TE Vwgh Beschluss 1991/1/28 90/10/0159

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Veröffentlicht am 28.01.1991
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Index

L55005 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Salzburg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
B-VG Art132;
B-VG Art18 Abs2;
NatSchG Slbg 1977 §15;
NatSchG Slbg 1977 §16;
NatSchG Slbg 1977 §17;
NatSchV Hammerauermoor 1983;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, in der Beschwerdesache des N gegen die Salzburger Landesregierung, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich eines Antrages auf Abänderung der Hammerauer-Moor-Naturschutzgebietsverordnung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Schreiben vom 21. November 1988 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde den Antrag auf Abänderung der Grenzziehung des Naturschutzgebietes "Hammerauer-Moor" und Entlassung des Grundstückes n1 KG A bzw. durch Verordnung das Gebiet des "Hammerauer-Moores" unter Herausnahme der Parzelle n1 zum Naturschutzgebiet zu erklären.

Die belangte Behörde übermittelte daraufhin dem Beschwerdeführer in einem formlosen Schreiben vom 28. September 1989 die fachliche Stellungnahme der naturschutzbehördlichen Amtssachverständigen vom 17. Jänner 1989 zur Information. Auf Grund dieser Stellungnahme erklärte die belangte Behörde, keine Veranlassung für eine Abänderung der Grenzziehung des Naturschutzgebietes zu sehen.

Die vom Beschwerdeführer gegen dieses Schreiben erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 23. April 1990, Zl. 89/10/0220, mangels Bescheidqualität der Erledigung zurück.

1.2. Am 17. Oktober 1989 richtete der Beschwerdeführer ein weiteres Schreiben an die belangte Behörde, in dem er im wesentlichen die Feststellungen der naturschutzbehördlichen Amtssachverständigen als unrichtig bezeichnete, die Beiziehung eines anderen Sachverständigen aus dem Fache des Naturschutzes, die Vornahme eines Ortsaugenscheines und die Einvernahme von Frau BX beantragte. Ferner beantragte er die Fortsetzung des Verfahrens auf Abänderung der Grenzziehung des Naturschutzgebietes "Hammerauer-Moor" im beantragten Umfang und wies darauf hin, daß dem Schreiben der belangten Behörde vom 28. September 1989 kein Regierungsbeschluß der Salzburger Landesregierung und auch keine Verordnung zugrundeliege. Dies sei seiner Ansicht nach jedoch deshalb notwendig, da nicht nur für die Änderung der Grenzziehung durch Herausnahme eines Grundstückes ein Regierungsbeschluß mit Verordnung notwendig sei, sondern auch für die Abweisung eines derartigen Antrages.

Die belangte Behörde trug diesen Anträgen nicht Rechnung.

1.3. Mit der vorliegenden Säumnisbeschwerde beantragt der Beschwerdeführer, der Verwaltungsgerichtshof möge über seine Anträge vom 21. November 1988 sowie vom 17. Oktober 1989 in der Sache selbst erkennen und unter Abänderung der Grenzziehung des Naturschutzgebietes "Hammerauer-Moor" das Grundstück n1, KG A, aus dem Naturschutzgebiet "Hammerauer-Moor" entlassen. Er habe in seinem Schreiben vom 17. Oktober 1989 ausdrücklich den Antrag gestellt, seinem Beweisanbot zu entsprechen und das Verfahren fortzusetzen bzw. für den Fall der Nichtstattgebung des Antrages einen negativ erledigenden Beschluß an ihn zuzustellen. Gemäß dem Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes (VwSlg. 9458/A) sei ein Antragsteller als Partei im Verwaltungsverfahren zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht auch dann berechtigt, wenn die Entscheidung nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung des Antrages bestehen könne. Die von § 27 VwGG geforderte Entscheidung der obersten Behörde "in der Sache" bedeute in verfassungskonformer Auslegung jede Erledigung eines Sachantrages, auch wenn die Erledigung nur formal erfolgen könne, also in einer Zurückweisung bestehen müßte, wobei der Beschwerdeführer auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Jänner 1979, Zl. 2842/77, vom 1. Dezember 1980, Zl. 1422/80, und vom 12. November 1982, Zl. 82/02/0108, hinwies.

