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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Reichel sowie die Hofräte Dr Hnatek und Dr Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr Cerne, in der Beschwerdesache der X-Bank regGenmbH gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 18. Mai 1990, Zl 153-6/90, betreffend Beschlagnahme von Unterlagen, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 2.760 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zug eines gegen einen Kunden der Beschwerdeführerin (in der Folge: Kunde), einer Kreditunternehmung im Sinn des Kreditwesengesetzes, am 14. November 1989 eingeleiteten verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens verfügte das Finanzamt Spittal an der Drau mit Beschlagnahmeanordnung (Bescheid) vom 19. Jänner 1990, zugestellt am 23. Jänner 1990, ua die Abnahme der sich im Gewahrsame der Beschwerdeführerin befindlichen Tagesstrazzen sowie der entsprechenden Kontenentwicklungen für den Zeitraum vom 8. bis 13. September 1983. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Tagesstrazzen und die Kontenentwicklungen kämen im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren gegen den Kunden als Beweismittel in Betracht.
Da die Beschwerdeführerin gegenüber den einschreitenden Organwaltern des genannten Finanzamtes behauptete, die Voraussetzungen des § 89 Abs 3 lit b FinStrG lägen nicht vor, wurden die abgenommenen Unterlagen (Tagesstrazzen, zugehöriger Microfilm, Belege, Schriftverkehr) im Sinn des § 89 Abs 5 leg cit ohne weitere Untersuchung unter Siegel genommen und dem Vorsitzenden des Spruchsenates beim Finanzamt Klagenfurt (in der Folge: Vorsitzende) übergeben. Der Vorsitzende ordnete mit Bescheid vom 29. Jänner 1990 bloß die Beschlagnahme der vom Finanzamt der Beschwerdeführerin abgenommenen Tagesstrazzen nach der zuletzt genannten gesetzlichen Bestimmung an. Das gegen diesen Bescheid gerichtete Rechtsmittel der Beschwerde wurde mit Rechtsmittelentscheidung vom 30. April 1990 abgewiesen, wogegen eine unter der hg Zl 90/14/0112 protokollierte Beschwerde erhoben wurde.
Gegen die Beschlagnahmeanordnung vom 19. Jänner 1990 ergriff die Beschwerdeführerin ebenfalls das Rechtsmittel der Beschwerde, wobei sie zur Begründung im wesentlichen ausführte, durch die Beschlagnahme der Tagesstrazzen werde das Bankgeheimnis einer Vielzahl von Kunden, die mit dem anhängigen Finanzstrafverfahren nichts zu tun hätten, gefährdet. Die bereits vollzogene Beschlagnahme sei daher rechtswidrig erfolgt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Rechtsmittel ab, wobei sie zur Begründung unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 89 Abs 5 FinStrG ausführte, erst der Vorsitzende habe im vorliegenden Fall bescheidmäßig darüber zu entscheiden, ob die Tagesstrazzen der Beschlagnahme unterlägen. Dieser Entscheidungspflicht sei der Vorsitzende mit Bescheid vom 29. Jänner 1990 bereits nachgekommen. Der Beschlagnahmeanordnung vom 19. Jänner 1990 komme daher nur die Bedeutung einer verfahrensleitenden Maßnahme zu, die nicht mit gesondertem Rechtsmittel anfechtbar sei. Da die Beschlagnahmeanordnung jedoch eine Rechtsmittelbelehrung enthalte, sei das Rechtsmittel nicht zurückzuweisen, sondern abzuweisen. Allerdings komme im gegenständlichen Verfahren eine weitere Untersuchung der mutmaßlichen Beweismittel nicht in Frage. Diese Untersuchung stehe nur dem Vorsitzenden zu, die - wie ausgeführt - bereits erfolgt sei. Die Beschlagnahmeanordnung vom 19. Jänner 1990 entspreche den Bestimmungen des § 89 Abs 1 FinStrG. Durch diese werde auch das Bankgeheimnis nicht verletzt. Eine derartige Verletzung könne nur durch den nach § 89 Abs 5 leg cit ergangenen Bescheid des Vorsitzenden erfolgen. Überdies gelte die Beschlagnahmeanordnung vom 19. Jänner 1990 durch den Bescheid des Vorsitzenden vom 29. Jänner 1990, dessen Rechtmäßigkeit durch die Rechtsmittelentscheidung vom 30. April 1990 bestätigt worden sei, als ersetzt. Die bekämpfte Beschlagnahmeanordnung vom 19. Jänner 1990 gehöre daher nicht mehr dem Rechtsbestand an, weswegen dem dagegen erhobenen Rechtsmittel der Beschwerde auch aus diesem Grund keine Berechtigung zukomme.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem aus § 23 KWG erfließenden Recht auf Nichtbeschlagnahme der Tagesstrazzen nach § 89 Abs 1 FinStrG ungeachtet dessen, daß der Vorsitzende nach § 89 Abs 5 leg cit über die Beschlagnahme derselben bereits entschieden hat, verletzt und rügt, daß der Vorsitzende nicht auch über die Filmrollen entschieden hat.
