TE Vwgh Erkenntnis 1991/1/29 90/04/0241

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Veröffentlicht am 29.01.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
GewO 1973 §366 Abs1 Z3;
GewO 1973 §74 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland, vom 1. August 1990, Zl. VI/1-2242-1989, betreffend Übertretung der GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 schuldig erkannt und über ihn gemäß § 366 Einleitungssatz leg. cit. eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzarreststrafe 10 Tage) verhängt. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, die Behörde erster Instanz habe als erwiesen angesehen, daß der Beschwerdeführer zumindest im Zeitraum vom 7. bis 15. Dezember 1988 im Standort X, Grundstück Nr. 2457, eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung betrieben habe. In der fristgerecht eingebrachten Berufung werde die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung bekämpft und dargelegt, daß der Beschwerdeführer im genannten Zeitraum fünf sogenannte Schiffscontainer aufgestellt habe, von welchen vier als Lager und einer als Verkaufsraum benutzt worden seien. Darüber hinaus habe die gegenständliche Anlage nicht der regelmäßigen Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit gedient. Weiters seien die Container nur kurz auf dem angeführten Grundstück als Geschäftslokal bzw. Lagerraum verwendet worden, sodaß weder spezial- noch generalpräventive Überlegungen eine Strafe in der von der Erstbehörde verhängten Höhe rechtfertigten. Überdies habe die Behörde erster Instanz zu Unrecht einen Strafrahmen bis zu 50.000,-- S herangezogen, da zu dem zur Last gelegten Zeitpunkt ein Strafrahmen bis lediglich S 30.000,-- vorgesehen gewesen sei. Dem hielt der Landeshauptmann nach Darstellung des Inhaltes der Bestimmung des § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988 entgegen, nach Ansicht der erkennenden Behörde sei eine Genehmigungspflicht der Betriebsanlage zweifelsfrei gegeben, da die Anlage grundsätzlich geeignet gewesen sei, durch die zu- und abfahrenden Kundenfahrzeuge die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen. Es folgen sodann Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen der belangten Behörde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Berufungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde sei in ihrem Bescheid keinesfalls auf die Argumente des Beschwerdeführers in dessen Berufung eingegangen, daß bereits die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 GewO 1973 nicht vorlägen. Demnach sei unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt sei. Die vom Beschwerdeführer aufgestellten Schiffscontainer seien keinesfalls regelmäßig zur Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit bestimmt gewesen, sondern seien lediglich vom 7. Dezember bis zum 31. Dezember 1988 benützt worden. Bereits anläßlich einer Vorsprache bei der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See am 13. Dezember 1988 habe der Beschwerdeführer dargelegt, er werde die Container ohnehin bis zum Ende des Jahres wieder entfernen. Da bereits das Tatbestandsmerkmal der regelmäßigen Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit entfalle, könne grundsätzlich bei den vom Beschwerdeführer aufgestellten Schiffscontainern in keiner Weise von einer Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1973 gesprochen werden. Aber auch wenn man vom Vorliegen einer Betriebsanlage im Sinne der zitierten Gesetzesstelle ausgehe, sei eine Genehmigungspflicht im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1973 nicht gegeben gewesen. Sowohl die Erstbehörde als auch die belangte Behörde bezögen sich jeweils auf § 74 Abs. 2 lit. 4 GewO 1973 und sähen die Pflicht zur Einholung einer Betriebsanlagengenehmigung in der Eignung der vom Beschwerdeführer errichteten Anlage, die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen. Die belangte Behörde habe diesbezüglich jedoch keine weiteren Begründungen angegeben, sondern nur in Zitierung der nämlichen Gesetzesstelle dargelegt, die Anlage sei geeignet, durch die zu- und abfahrenden Kundenfahrzeuge, die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen. Aus dem Sachverhalt sei aber ersichtlich, daß die Schiffscontainer vom Beschwerdeführer derart plaziert worden seien und das von ihm angemietete Grundstück gerade deshalb ausgesucht worden sei, damit eine Beeinträchtigung des Durchzugsverkehrs auf der B-10 nicht Platz greife. Sämtliche Zu- und Endladearbeiten seien grundsätzlich von der asphaltierten Parallelstraße aus bewerkstelligt worden. Auch die Kunden des Beschwerdeführers hätten diese Parallelstraße zum Halten und Parken ihrer Fahrzeuge verwendet. Auch der gegenüber den Schiffscontainern gelegene Rastplatz habe zusätzliche Parkmöglichkeiten eröffnet, die jedoch auf Grund der zum Halten und Parken besonders gut geeigneten Parallelstraße grundsätzlich gar nicht benötigt worden seien. Auch mit dem Zu- und Abfahren von dieser Parallelstraße auf die B 10 sei keinerlei Beeinträchtigung des Verkehrs auf der B 10 verbunden gewesen. Grundsätzlich sei davon auszugehen, daß die Straßenverkehrsordnung geeignete Regelungen zum Abfahren von einer Straße mit öffentlichem Verkehr bzw. zum Einfahren in eine solche Straße biete. Zudem seien in der Straßenverkehrsordnung auch Bestimmungen über das Halten und Parken auf Straßen mit öffentlichem Verkehr enthalten, sodaß der Beschwerdeführer selbstverständlich davon habe ausgehen können, seine Kunden würden die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung entsprechend beachten. Bei Beachtung dieser Bestimmungen durch die Lenker der zu- und abfahrenden Kundenfahrzeuge sowie durch die Lieferanten sei eine Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf der B 10 durch die vom Beschwerdeführer errichtete Anlage geradezu auszuschließen gewesen. Dem angefochtenen Bescheid ermangle es diesbezüglich an einer ordnungsgemäßen Begründung. Die belangte Behörde habe in ihren Erwägungen lediglich die entsprechende Gesetzesstelle zitiert und in keiner Weise dargelegt, worin sie die Eignung zur wesentlichen Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf der B 10 sehe.

Vorweg ist zu bemerken, daß die belangte Behörde dem Verwaltungsgerichtshof die Akten des erstbehördlichen Verwaltungsstrafverfahrens, insbesondere auch das erstbehördliche Straferkenntnis nicht vorlegte, sodaß der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich in Anwendung der Bestimmung des § 38 Abs. 2 VwGG von dem entsprechenden Beschwerdevorbringen auszugehen hat.

Gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1973 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988 ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der regelmäßigen Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit zu dienen bestimmt ist. Nach Abs. 2 Z. 4 dieser Gesetzesstelle dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit einer Arreststrafe bis zu 6 Wochen zu ahnden ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Voraussetzung der Tatbildmäßigkeit eines Verhaltens im Sinne dieser Gesetzesstelle ist somit, daß einerseits eine Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1973 vorliegt und andererseits auf diese die die Genehmigungspflicht bedingenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 74 Abs. 2 GewO 1973 zutreffen.

Im Hinblick auf die das Vorliegen dieser Tatbestandselemente bestreitende Verantwortung des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren wäre es daher entsprechend der Bestimmung des § 60 AVG 1950 Sache der belangten Behörde gewesen, in der Begründung des angefochtenen Bescheides die die Erfüllung der in Rede stehenden Tatbestandsmerkmale betreffenden Ermittlungsergebnisse in einer der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes zugänglichen Art darzustellen.

Da die belangte Behörde dies unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das auf den Zuspruch von Umsatzsteuer zum Schriftsatzaufwand gerichtete Mehrbegehren war im Hinblick auf die Pauschalierung des diesbezüglichen Aufwandersatzes abzuweisen.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Beweismittel Beschuldigtenverantwortung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990040241.X00

Im RIS seit

29.01.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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