1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Mitteilung die Auffassung vertreten, daß auf die Erlassung bzw. Änderung einer Verordnung niemand einen Rechtsanspruch habe. Auch aus den §§ 9, 10 und 16 des Salzburger Naturschutzgesetzes, welche das Verfahren zur Erlassung einer Naturschutzgebietsverordnung regelten, sei ein solcher nicht ableitbar. Diesbezügliche "Anträge" seien als Anregungen zu verstehen und könnten keine individuellen Parteienrechte begründen. Ebensowenig habe der von einer Verordnung Betroffene einen Rechtsanspruch auf Abänderung dieser Verordnung. Im übrigen sei festzuhalten, daß aus den jeweiligen Formulierungen der Anträge des Beschwerdeführers hervorgehe, daß dieser niemals einen Antrag auf Erlassung eines Bescheides gestellt habe, sodaß auch in dieser Hinsicht keine Verpflichtung der Behörde bestehe, seine Anträge formal einer bescheidmäßigen Erledigung zuzuführen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen:

2.1. Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.

Nach § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.

In den Fällen des Artikels 132 B-VG kann der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 5 VwGG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgebender Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiemit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Macht der Verwaltungsgerichtshof von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch oder kommt die belangte Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet er über die Säumnisbeschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei er auch das sonst der Verwaltungsbehörde zustehende freie Ermessen handhabt.

2.2. Bei der in diesen gesetzlichen Bestimmungen angeführten Entscheidungspflicht handelt es sich für den Anwendungsbereich des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 um die in § 73 dieses Gesetzes festgelegte Verpflichtung der Behörde, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, einen Bescheid zu erlassen. Unter Bescheiden im Sinne dieser Gesetzesstelle sind individuelle Verwaltungsakte (die bestimmte weitere Merkmale aufweisen) zu verstehen. Entsprechendes gilt für die in anderen Verfahrensgesetzen normierte Entscheidungspflicht.

Die Anträge des Beschwerdeführers sind jedoch auf Erlassung bzw. Abänderung der Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 19. Jänner 1983, mit der Teile der Stadtgemeinde Salzburg zu einem Naturschutzgebiet erklärt werden (Hammerauer-Moor-Naturschutzgebietsverordnung), LGBl. 1983/17, gerichtet. Eine solche "Erklärung" die ihre Grundlage in den §§ 15 bis 17 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1977, LGBl. Nr. 86, hat, ist aber kein individueller, sondern ein genereller, auf der Stufe einer Verordnung stehender Verwaltungsakt. Das zu seiner Erlassung führende Verfahren ist daher kein Verwaltungsverfahren im Sinne der Verwaltungsverfahrensgesetze, das auf Erlassung eines Bescheides im Sinne des Art. 132 B-VG in Verbindung mit §§ 27 und 42 Abs. 5 VwGG ausgerichtet wäre. Da es hier somit nicht um die Nachholung eines "versäumten Bescheides" geht, fehlt dem Verwaltungsgerichtshof schon aus diesem Grund die Zuständigkeit zur Entscheidung (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. März 1986, Zl. 86/06/0038, mit weiteren Judikaturhinweisen). Dazu kommt, daß auf die Erlassung einer Verordnung grundsätzlich auch niemandem ein (etwa vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts) durchsetzbarer Rechtsanspruch zusteht (vgl. etwa den Beschluß vom 31. März 1977, Zl. 425/77). Die belangte Behörde war daher auch nicht verpflichtet, im Falle ihrer Weigerung, die vom Beschwerdeführer gewünschte Verordnung zu erlassen, seinen Antrag - wie der Beschwerdeführer meint - "mit Beschluß abzuweisen".

Die vom Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der von ihm beantragten Abänderung der Naturschutzverordnung gestellten Anträge auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, Vornahme eines Ortsaugenscheines und Einvernahme einer Zeugin können nicht losgelöst von diesem Verfahren gesehen werden. Durch solche Anträge wird der Beschwerdeführer nicht zur Partei eines VERWALTUNGSverfahrens, dem nach den Grundsätzen des Beschlusses vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934 und 1223/73, VwSlg. 9458/A, ein Anspruch auf Erlassung eines - wenn auch bloß zurückweisenden - Bescheides zukommt. Aus diesen Gründen kann auch nicht gesagt werden, daß seine Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren strittig wäre.

2.3. Wegen des Fehlens eines Gebotes, über die Anträge des Beschwerdeführers einen Bescheid zu erlassen, liegt somit keine Verletzung der Entscheidungspflicht vor.

Die Beschwerde war daher wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 1989/206. Das Kostenbegehren der belangten Behörde war dabei nach § 51 VwGG zu beurteilen (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1968, Zl. 1305/67).

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter VerordnungenParteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen RechtspersönlichkeitMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinBescheidcharakter BescheidbegriffAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990100159.X00

Im RIS seit

15.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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