TE Vwgh Erkenntnis 1991/1/28 90/19/0454

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Veröffentlicht am 28.01.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs1;
VStG §24;
ZustG §9 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/19/0510

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden des N gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Steiermark vom 13. Juli 1990, Zl. 5 - 212 Sche 37/1 - 90, betreffend Zurückweisung von Berufungen gegen ein Straferkenntnis wegen Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes, und vom 29. August 1990, Zl. 5 - 212 Sche 37/3 - 90, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einem Strafverfahren wegen Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der angefochtene Bescheid vom 13. Juli 1990 wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, soweit damit die durch Dr. D als Vertreter des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis des "Magistrates Graz" vom 5. März 1990 eingebrachte Berufung als verspätet zurückgewiesen wurde; im übrigen wird die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 29. August 1990 wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz

vom 21. Juni 1989 wurde der Beschwerdeführer wegen

Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes bestraft. Gegen diese

Strafverfügung erhob der Beschwerdeführer durch seinen mit

gleichzeitig vorgelegter, auch die Annahme von Zustellungen

aller Art umfassender Vollmacht ausgewiesenen Vertreter L

rechtzeitig Einspruch. Im weiteren Verlauf des

Verwaltungsstrafverfahrens schritten als Vertreter des

Beschwerdeführers Rechtsanwalt Dr. J und Dr. M ein. Ersterer

gab mit Eingabe vom 30. November 1989 bekannt, daß das

Vollmachtsverhältnis mit 30. November 1989 einvernehmlich

gelöst werde, letzterer gab - wie aus den in der beim

Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 90/19/0453 protokollierten

Beschwerdesache vorgelegten Verwaltungsstrafakten hervorgeht -

in der in einer anderen bei derselben Verwaltungsstrafbehörde

erster Instanz gegen den Beschwerdeführer anhängigen Strafsache

aufgenommenen Niederschrift vom 13. Februar 1990 an, daß sein

Vollmachtsverhältnis mit dem Beschwerdeführer mit

28. Februar 1990 ende. Mit Straferkenntnis vom 5. März 1990

verhängte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz über den

Beschwerdeführer wegen Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes

Verwaltungsstrafen. Dieses Straferkenntnis wurde an den

Beschwerdeführer persönlich adressiert und diesem durch

Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist 12. März 1990

zugestellt. Die Zustellung an das Arbeitsinspektorat Graz

erfolgte am 8. März 1990. Am 23. März 1990 legte Mag. W bei der

Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz eine

Vertretungsvollmacht für den Beschwerdeführer vor, worauf ihm

von dieser Behörde mit Schreiben vom 23. März 1990 - u.a. - zur

Kenntnis gebracht wurde, daß das Straferkenntnis vom

5. März 1990 am 12. März 1990 durch Hinterlegung beim Postamt

8051 zugestellt worden sei. Mit Schreiben vom 27. März 1990

teilte Mag. W der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz mit,

daß - u.a. - das Straferkenntnis vom 5. März 1990 von ihm nicht

behoben werde. Die Vollmacht gelte nur für die "jetzt

anhängigen" Strafverfahren, in den Strafverfahren, in denen

Straferkenntnisse (bereits) durch Hinterlegung zugestellt

worden seien, vertrete er (den Beschwerdeführer) nicht. Für den

Fall aber, "daß die Hinterlegung der Straferkenntnisse ... vom

5. März 1990 ... rechtskräftig ist", erhebe er Einspruch. Mit

einer am 13. April 1990 zur Post gegebenen, an die

Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz gerichteten Eingabe

teilte Rechtsanwalt Dr. D mit, daß ihn der Beschwerdeführer mit

seiner Vertretung beauftragt habe. Die Vollmacht sei "zu

GZ A 4 - St 454/1989/1-2" ausgewiesen. Gleichzeitig wurde gegen

das Straferkenntnis vom 5. März 1990 eine einen begründeten

Berufungsantrag enthaltende Berufung erhoben und ausgeführt,

daß dieses Straferkenntnis nach dem 9. April 1990 an Dr. D

übergeben worden sei." Für den Fall, daß die oben ausgeführte

Berufung als verspätet angesehen wird, da die Hinterlegung am

