TE Vwgh Erkenntnis 1991/1/29 90/07/0067

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Veröffentlicht am 29.01.1991
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Index

L66204 Landw Bringungsrecht Güter- und Seilwege Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

AVG §68 Abs1;
GSGG §1 Abs1;
GSGG §1;
GSGG §2;
GSLG OÖ §1 Abs1;
GSLG OÖ §3 Abs1;
GSLG OÖ §31 Abs1;
GSLG OÖ §4 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des AN und der BN gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 12. Oktober 1989, Zl. Bod-4248/5-1989, betreffend Einleitung eines landwirtschaftlichen Bringungsrechtsverfahrens (mitbeteiligte Partei: E), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 9. Juni 1989 hat die Agrarbezirksbehörde Linz (ABB) auf Grund der Ergebnisse ihrer Ermittlungen gemäß den §§ 1 und 31 Abs. 1 des O.ö. Bringungsrechtegesetzes, LGBl. Nr. 19/1962 (BRG), festgestellt, daß das von der Mitbeteiligten (mP) zugunsten ihrer Grundstücke Nr. 53/2, 2984/2 und 37/2, je KG. X, begehrte Bringungsrecht unter die Bestimmungen über die Einräumung von Bringungsrechten fällt. Der genannte, im Eigentum der mP stehende Grundkomplex habe ein Ausmaß von 5.463 m2 und werde von allen Seiten von Fremdgrundstücken begrenzt. Mangels einer Zufahrtsmöglichkeit seien die genannten Grundstücke der mP in den letzten drei Jahren nicht mehr bewirtschaftet worden. Vor dem Bau des Güterweges Y (ca. im Jahre 1975) seien diese Grundstücke über einen am Südrand derselben verlaufenden Weg (Grundstück Nr. 2982/1 im Eigentum des DF) bewirtschaftet worden. Ob es sich dabei um ein ersessenes Geh- und Fahrtrecht gehandelt habe, habe nicht festgestellt werden können. Dieser Bringungsweg sei im Zuge des Baues des Güterweges Y rekultiviert worden. Nach dem Bau des Güterweges Y seien die Grundstücke der mP über das Grundstück Nr. 49/1 der Beschwerdeführer bewirtschaftet worden. Da diese Zufahrtsmöglichkeit der mP nun nicht mehr offen stehe, liege ein Erschließungsmangel ihrer Grundstücke vor, weshalb ihr Antrag unter die Bestimmungen über die Einräumung von Bringungsrechten falle. Über die Frage der Einräumung eines Bringungsrechtes, die Festlegung einer Bringungsanlage und über eine allfällige Entschädigung werde nach Rechtskraft dieses Einleitungsbescheides in einem gesonderten Verfahren abgesprochen werden.

Die gegen diesen Bescheid der ABB erhobene Berufung der beiden Beschwerdeführer hat die belangte Behörde nach ergänzenden Ermittlungen mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. Oktober 1989 als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach einer Darstellung des vorangegangenen Verfahrens aus, aus § 31 Abs. 1 BRG ergebe sich, daß sich das Verfahren hinsichtlich der Einräumung landwirtschaftlicher Bringungsrechte in zwei Stufen gliedere. In der ersten Verfahrensstufe sei nur darüber abzusprechen, ob das begehrte Bringungsrecht unter die Bestimmungen über die Einräumung von Bringungsrechten falle und ob daher die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens zulässig sei. Erst in der zweiten Verfahrensstufe, in der sich das vorliegende Verfahren noch nicht befinde, werde über die allfällige Rechtseinräumung abgesprochen. Auf Grund der §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 31 Abs. 1 BRG habe die belangte Behörde zunächst zu untersuchen gehabt, ob die Voraussetzungen für die Einleitung eines Verfahrens nach dem BRG gegeben seien. Die mP sei Eigentümerin der eingangs genannten drei Grundstücke, diese Grundstücke würden landwirtschaftlich genutzt;

Zurückweisungsgründe betreffend den Antrag der mP im Sinne des § 3 Abs. 1 BRG lägen nicht vor. Diese Grundfläche werde auf allen Seiten von Fremdgrundstücken begrenzt und verfüge über keinen unmittelbaren Anschluß an das öffentliche Wegenetz. Im Grundbuch sei zugunsten der genannten Grundstücke der mP kein Geh- oder Fahrtrecht eingetragen.

Die Beschwerdeführer hätten vorgebracht, es bestehe seit Anfang des 20. Jahrhunderts eine Geh- und Fahrtmöglichkeit zugunsten der nunmehr der mP gehörigen Grundfläche über die Grundstücke Nr. 37/3 des CN und Nr. 2982/1 der Familie F. Dagegen hätte die mP angegeben, anläßlich des Baues des Güterweges Y sei mit den Beschwerdeführern eine Fahrt von diesem Güterweg über deren Grundstück Nr. 49/1 zum Grundkomplex der mP vereinbart worden; demgemäß sei die mP auch mehrere Jahre hindurch über eine zu diesem Zweck auf dem Grundstück Nr. 49/1 hergestellte Aufschüttung zu ihren Grundstücken zugefahren. Diese Zufahrt sei aber von den Beschwerdeführern in der Folge mehrmals untersagt und schließlich abgesperrt worden.

