TE Vwgh Erkenntnis 1991/1/28 89/10/0186

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Veröffentlicht am 28.01.1991
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Index

L40018 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung
Polizeistrafen Vorarlberg;
L40058 Prostitution Sittlichkeitspolizei Vorarlberg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
VStG §19 Abs1;
VStG §19;
VStG §7;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 21. Juni 1989, Zl. Ia-909-18/89, betreffend Übertretung nach dem Vorarlberger Sittenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung des Ausspruches über die Strafe und über die Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft A vom 10. Mai 1989 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sich am 25. März 1989 um 23.40 Uhr in X an der B 202, Höhe Autohaus "Y" zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht angeboten zu haben, indem sie einem Mann die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs gegen ein Entgelt von S 700,-- angeboten habe und dadurch eine Übertretung gemäß § 18 Abs. 1 lit. c und § 4 Abs. 1 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 6/1976 (im folgenden: SPG) begangen zu haben. Über die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 18 Abs. 3 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzarrest in der Dauer von 30 Tagen) verhängt.

Zur Strafbemessung wurde u.a. ausgeführt, es sei das durch § 18 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 4 Abs. 1 SPG geschützte Rechtsgut der öffentlichen Sittlichkeit in diesem Fall erheblich verletzt worden. Milderungsgründe und sonstige nachteilige Folgen der Tat seien nicht hervorgekommen. Die Tat sei auf eine gleichgültige Einstellung der Beschwerdeführerin gegenüber dem geschützten Rechtsgut zurückzuführen. Als erschwerend werde gewertet, daß die Beschwerdeführerin wegen Übertretung des Prostitutionsverbotes bereits einschlägig vorbestraft sei, zuletzt mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft A vom 2. Dezember 1988 wegen Übertretung nach § 18 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 4 Abs. 1 SPG mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,--. Die Wiederholung der Tat nach rechtskräftiger Bestrafung lasse auf eine gleichgültige Einstellung der Beschwerdeführerin gegenüber dem geschützten Rechtsgut und auf die Absicht der Erzielung eines wiederkehrenden Einkommens schließen; sie sei verheiratet und habe keine Sorgepflichten. Die Behörde gehe, da die Beschwerdeführerin dazu keine Angaben gemacht habe, davon aus, daß sie nicht weniger als ein durchschnittliches Arbeitnehmereinkommen habe. Unter Berücksichtigung dieser Strafbemessungsgründe, der generalpräventiven und insbesondere der spezialpräventiven Überlegungen, die Beschwerdeführerin von derartigen Übertretungen künftig abzuhalten, werde die ausgesprochene Strafe für schuld- und vermögensangemessen erachtet.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, daß sie die ausgesprochene Strafe als wesentlich überhöht erachte, weil sie lediglich zwei Vorstrafen wegen Übertretung nach § 4 Abs. 1 SPG vorzuweisen habe. Eine solch hohe Strafe sei "im Milieu" bisher noch nicht ausgesprochen worden. Sie sei geschieden und habe Sorgepflichten für ein Kind. Zum Einkommen wolle sie keine Angaben machen.

Mit Schreiben vom 30. Mai 1989 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf, genaue Angaben zu ihren Einkommens-, Vermögens- sowie Familienverhältnissen zu machen. Sollte sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, werde davon ausgegangen, daß sie über ein durchschnittliches Einkommen und Vermögen verfüge und für ein Kind sorgepflichtig sei.

Die Beschwerdeführerin äußerte sich zu diesem Schreiben nicht.

Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung (belangte Behörde) vom 21. Juni 1988 wurde der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Zur Strafbemessung wurde darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführerin aufgefordert worden sei, zu ihren Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen genaue Angaben zu machen. Dieser Verpflichtung sei sie jedoch innerhalb der ihr aufgetragenen Frist nicht nachgekommen, weshalb davon ausgegangen werde, daß sie über ein durchschnittliches Einkommen und Vermögen verfüge und für ein Kind sorgepflichtig sei. Die belangte Behörde führte weiter aus, daß durch die strafbare Handlung zwar keine unmittelbaren Schäden aufgetreten seien, das durch die verletzte Norm geschützte Rechtsgut der öffentlichen Sittlichkeit jedoch gröblich verletzt worden sei. Zu berücksichtigen sei auch, daß die Beschwerdeführerin die Verwaltungsübertretung vorsätzlich begangen habe und sie gegenüber dem geschützten Rechtsgut eine gleichgültige Einstellung habe. Als erschwerend sei bei der Strafbemessung weiters zu berücksichtigen, daß sie am 1. Dezember 1987 mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- und am 2. Dezember 1988 mit einer Geldstrafe in Höhe von S 15.000,-- bestraft worden sei, weil sie jeweils gleiche Verwaltungsübertretungen begangen habe. Die Beschwerdeführerin habe somit nur wenige Monate nach ihrer letzten Bestrafung wieder die gleiche Verwaltungsübertretung begangen. Bei einem gesetzlichen Strafrahmen bis zu S 30.000,-- und Arrest bis zu drei Monaten werde die Verhängung einer empfindlichen Geldstrafe für unbedingt notwendig erachtet, um sie in Hinkunft vor weiteren Übertretungen der gleichen Art abzuhalten. Bei der Festsetzung der Strafhöhe seien zudem noch generalpräventive Aspekte zu berücksichtigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der sich die Beschwerdeführerin nur gegen die durch die belangte Behörde erfolgte Strafbemessung wendet. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 lit. c SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer dem Verbot der gewerbsmäßigen Unzucht gemäß § 4 Abs. 1 zuwiderhandelt, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt.

§ 19 Abs. 1 VStG bestimmt, daß Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46 VStG) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

In der Beschwerde wird vorgebracht, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, Erhebungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Beschwerdeführerin anzustellen. Zumindest sei der im § 19 VStG geforderten Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse durch die Feststellung, die Beschwerdeführerin verfüge über ein durchschnittliches Einkommen und Vermögen, in keiner Weise Rechnung getragen worden. Sofern die belangte Behörde im Rahmen des Ermessensspielraumes befugt wäre, zum Zweck der Strafzumessung von einem durchschnittlichen Einkommen und durchschnittlichem Vermögen des Beschwerdeführers auszugehen, wäre zumindest erforderlich, daß beispielsweise durch Heranziehung statistischer Werte das Durchschnittseinkommens des "(Landes-?)Bundesbürgers" angeführt werden. Die Beschwerdeführerin meint, daß dadurch ein wesentliches Erfordernis der Überprüfbarkeit hinsichtlich der Strafzumessung vernachlässigt worden sei und dies begründe einen wesentlichen Verfahrensmangel.

Dazu ist auszuführen, daß, wenn die Beschwerdeführerin der Meinung gewesen sei, es entspreche das von der Erstbehörde geschätzte und der Bemessung der Geldstrafe zugrunde gelegte durchschnittliche Einkommen nicht den Tatsachen, es ihre Aufgabe gewesen wäre, im Rahmen des Berufungsverfahrens - im besonderen auf Grund der ausdrücklichen Aufforderung der belangten Behörde vom 30. Mai 1989 ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bekanntzugeben - insoweit ein konkretes Gegenvorbringen zu erstatten. Die Beschwerdeführerin hat es auch noch in ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof unterlassen, darüber konkrete Angaben zu machen. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob die von der Beschwerdeführerin vermißten Feststellungen zur Bemessung einer anderen Strafe hätten führen können oder nicht. Insoweit geht das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ins Leere.

Die Beschwerde führt dennoch zum Erfolg.

Die belangte Behörde hat nämlich, wie die Beschwerdeführerin rügt, die vorsätzliche Begehung der Tat als Erschwerungsgrund gewertet. Sie hat dies durch die Feststellung zum Ausdruck gebracht, daß auch zu berücksichtigen sei, daß die Beschwerdeführerin die Verwaltungsübertretung vorsätzlich begangen und gegenüber dem geschützten Rechtsgut eine gleichgültige Einstellung habe.

Ist aber - wie hier - die Schuldform des Vorsatzes als dem Tatbestand immament anzusehen, widerspricht es dem im Bereich des Verwaltungsstrafgesetzes geltenden Doppelverwertungsverbot, den Vorsatz als Erschwerungsgrund zu werten (vgl. dazu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, S. 792, Fußnote 3).

Da die belangte Behörde die vorsätzliche Begehung der Verwaltungsübertretung als Erschwerungsgrund herangezogen hat, war aus den vorstehenden Erwägungen der angefochtene Bescheid in dem von der Beschwerde bekämpften Umfang (das ist hinsichtlich des Strafausspruches) sowie hinsichtlich seines vom Strafausspruch abhängigen Kostenausspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juni 1985, Zl. 84/10/0291, wobei auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Gerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen wird).

Die Kostenentscheidung, welche im Rahmen des gestellten Antrages zu treffen war, gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Erschwerende und mildernde Umstände Schuldform

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1989100186.X00

Im RIS seit

06.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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