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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrPolG 1954 §14 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 6. Februar 1989, Zl. III-4033/88, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit Straferkenntnis vom 23. Februar 1988 erkannte die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch die nunmehrige Beschwerdeführerin schuldig, sich vom 13. August 1987 bis 17. September 1987 in K., W. 16, aufgehalten zu haben, obwohl sie nicht im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes gewesen sei, und dadurch eine Übertretung gemäß § 2 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, (FrPolG) begangen zu haben. Es wurde deshalb über sie eine Geldstrafe, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.
2. Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 6. Feber 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens und Zitierung der einschlägigen Rechtsvorschriften aus, die Beschwerdeführerin bestreite nicht, daß sie sich in der Zeit vom 13. August 1987 bis 17. September 1987 im Bundesgebiet aufgehalten habe, ohne im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung zu sein. Sie habe angegeben, bis zum August 1987 einen Sichtvermerk besessen zu haben. Unbestritten sei auch die Tatsache geblieben, daß sie anläßlich einer Vorsprache bei der Erstbehörde in Kenntnis gesetzt worden sei, daß ohne Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung keine Sichtvermerksverlängerung erfolgen könne. Weiters werde von der Beschwerdeführerin dargelegt, daß sie sich dessen ungeachtet, ohne das Bundesgebiet (zwischenzeitig) zu verlassen, weiterhin in Österreich aufgehalten habe. Aufgrund der ihr anläßlich ihrer Vorsprache bei der Erstbehörde von dieser erteilten Rechtsauskunft hätte die Beschwerdeführerin das Bundesgebiet bis zu einer etwaigen Entscheidung in der Sache verlassen müssen. Die Beschwerdeführerin sei vorsätzlich weiterhin in Österreich geblieben, obwohl sie Kenntnis gehabt habe, daß ihr Aufenthalt fremdenpolizeilichen Vorschriften zuwiderlaufe. Dadurch habe sie zweifelsohne eine Beeinträchtigung jener öffentlichen Interessen herbeigeführt, die darauf abzielten, daß nur solche Fremde im Bundesgebiet leben, die eine Aufenthaltsgenehmigung hätten.
3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 27. November 1989,
B 353/89-6, ablehnte und diese über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin mit Beschluß vom 30. Jänner 1990,
B 353/89-8, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
4. Vor diesem Gerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin laut ihrer Beschwerdeergänzung in ihrem "Recht auf ordnungsgemäße Verfahrensführung und vor allem in ihrem Recht, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bestraft zu werden", verletzt. Sie macht inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt, indes von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Ein Antrag auf Kostenzuspruch (Vorlageaufwand) wurde nicht gestellt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 2 Abs. 1 FrPolG sind Fremde nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zum zeitlich unbeschränkten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, sofern die Dauer ihres Aufenthaltes nicht durch zwischenstaatliche Vereinbarungen oder in den ihnen erteilten Sichtvermerken beschränkt wird.
Gemäß § 14 Abs. 1 leg. cit. macht sich, wer sich entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes im Bundesgebiet aufhält oder diesem Bundesgesetz oder einer auf seiner Grundlage erlassenen Verfügung auf andere Weise zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, einer Verwaltungsübertretung schuldig und wird von der Bezirksverwaltungsbehörde, in Orten, für die eine Bundespolizeibehörde besteht, von dieser, mit Geld bis zu S 3.000,-- oder mit Arrest bis zu sechs Wochen bestraft.
Gemäß dem österreichisch-türkischen Sichtvermerksabkommen, BGBl. Nr. 194/1955, beträgt das zulässige Höchstausmaß des Aufenthaltes für jede Einreise eines Angehörigen eines der Vertragsstaaten in das Gebiet des jeweils anderen Vertragsstaates grundsätzlich drei Monate. Sind türkische Staatsangehörige nach Österreich (oder Österreicher nach der Türkei) ohne Sichtvermerk eingereist und müssen sie dort ihren Aufenthalt aus berechtigten Gründen verlängern, so sind sie gehalten, von den örtlichen Behörden die erforderliche Bewilligung zu erlangen, wobei es den besagten Behörden freisteht, diese Bewilligung zu erteilen oder zu versagen. Erfolgt die Einreise von vornherein in der Absicht, sich im Einreisestaat niederzulassen oder ist dort ein mehr als drei Monate dauernder Aufenthalt beabsichtigt, so bedarf es schon vor der Einreise der Erwirkung eines Einreisevisums.
2. Daß sich die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, die seinerzeit entsprechend dem zitierten Sichtvermerksabkommen sichtvermerksfrei in Österreich eingereist war und in der Folge einen Sichtvermerk erteilt bekam, in dem inkriminierten Zeitraum 13. August 1987 bis 17. September 1987, ohne im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes zu sein, im Bundesgebiet aufgehalten hat, wird in der Beschwerde nicht bestritten. Auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof sind keine Umstände hervorgekommen, die Bedenken gegen die insoweit maßgebliche Sachverhaltsannahme der belangten Behörde hätten hervorrufen können. Damit hat die belangte Behörde zu Recht den objektiven Tatbestand einer Übertretung des § 14 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 FrPolG durch die Beschwerdeführerin als verwirklicht angesehen. Zu prüfen verbleibt somit noch, ob im Beschwerdefall auch die subjektive Tatseite gegeben ist.
