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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. August 1990, Zl. I/7-St-St-9062, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für die Gruppen A, B, C, E, F und G entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm "auf eine Dauer von 2 Jahren, beginnend mit der am 2.3.1989 erfolgten Abnahme des Führerscheines, somit bis einschließlich 2.3.1991" keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat eine Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde eingebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde stützte die Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers darauf, daß er am 2. März 1989 ein Alkoholdelikt (gemäß § 5 Abs. 1 StVO 1960) begangen habe und - obwohl ihm mit Mandatsbescheid der Erstbehörde vom 7. März 1989 die Lenkerberechtigung vorübergehend entzogen worden war - am 10. Juni 1989 neuerlich einschlägig straffällig geworden sei (diesmal nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960). Die zweite Verwaltungsübertretung sei im Zusammenhang mit einem vom Beschwerdeführer verschuldeten Verkehrsunfall begangen worden. Wegen beider Übertretungen sei der Beschwerdeführer rechtskräftig bestraft worden. Ferner habe der Beschwerdeführer bereits in den Jahren 1983, 1985 und 1988 Übertretungen nach § 99 Abs. 1 StVo 1960 begangen. Schließlich habe er im Jahr 1976 eine Übertretung nach § 4 Abs. 2 StVO 1960 begangen. Der Aktenlage nach wurde im Anschluß an die im Jahre 1985 begangene Übertretung gemäß § 74 Abs. 3 KFG 1967 die Entziehung der Lenkerberechtigung angedroht, im Anschluß an das am 30. Juli 1988 begangene Alkoholdelikt gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung bis 30. Jänner 1989 vorübergehend entzogen.
Bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden, aus dem eine tief verwurzelte Neigung des Beschwerdeführers zur Begehung von Alkoholdelikten hervorleuchtet, ist eine Maßnahme wie die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte keineswegs deswegen rechtswidrig, weil sie einen zu schweren Eingriff in die Rechte des Beschwerdeführers darstelle. Das Charakterbild des Beschwerdeführers, das aus diesem - von ihm selbst nicht bestrittenen - Sachverhalt hervorleuchtet, ist dergestalt, daß er sich weder durch Bestrafungen noch durch Maßnahmen nach den §§ 73 f. KFG 1967 davon abhalten läßt, weitere Alkoholdelikte zu begehen, zuletzt sogar zu einem Zeitpunkt, zu dem er infolge einer Entziehung gar nicht im Besitze einer Lenkerberechtigung war. Die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers, die daraus insgesamt abzuleiten ist, ist als dermaßen schwerwiegend einzustufen, daß auch eine länger bemessene Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt hätte. Die von der belangten Behörde zutreffend geforderte grundlegende Änderung der Einstellung und Persönlichkeit des Beschwerdeführers ist angesichts der von ihm an den Tag gelegten Hartnäckigkeit keinesfalls zu einem früheren Zeitpunkt zu erwarten.
Das Beschwerdevorbringen vermag daran nichts zu ändern. Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer auf § 66 Abs. 3 lit. a KFG 1967, wonach strafbare Handlungen nicht als bestimmte Tatsachen, die die Verkehrsunzuverlässigkeit einer Person indizieren, gelten, wenn seit der Vollstreckung der zuletzt verhängten Strafe oder Maßnahme im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens in erster Instanz mehr als ein Jahr vergangen ist und nach der Vollstreckung auch nicht gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Vorschriften über die Verkehrssicherheit verstoßen wurde. Als bestimmte Tatsachen im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 hat die belangte Behörde zu Recht nur die Übertretungen vom 2. März und vom 10. Juni 1989 herangezogen. Die Berücksichtigung der übrigen strafbaren Handlungen erfolgte im Rahmen der Wertung dieser bestimmten Tatsachen im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967. Dies war zulässig, dürfen in diesem Zusammenhang doch sämtliche, auch länger zurückliegende Vorfälle entsprechend berücksichtigt werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. November 1989, Zl. 89/11/0097). Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer begangenen Alkoholdelikte hätte es einer Berücksichtigung der im Jahre 1976 begangenen Übertretung der StVO 1960 zur Stützung des angefochtenen Bescheides nicht bedurft.
Der belangten Behörde kann auch kein Begründungsmangel vorgeworfen werden, insbesondere nicht im Zusammenhang mit dem Wertungskriterium des Verhaltens während der Zeit seit der letzten strafbaren Handlung; diese betrug der Aktenlage nach ungefähr 14 Monate; in dieser Zeit waren gegen den Beschwerdeführer geführte Verwaltungsstrafverfahren und das Entziehungsverfahren anhängig. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer gegen die rechtskräftige Bestrafung wegen eines der in Rede stehenden Alkoholdelikte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hat, hat schon deshalb keinen Einfluß auf den Ausgang des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, weil die Beschwerde in der Verwaltungsstrafsache erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erhoben wurde. Die Berufung des Beschwerdeführers auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1989, Zl. 88/11/0164, geht schon deswegen fehl, weil es sich damals um einen Zeitraum von nahezu zwei Jahren gehandelt hat, in dem der damalige Beschwerdeführer etwas über ein Jahr im Besitz seiner Lenkerberechtigung war, abgesehen davon, daß der Entziehung damals insgesamt nur eine einzige strafbare Handlung zugrunde gelegt wurde.
Wenn die belangte Behörde darauf hinweist, daß sie vor einer allfälligen Wiedererteilung der Lenkerberechtigung an den Beschwerdeführer zu prüfen haben werde, ob der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen körperlich und geistig geeignet, insbesondere ausreichend kraftfahrspezifisch leistungsfähig ist, so stellt dies eine Rechtsbelehrung über eine künftige, gesetzlich vorgesehene Vorgangsweise dar. Die Äußerung von Zweifeln an dieser Eignung zum gegenwärtigen Zeitpunkt vermag den Beschwerdeführer nicht in Rechten zu verletzen, weil es in diesem Zusammenhang lediglich auf die auf Grund eines Antrages auf Wiedererteilung der Lenkerberechtigung erhobenen Ermittlungsergebnisse ankommen kann.
Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers in der ergänzenden Äußerung vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Gerade das vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983 (Slg. Nr. 11.237/A) hat klargestellt, daß die Berufungsbehörde im Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung durch § 66 Abs. 4 AVG 1950 nicht gehindert ist, eine von der Erstbehörde verfügte vorübergehende Entziehung in eine solche nach § 73 Abs. 1 KFG 1967 abzuändern. Wenn der Verwaltungsgerichtshof schließlich der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen seine Bestrafung wegen des am 10. Juni 1989 begangenen Alkoholdeliktes mit Beschluß vom 13. November 1990, Zl. AW 90/18/0027, u.a. in Ansehung der Berücksichtigung dieser Übertretung als bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat, ging dies insoferne ins Leere, als diese Qualifikation bereits in dem am 30. August 1990 zugestellten angefochtenen Bescheid erfolgte; die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wirkt ex nunc und verpflichtet die Behörde nicht zur Zurücknahme bereits gesetzter Akte.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltMaßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftBegriff der aufschiebenden WirkungRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeUmfang der Abänderungsbefugnis Reformatio in peiusEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990110181.X00Im RIS seit
19.03.2001Zuletzt aktualisiert am
12.06.2012