Selbst wenn man dem Vorbringen der Beschwerdeführer folge und annehme, daß die Rechtsvorgänger der mP Geh- und Fahrtrechte über die Grundstücke Nr. 37/3 und Nr. 2982/1 ersessen hätten, sei damit für die Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Nach dem Bau des Güterweges Y sei die mP nur mehr über das Grundstück Nr. 49/1 der Beschwerdeführer zugefahren; der alte Weg auf dem Grundstück Nr. 2982/1 sei eingeebnet und rekultiviert worden, wogegen sich die Rechtsvorgänger der mP nicht ausgesprochen hätten. Diese widerspruchslose Hinnahme der Einebnung und Rekultivierung des Grundstückes Nr. 2982/1 auf Grund der Regelung der Zufahrt über das Grundstück Nr. 49/1 sei als schlüssiger Verzicht auf die (allenfalls bereits ersessene) Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes über die Grundstücke Nr. 37/3 und Nr. 2982/1 durch die mP bzw. ihre Rechtsvorgänger zu werten. Es sei daher derzeit ein Bringungsmangel der mP nicht von vornherein auszuschließen. Die von der ABB getroffene Feststellung sei daher zutreffend. Mit diesem Abschluß der ersten Verfahrensstufe durch einen Einleitungsbescheid sei noch keineswegs über ein Bringungsrecht im Sinne einer Einräumung des begehrten Rechtes abgesprochen worden. Durch die Einleitung des Bringungsrechtsverfahrens würden die Parteien in der Ausübung der ihnen an den in Betracht kommenen Grundstücken zustehenden Rechte nicht gehindert. Erst in der zweiten Verfahrensstufe sei über die allfällige Einräumung eines Bringungsrechtes nach Art, Inhalt und Umfang sowie über dafür gebührende Entschädigungsansprüche auf der Grundlage weiterer Ermittlungen abzusprechen.

Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, welcher jedoch deren Behandlung mit Beschluß vom 27. Februar 1990, Zl. B 1547/89, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten Beschwerde machen die beiden Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Nach dem Inhalt ihrer Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht darauf verletzt, daß im gegebenen Zusammenhang kein Bringungsrechtsverfahren eingeleitet, bzw. eine solche Einleitung nicht ohne umfassende Sachverhaltsklärung vorgenommen werde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Auch die mP hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 BRG kann, wenn die zweckmäßige Bewirtschaftung einer landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft dadurch unmöglich gemacht oder erheblich beeinträchtigt wird, daß zur Bringung der im landwirtschaftlichen Betrieb gewonnenen oder gewinnbaren landwirtschaftlichen Erzeugnisse oder zur Heranschaffung der zur zweckmäßigen Bewirtschaftung erforderlichen Sachen keine oder nur eine unzulängliche oder den Betrieb mit unverhältnismäßigen Kosten belastende Verbindung besteht, der Eigentümer, Fruchtnießer oder Pächter begehren, daß ihm die zur Behebung dieser Nachteile notwendigen landwirtschaftlichen Bringungsrechte eingeräumt werden.

Die §§ 2 bis 4 BRG enthalten nähere Regelungen über den Inhalt der landwirtschaftlichen Bringungsrechte, über die Voraussetzungen für die Einräumung von Bringungsrechten und über die Bestimmung von Art, Inhalt und Umfang der Bringungsrechte.

Nach § 31 Abs. 1 erster Satz BRG ist ein Antrag auf Einräumung eines Bringungsrechtes, sofern er sich schon von vornherein als unzulässig erweist, zurückzuweisen; anderenfalls hat die Agrarbehörde auf Grund einer mündlichen Verhandlung mit Bescheid auszusprechen, ob das begehrte Bringungsrecht und die geplante Bringungsanlage unter die Bestimmungen über die Einräumung von Bringungsrechten fallen.

