TE Vwgh Beschluss 1991/1/24 90/06/0208

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Veröffentlicht am 24.01.1991
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Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

BauRallg;
B-VG Art132;
B-VG Art18 Abs2;
ROG Tir 1984 §16 Abs5;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Cerne, in der Beschwerdesache der N gegen den Gemeinderat der Stadtgemeinde Schwaz wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Änderung des Flächenwidmungsplanes), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom 3. April 1990 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag an die belangte Behöre, die bisher bestandene Flächenwidmung "Sonderfläche im Bauland-Grünanlage" hinsichtlich der Grundstücke Nr. nnn LN und Nr. nnm Bfl., je EZ nn KG S, im Sinne des § 16 Abs. 5 des Tiroler Raumordnungsgesetzes aufzuheben und hiefür die neue Widmung Bauland-Gewerbe- und Industriegebiet", in eventu "Bauland-Wohngebiet" festzulegen. Unbestrittenermaßen seien seit der Sonderflächenwidmung mehr als zehn Jahre vergangen, ohne daß die gegenständliche Fläche dem Zweck der Sonderwidmung zugeführt worden wäre.

Obwohl ein Rechtsanspruch des Grundeigentümers gemäß § 16 Abs. 5 TROG bestehe, die Sonderflächenwidmung aufzuheben, habe die belangte Behörde bis heute über diesen positiv zu erledigenden Antrag nicht entschieden.

Die Beschwerde ist mangels Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes unzulässig.

Gemäß § 10 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, LGBl Nr. 4, (TROG) hat jede Gemeinde für ihr Gemeindegebiet einen Flächenwidmungsplan zu erlassen. Dabei sind folgende Widmungen zulässig:

a)

Bauland,

b)

Freiland,

c)

Hauptverkehrsflächen.

Gemäß § 16 Abs. 1 TROG können im Bauland und im Freiland Grundflächen als Sonderflächen für bestimmte dort vorgesehene Zwecke gewidmet werden. Gemäß § 16 Abs. 5 leg. cit. ist auf Antrag des Grundeigentümers die Widmung als Sonderfläche aufzuheben, wenn ein als Sonderfläche gewidmetes Grundstück nicht innerhalb von zehn Jahren nach Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes bzw. der betreffenden Änderung des Flächenwidmungsplanes einer dem festgelegten Verwendungszweck entsprechenden Verwendung zugeführt wird.

§ 27 TROG betont den Verordnungscharakter des Flächenwidmungsplanes. Das Verfahren zur Erlassung bzw. Änderung des Flächenwidmungsplanes wird in den §§ 26 ff. TROG geregelt. So sieht § 28 Abs. 1 lit. b leg. cit. eine Verpflichtung zur Änderung des Flächenwidmungsplanes vor, soweit dies zur Vermeidung von Widersprüchen zu Gesetzen und Verordnungen des Bundes oder des Landes erforderlich ist. Im übrigen gelten jedoch, von einzelnen Erleichterungen des Verfahrens abgesehen, dieselben Bestimmungen wie bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes; insbesondere ist von der Regelung, daß der (abgeänderte) Flächenwidmungsplan als Verordnung der Gemeinde in Kraft tritt, keine Ausnahme, auch nicht für den Fall des § 16 Abs. 5 TROG, vorgesehen.

Dies bedeutet, daß auch die Aufhebung einer Widmung gemäß § 16 Abs. 5 TROG eine Verordnung iSd Art. 18 Abs. 2 B-VG darstellt und daher die belangte Behörde nicht etwa hinsichtlich eines zu erlassenden Bescheides, sondern nach den Behauptungen der Beschwerdeführerin als Verordnungsgeber säumig ist.

Nach Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Unter diesen Begriff fällt jedoch nicht die Verpflichtung zur Erlassung (Änderung) genereller Normen (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 7. November 1956, Zl. 1871/56, vom 28. Juni 1962, Zl. 973/62, und vom 2. Mai 1969, Zl. 435/69 - zitiert nach Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 194), denn der Gemeinderat hat über den Antrag der Beschwerdeführerin keineswegs mit Bescheid abzusprechen (den im Säumnisfall gegebenenfalls auch der Verwaltungsgerichtshof erlassen könnte). Die belangte Behörde ist lediglich von Gesetzes wegen verpflichtet, auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin als Verordnungsgeber den Flächenwidmungsplan zu ändern, der durch Nichtbeachtung des § 16 Abs. 5 TROG ungeachtet seiner ursprünglichen Gesetzmäßigkeit gesetzwidrig geworden ist.

Die Stellung eines Antrages auf Aufhebung einer gesetzwidrig gewordenen Verordnung gemäß Art. 139 B-VG durch den Verwaltungsgerichtshof setzt jedoch eine zulässige Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof voraus. Es steht der Beschwerdeführerin bei Aufrechtbleiben einer gesetzwidrigen Bestimmung des Flächenwidmungsplanes frei, etwa im Wege eines Individualantrages nach Art. 139 Abs. 1 letzer Satz B-VG unmittelbar an den Verfassungsgerichtshof heranzutreten.

Die wegen Verletzung der Entscheidungspflicht an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 132 B-VG erhobene Beschwerde war hingegen gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Gemeinderecht und Baurecht Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Verordnungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990060208.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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