12. März 1990 wirksam sein sollte", wurde die Wiedereinsetzung

in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist

beantragt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. Juli 1990 wies die belangte Behörde die gegen das Straferkenntnis vom 5. März 1990 eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers, "vertreten durch Herrn Mag. W, ..., vom 27.3.1990" als unzulässig und verspätet zurück; die gegen dasselbe Straferkenntnis eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers, "vertreten durch Rechtsanwalt Herrn Dr. D, ...," wurde als verspätet zurückgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, daß der von Mag. W eingebrachten Eingabe ein begründeter Berufungsantrag mangle. Darüber hinaus sei "die Berufung" verspätet eingebracht worden. Ausgehend von der am 12. März 1990 durch Hinterlegung erfolgten Zustellung des Straferkenntnisses an den Beschwerdeführer sei auch die durch Dr. D eingebrachte Berufung als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Mit Bescheid vom 3. August 1990 gab der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen das Straferkenntnis vom 5. März 1990 keine Folge und sprach aus, daß die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 2 in Verbindung mit § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 verweigert werde. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. August 1990 keine Folge gegeben.

Gegen die Bescheide der belangten Behörde vom 13. Juli 1990 und 29. August 1990 richten sich die vorliegenden Beschwerden. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und erstattete Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes hat die Behörde, wenn eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Nach der Aktenlage bestand im Zeitpunkt der durch Hinterlegung vorgenommenen Zustellung des Straferkenntnisses vom 5. März 1990 das Bevollmächtigungsverhältnis aufrecht, dem zufolge L - auch - zum Zustellungsbevollmächtigten des Beschwerdeführers bestellt war. Der Genannte wäre daher gemäß § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes als Empfänger des Straferkenntnisses zu bezeichnen gewesen, was jedoch nicht geschehen ist. Die Zustellung des Straferkenntnisses an den Beschwerdeführer selbst war bei dieser Sachlage rechtsunwirksam und vermochte nicht den Lauf der Berufungsfrist auszulösen. Aus dem Inhalt der Verwaltungsstrafakten ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, daß das Straferkenntnis vom 5. März 1990, welches jedenfalls durch die gemäß § 8 Abs. 6 ArbIG 1974 erfolgte Zustellung an das Arbeitsinspektorat Graz rechtswirksam erlassen wurde, dem L oder einer anderen vom Beschwerdeführer gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigten Person zu einem mehr als zwei Wochen vor der Einbringung der namens des Beschwerdeführers durch Dr. D erhobenen Berufung gelegenen Zeitpunkt tatsächlich zugekommen ist. Diese Berufung durfte daher nicht als verspätet zurückgewiesen werden. Die Zurückweisung des namens des Beschwerdeführers durch Mag. W erhobenen, einer jeglichen Begründung ermangelnden "Einspruches" gegen das Straferkenntnis vom 5. März 1990 ist hingegen im Grunde des gemäß § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden § 63 Abs. 3 AVG 1950 nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Der angefochtene Bescheid vom 13. Juli 1990 war somit in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben; im übrigen war die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Nach den obigen Ausführungen wurde vom Beschwerdeführer zufolge der Rechtsunwirksamkeit der Zustellung des Straferkenntnisses vom 5. März 1990 an ihn nicht die Berufungsfrist versäumt. Es fehlt somit an der Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG 1950 (vgl. neben vielen anderen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1988, Zl. 88/08/0294), weshalb sich der angefochtene Bescheid vom 29. August 1990 im Ergebnis nicht als rechtswidrig erweist.

Die Beschwerde gegen diesen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Wiederaufnahme des Verfahrens Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990190454.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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