3.1. Die Beschwerde verneint dies und beruft sich insofern auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. März 1989, Zl. 87/01/0317, aus dem hervorgehe, daß ein Sichtvermerkswerber die Erledigung seines Antrages in Österreich abwarten könne.
3.2. Es trifft zu, daß der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis zu dem Ergebnis gelangte, daß dem damaligen Beschwerdeführer, der die objektive Tatseite hinsichtlich einer Übertretung nach § 14 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 FrPolG verwirklicht habe, das zur Bestrafung erforderliche Verschulden gefehlt habe. Was die Beschwerdeführerin aber zu übersehen scheint, ist, daß es sich damals - worauf im Erkenntnis Zl. 87/01/0317 (Seite 5) ausdrücklich hingewiesen wurde - um einen besonders gelagerten Fall gehandelt hat, der wesentlich dadurch charakterisiert war, daß der Beschwerdeführer VOR Ablauf der dreimonatigen sichtvermerksfreien Aufenthaltsdauer einen Antrag auf Ausstellung eines Sichtvermerkes eingebracht hatte, und daß im daran anschließenden Verwaltungsverfahren (vor dem Hintergrund des § 25 Abs. 1 und 2 des Paßgesetzes 1969) eine mehrere Monate dauernde Korrespondenz zwischen der zuständigen Behörde und dem Beschwerdeführer stattgefunden hatte, wobei dem Beschwerdeführer auch Fristen zur Beibringung bestimmter Unterlagen eingeräumt worden waren. Keine dieser den damaligen Beschwerdefall kennzeichnenden und ihn solcherart als "besonders gelagert" ausweisenden Sachverhaltselemente liegen im gegenständlichen Beschwerdefall vor. Dem Beschwerdevorbringen ist zwar zu entnehmen, daß das Verfahren über den Antrag der Beschwerdeführerin auf "Verlängerung" des Sichtvermerkes geraume Zeit in Anspruch genommen und es von der Behörde "verschleppt" bzw. "nicht ordnungsgemäß erledigt" worden sei. Da nähere Angaben hiezu fehlen, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, einen - was die Verfahrensdauer anlangt - dem Beschwerdefall Zl. 87/01/0317 vergleichbaren Sachverhalt zu konstituieren, sodaß insoweit schon deshalb der Beschwerdeführerin keine Entlastung i.S. des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 gelungen ist. Aber selbst wenn der Behörde in dieser Hinsicht ein Vorwurf gemacht werden könnte, würde dies nicht dazu führen, vom Fehlen eines Verschuldens der Beschwerdeführerin ausgehen zu können. Dies deshalb, weil es dafür an der primären Voraussetzung für eine Verneinung der subjektiven Tatseite fehlt, nämlich der Antragstellung VOR Ablauf der Gültigkeitsdauer des Sichtvermerkes.
Nach Ausweis der Akten ist der der Beschwerdeführerin seinerzeit erteilte Sichtvermerk mit 12. August 1987 abgelaufen (dementsprechend wurde der Beginn des der Beschwerdeführerin spruchmäßig vorgeworfenen verpönten Verhaltens mit 13. August 1987 festgesetzt). Dies wird auch im Sachverhaltsvorbringen der Beschwerde nicht anders dargestellt. (Dort ist zwar unpräzis davon die Rede, daß die Beschwerdeführerin "bis August 1987" einen Sichtvermerk besessen habe; mangels Bestreitung des vorgenannten Datums 13. August 1987 ist jedoch unbedenklich davon auszugehen, daß die Beschwerde mit "bis August 1987" näherhin bis einschließlich 12. August 1987 meint.) Des weiteren wird in der Beschwerde im gegebenen Zusammenhang ausgeführt, daß in der Folge ("dann"), also NACH Ablauf der Gültigkeitsdauer des Sichtvermerkes der Beschwerdeführerin diese um eine "Verlängerung des Sichtvermerkes" angesucht habe.
Daraus folgt, daß sich die Beschwerde, um das mangelnde Verschulden der Beschwerdeführerin darzutun, zu Unrecht auf das hg. Erkenntnis Zl. 87/01/0317 berufen hat. Für den vorliegenden Fall ist vielmehr das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1985, Zl. 84/01/0381, bedeutsam. In dem diesem Erkenntnis zugrunde gelegenen Fall war - wie vorliegend - der Antrag der damaligen Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Sichtvermerkes erst nach Ablauf des ersten ihr erteilten Sichtvermerkes gestellt worden, woraus der Gerichtshof in rechtlicher Hinsicht abgeleitet hat, daß deshalb der Beschwerdeeinwand mangelnden Verschuldens der Beschwerdeführerin an der Übertretung (nach § 14 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 FrPolG) unbegründet sei, da "nach Ablauf des Sichtvermerkes auch ihr als Fremder klar sein (mußte), daß ihr keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet zukomme".
4. Damit hat im vorliegenden Fall die belangte Behörde zutreffend sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als verwirklicht angesehen.
5. Der Vorwurf der Beschwerde, der bekämpfte Bescheid sei auf "wesentliche" Teile des Berufungsvorbringens nicht eingegangen, geht ins Leere, da die Berufung zu der hier als maßgebend erkannten Frage nicht Stellung genommen hat, folglich mit der gerügten Unterlassung einer Auseinandersetzung mit dem gesamten Inhalt der Berufung kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt wird.
6. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990190114.X00Im RIS seit
06.08.2001