Wohnhaus samt Garage, möge diese auch in der Neuerrichtung eines jahrhundertealten Bauernhauses bestehen, wobei die rein private Wohnnutzung erhalten bliebe, schon den grundsätzlichen, im Flächenwidmungsplan zum Ausdruck gebrachten Raumordnungsgedanken widersprechen würde. Entscheidend sei auch die im Gutachten vom 11. August 1989 zutreffend wiedergegebene Aussage des räumlichen Entwicklungskonzeptes (REK) der mitbeteiligten Marktgemeinde, wonach Einzelbewilligungen nur aus zwingenden Gründen erteilt werden sollten, wobei für die Beurteilung rein wirtschaftliche Überlegungen allein grundsätzlich nicht zur Begründung herangezogen werden sollten. Solche "ganz besonders wichtigen Gründe" zur Rechtfertigung der angestrebten Einzelbewilligung hätten die Beschwerdeführer im gemeindlichen Ermittlungsverfahren nicht vorgebracht, noch seien solche dem Gemeindeakt zu entnehmen. Dieser Umstand rechtfertige schon für sich allein die im Spruch des angefochtenen Bescheides getroffene Entscheidung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Marktgemeinde erstatteten Gegenschriften erwogen:

Für den Beschwerdefall sind insbesondere folgende Bestimmungen des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 (ROG), LGBl. Nr. 26 in der Fassung der Novellen LGBl. Nr. 52/1984 und 57/1987 (letztere in Kraft seit 1. September 1987), von Bedeutung:

"§ 19

(1) Maßnahmen, die sich auf den Raum auswirken und die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften einer Bewilligung, Genehmigung oder dgl. der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich oder einer sonstigen, auf Grund baurechtlicher Vorschriften des Landes zu erteilenden Bewilligung o.dgl. bedürfen, können vom Zeitpunkt der Wirksamkeit des Flächenwidmungsplanes an nur in Übereinstimmung mit der Flächenwidmung, insbesondere Bauplatzerklärungen und Baubewilligungen nur innerhalb des Baulandes (§ 12) und entsprechend der festgelegten Nutzungsart bewilligt, genehmigt oder sonst zugelassen werden. ........

.....

(3) Die Wirkungen des Flächenwidmungsplanes gemäß Abs. 1 können, wenn es sich nicht um Apartmenthäuser, Feriendörfer oder Wochenendsiedlungen oder um Einkaufszentren handelt, für bestimmte Grundflächen von der Gemeindevertretung (in der Stadt Salzburg vom Gemeinderat) auf Ansuchen des Grundeigentümers durch Bescheid ausgeschlossen und ein genau bezeichnetes Vorhaben raumordnungsmäßig bewilligt werden, wenn dieses dem räumlichen Entwicklungskonzept bzw. der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht nicht entgegensteht und bei Bauvorhaben für Wohnbauten (ausgenommen bei überwiegend landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Bauten) eine Gesamtgeschoßfläche von 200 m2 nicht überschreitet. Vor dieser im behördlichen Ermessen gelegenen Bewilligung sind die Anrainer zu hören und ist das Ansuchen sechs Wochen lang ortsüblich kundzumachen. Die im § 16 Abs. 1 genannten Personen und Einrichtungen sind berechtigt, Anregungen vorzubringen. Anregungen und sonstige Vorbringen zum Ansuchen sind in die Beratungen zur bescheidmäßigen Erledigung einzubeziehen. Die Bewilligung bedarf der Genehmigung der Bezirkshauptmannschaft, in der Stadt Salzburg der Genehmigung der Landesregierung. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Bewilligung gesetzwidrig ist oder einen Tatbestand des § 17 Abs. 3 bewirken würde. ....

....."

"§ 17

.....