Die Beschwerdeführer weisen zunächst darauf hin, daß die mP über eine ausreichende Verbindung der angeblich notleidenden Grundstücke zum öffentlichen Wegenetz verfüge, nämlich über den Weg Grundstück Nr. 2982/1. Dieser Weg sei zwar anläßlich des Baues des öffentlichen Güterweges Y zum Teil rekultiviert worden, aber in einem für die Bedürfnisse der mP ausreichenden Maße in der Natur noch vorhanden. Die mP bzw. ihre Rechtsvorgänger hätten ihr Geh- und Fahrtrecht deswegen verloren, weil sie sich nicht gegen die Rekultivierung des Weggrundstücks Nr. 2982/1 ausgesprochen hätten. Es stehe auch gar nicht fest, ob der Eigentümer dieses Grundstücks die Rekultivierung dahin verstanden habe, daß damit die bis dahin bestandenen Geh- und Fahrberechtigungen nicht mehr benutzt werden dürften. Die Annahme der belangten Behörde, der Rechtsvorgänger der mP habe auf sein Geh- und Fahrtrecht verzichtet, beruhe nur auf einer Vermutung. Es wäre auch nicht gerechtfertigt, wollte man die mP deshalb als notleidend im Sinne des BRG ansehen, weil sie bzw. ihre Rechtsvorgänger freiwillig auf ein früheres Geh- und Fahrtrecht verzichtet hätten. Es würde dies einen Rechtsmißbrauch der mP darstellen, weil es nicht Aufgabe des BRG sein könne, vorhandene Geh- und Fahrtrechte durch "angenehmere" zu Lasten eines Dritten zu ersetzen. Es bestehe nach wie vor das Geh- und Fahrtrecht der mP über das Grundstück Nr. 2982/1. Eine Vereinbarung mit den Beschwerdeführern, auf Grund welcher eine Regelung der Zufahrt der mP über das Grundstück Nr. 49/1 getroffen worden wäre, sei nie rechtsverbindlich zustandegekommen. Die Aufschüttung auf dem Grundstück Nr. 49/1 der Beschwerdeführer sei durch den Errichter des öffentlichen Güterweges Y veranlaßt worden, ohne daß die Beschwerdeführer um ihre Zustimmung befragt worden wären.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 28. Juni 1983, Zl. 83/07/0162 = Slg. 11104/A, vom 13. Juni 1985, Zl. 85/07/0138, und vom 19. Mai 1988, Zl. 87/07/0070) ausgesprochen, daß durch einen Feststellungsbescheid (Einleitungsbescheid) im Sinne des § 31 Abs. 1 BRG nicht über die Einräumung eines Bringungsrechtes abgesprochen wird. Ob und bejahendenfalls in welcher Ausgestaltung ein Bringungsrecht eingeräumt wird, ist Gegenstand des weiteren nach dem BRG durchzuführenden Verfahrens, wobei die Begründung des Einleitungsbescheides keine Rechtskraftwirkung schafft. Dieser weitere Verfahrensabschnitt wird den Beschwerdeführern Gelegenheit bieten, alles zur Geltendmachung ihres Standpunktes Erforderliche (u.a. auch den Einwand, es liege kein Erschließungsmangel vor) ins Treffen zu führen; die Behörde wird verhalten sein, sich mit diesen Einwendungen in einer den Verfahrensvorschriften entsprechenden Weise auseinanderzusetzen. Schon jetzt aber sind die Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß entgegen ihrer in der Beschwerde vertretenen Auffassung das BRG bei der Beurteilung des Bedarfes für die Einräumung eines Bringungsrechtes nicht darauf abstellt, ob den Antragsteller am Bringungsnotstand (§ 1 Abs. 1 BRG) allenfalls ein Verschulden trifft (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. April 1988, Zl. 87/07/0181).

Für die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Einleitung eines Bringungsrechtsverfahrens gemäß § 31 Abs. 1 BRG reichte demnach die Feststellung der belangten Behörde aus, daß die mP derzeit objektiv an der Nutzung ihrer eingangs genannten landwirtschaftlichen Grundstücke dadurch gehindert ist, daß diese Grundstücke rings von Fremdgrund umgeben sind, wobei die dafür bisher genutzten Zufahrten (über Grundstück Nr. 2982/1 durch die im Zuge der Errichtung des öffentlichen Güterweges Y erfolgte Rekultivierung und über Grundstück Nr. 49/1 durch den Widerstand der Beschwerdeführer) der mP derzeit nicht offenstehen. Ob, auf welcher Trasse und in welchem Umfang der mP künftig ein Bringungsrecht nach dem BRG einzuräumen sein wird, war nicht Gegenstand des mit dem Einleitungsbescheid abgeschlossenen ersten Verfahrensabschnittes nach § 31 Abs. 1 BRG. Gründe, welche die belangte Behörde dazu veranlaßt hätten, den Antrag der mP im Sinne des § 31 Abs. 1 BRG von vornherein als unzulässig zurückzuweisen, werden in der Beschwerde nicht aufgezeigt.

Daraus folgt, daß die Beschwerdeführer durch die im Instanzenzug getroffene Feststellung, das von der mP begehrte Bringungsrecht falle unter die Bestimmungen über die Einräumung von Bringungsrechten, in einem subjektiven Recht nicht verletzt worden sind. Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie Abs. 3 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 sowie C Z. 7 der Verordnung vom 7. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Bringungsnotstand (Verschulden dabei)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990070067.X00

Im RIS seit

29.01.1991

Zuletzt aktualisiert am

06.06.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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