(3) Die Landesregierung hat die Genehmigung zu versagen:

a) Bei Fehlen der Bedachtnahme auf die gegebenen oder angestrebten Strukturverhältnisse oder die sonstigen bei der Aufstellung des Flächenwidmungsplanes zu beachtenden Bestimmungen dieses Gesetzes; ......."

Die Beschwerde stützt sich darauf, daß die Errichtung des geplanten Gebäudes nicht dem Planungsziel der Verhinderung einer Zersiedelung der Landschaft widerspreche. Auf dem Grundstück Nr. n/1 stünden bereits zwei Gebäude. Geplant sei nunmehr, daß zu den bereits bestehenden Objekten ein weiteres Haus hinzukomme, das von seiner optischen Gestaltung her mit dem bereits bestehenden Hof übereinstimme. Es entstehe durch die Errichtung dieses Objektes ein sogenannter Ensembleeffekt. Wenn sich um einen landwirtschaftlichen Hof mehrere landwirtschaftliche Gebäude ringen, werde dadurch das typische Bild der vorhandenen Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur nicht gestört. Es komme vielfach vor, daß in Gegenden mit großen landwirtschaftlichen Grünflächen die dazu gehörenden Höfe gebündelt auftreten. Dies störe den Eindruck (eines Außenstehenden) keinesfalls. Zu weit gehe auch die Behauptung, daß die Verbauung des fraglichen Grundstückes der im Flächenwidmungsplan ausgedrückten Planungsabsicht widerspreche, weil in diesem Gebiet jede Siedlungstätigkeit der Planungsabsicht entgegenstehe.

Wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. in seinem Erkenntnis vom 24. März 1983, Zl. 06/2949/80, BauSlg. Nr. 32, ausgesprochen hat, stellt die Bewilligung einer Ausnahme von den Wirkungen des Flächenwidmungsplanes gemäß § 19 Abs. 3 ROG eine Dispens mit Bescheidcharakter dar. Es handelt sich dabei um eine Ermessensentscheidung der Gemeindevertretung.

Voraussetzung für die Ermessensübung ist jedoch gemäß § 19 Abs. 3 ROG, daß das Bauvorhaben dem räumlichen Entwicklungskonzept bzw. der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht nicht entgegensteht.

Nun hat sich die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde der Begründung ihres Bescheides vom 23. April 1990 zufolge auf das Sachverständigengutachten vom 11. August 1989 gestützt, das in ihrem Bescheid zur Gänze wiedergegeben wurde. Aus diesem Gutachten geht schlüssig hervor, daß die widmungsfremde Nutzung des Grünlandes durch eine Verbauung mit einem nicht für die Landwirtschaft bestimmten Wohnhaus samt Garage nicht nur den grundsätzlichen, im Flächenwidmungsplan zum Ausdruck gebrachten Raumordnungsgedanken widersprechen würde, sondern auch dem räumlichen Entwicklungskonzept der mitbeteiligten Marktgemeinde. Den diesbezüglichen Feststellungen im Gutachten vom 11. August 1989 sind die Beschwerdeführer nicht wirksam entgegengetreten. Nun vertritt der Verwaltungsgerichtshof zwar in ständiger Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 26. Mai 1983, Zl. 82/06/0086, und aus jüngerer Zeit das Erkenntnis vom 21. Dezember 1989, Zl. 88/06/0022) die Auffassung, daß der Widerspruch eines Bauvorhabens zur bestehenden Widmung (hier: Grünland) ALLEIN nicht ausreicht, um eine Ausnahmebewilligung nach § 19 Abs. 3 ROG zu versagen; im vorliegenden Fall war jedoch für die Versagung letztlich entscheidend, daß ein Widerspruch zum räumlichen Entwicklungskonzept der mitbeteiligten Marktgemeinde besteht. Es entspricht einem zulässigen (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 27. November 1986, Zl. 86/06/0156 = BauSlg. 815, und vom 11. Dezember 1986, Zl. 85/06/0178 = BauSlg. 822) Raumordnungsziel, die Zersiedelung landwirtschaftlich genutzter zusammenhängender Flächen des Grünlandes hintanzuhalten; die Planungsabsicht der mitbeteiligten Gemeinde, grundsätzlich pro Hofareal nur EIN Austragshaus zuzulassen, ist ein geeignetes Mittel zur Verfolgung dieses Planungszieles, weshalb den Behörden des Verwaltungsverfahrens nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie das Bauvorhaben der Beschwerdeführer (welches nicht einmal auf die Errichtung - bloß - eines Austragshauses abzielt) als mit den bestehenden Planungsabsichten im Widerspruch und schon deshalb als nicht bewilligungsfähig im Sinne des § 19 Abs. 3 ROG angesehen haben. Zu Recht konnte daher schon die mitbeteiligte Marktgemeinde davon ausgehen, daß schon die Voraussetzungen für eine Ermessensübung nicht gegeben waren und das Ansuchen wegen der Unvereinbarkeit mit dem räumlichen Entwicklungskonzept nicht bewilligt werden konnte.

Gemäß § 52 Abs. 1 AVG 1950 sind, wenn die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig wird, die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen beizuziehen. Nach Abs. 2 kann die Behörde ausnahmsweise andere Personen als Sachverständige heranziehen und beeiden, wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten erscheint.

Aus den Gegenschriften der belangten Behörde und der mitbeteiligten Marktgemeinde geht hervor, daß der Gemeinde kein Amtssachverständiger für Raumordnungsfragen zur Verfügung steht und auch von der Salzburger Landesregierung für Raumordnungsfragen nach § 19 Abs. 3 ROG nicht zur Verfügung gestellt werden kann. Dipl.-Ing. P.J.L. sei jedoch beim "Regionalverband Stadt Salzburg und Umgebungsgemeinden" als Sachverständiger für Raumordnungsfragen hauptberuflich angestellt, er werde auch von der mitbeteiligten Marktgemeinde seit Jahren als Raumordnungsgutachter beschäftigt.

Aus diesen unwidersprochen gebliebenen Darstellungen geht hervor, daß der mitbeteiligten Marktgemeinde kein Amtssachverständiger zur Verfügung stand. Die Gemeindebehörde war daher im Sinne des § 52 Abs. 2 AVG 1950 gehalten, einen nichtamtlichen Sachverständigen heranzuziehen. Daß Dipl.-Ing. P.J.L. im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung auch "geeignet" war, ergibt sich aus seiner jahrelangen Befassung mit Raumordnungsfragen der mitbeteiligten Marktgemeinde.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bereits im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Juni 1987, Slg. N.F. Nr. 12.492/A, von seiner Judikatur zum nichtamtlichen Sachverständigen, der ohne Beeidigung dem Verfahren beigezogen wurde, abgegangen. In diesem Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof aus, daß die Beiziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen ohne Beeidigung zwar einen Verfahrensmangel darstelle, aber nicht jede Verletzung einer Verfahrensvorschrift einen Aufhebungsgrund für den Verwaltungsgerichtshof bedeute, müsse es sich doch nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG bei einem Aufhebungsgrund um eine Verletzung von Verfahrensvorschriften handeln, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

Im Unterbleiben der Beeidigung des Sachverständigen kann im Beschwerdefall ein solcher Aufhebungsgrund jedenfalls nicht erblickt werden, konnten doch die Beschwerdeführer nicht dartun, inwiefern sich dieser Umstand auf das Verfahrensergebnis ausgewirkt hätte; vielmehr haben sie eingeräumt, daß gegen den Sachverständigen im vorliegenden Fall kein Anhaltspunkt für Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit vorlägen. Da somit auch dem Fehlen der Beeidigung im Beschwerdefall keine für das Verfahrensergebnis wesentliche Bedeutung zukommt, führt es zu keiner Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet; sie war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beeidigung Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des Bescheidcharakters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990060146.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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