In ihrer Gegenschrift beantragt die belangte Behörde, die Beschwerde möge zurückgewiesen, allenfalls als unbegründet und jedenfalls kostenpflichtig abgewiesen werden.
Wie nun der Verwaltungsgerichtshof im Beschluß vom 20. April 1989, Zl 88/16/0221, auf dessen dem Rechtsfreund der Beschwerdeführerin bekannten Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG hingewiesen wird, entschieden hat, gehört eine gemäß § 89 Abs 1 FinStrG erlassene Beschlagnahmeanordnung dann nicht mehr dem Rechtsbestand an, wenn der Vorsitzende über die Beschlagnahme von Beweismitteln nach § 89 Abs 5 leg cit bereits entschieden hat.
Die von der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf eine von ihrem Rechtsfreund verfaßte Rezension im Anwaltsblatt 1989, S 501 f, zum eben erwähnten hg Beschluß vertretene gegenteilige Ansicht überzeugt den Gerichtshof nicht.
Eine gemäß § 89 Abs 1 FinStrG erlassene Beschlagnahmeanordnung betreffend Beweismittel kann grundsätzlich mit Beschwerde nach § 152 Abs 1 leg cit bekämpft werden, um so prüfen zu können, ob die Beschlagnahme zu Recht erfolgt ist.
Im vorliegenden Fall wurden nur Beweismittel beschlagnahmt, die ohne weitere Untersuchung unter Siegel zu nehmen und ohne Verzug dem Vorsitzenden vorzulegen waren. Es war daher im gegenständlichen Verfahren gar nicht möglich, die beschlagnahmten Beweismittel dahingehend zu prüfen, ob diese als solche im Verfahren gegen den Kunden in Betracht kommen und damit der Beschlagnahme unterliegen. Schon allein aus diesem Umstand ergibt sich, daß die Beschlagnahmeanordnung vom 19. Jänner 1990 nur als vorläufige Maßnahme zur am 29. Jänner 1990 mit Bescheid des Vorsitzenden verfügten Beschlagnahme anzusehen ist.
Die Frage, ob Beweismittel, auf die sich eine gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit erstreckt, der Beschlagnahme unterliegen, ist Gegenstand der Entscheidung des Vorsitzenden, der seine Kompetenz dazu ua dann erlangt, wenn - wie im vorliegenden Fall - der zur Verschwiegenheit Verpflichtete behauptet, daß die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme nicht vorliegen. Nur in diesem engen Bereich des Geheimnisschutzes erfolgt die Prüfung und Entscheidung des Vorsitzenden. Erfaßt aber dieser enge Bereich die insgesamt beschlagnahmten Beweismittel, wird die Beschlagnahme - wie sich aus dem letzten Satz des § 89 Abs 5 FinStrG ergibt - erst mit dem Bescheid des Vorsitzenden vollzogen.
Von einer Verletzung des Bankgeheimnisses im "Zwischenstadium" der Beschlagnahme nach § 89 Abs 1 FinStrG und der Erlassung des Bescheides nach § 89 Abs 5 leg cit durch den Vorsitzenden kann daher keine Rede sein. Denn in diesem Stadium war der Inhalt der Tagesstrazzen und der (laut Aktenlage) dem genannten Finanzamt nicht übergebenen weiteren Unterlagen (zugehöriger Microfilm, Belege, Schriftverkehr) nur dem Vorsitzenden, dem die Qualifikation eines "Tribunals" im Sinn des Art 6 MRK zukommt, bekannt.
Aus dem gegen den Kunden eingeleiteten verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren, dessen Einleitung der Beschwerdeführerin bereits vor der Übergabe der Beschlagnahmeanordnung bekannt war, ergibt sich, daß die allgemeinen formellen Voraussetzungen für eine Vorgangsweise nach § 89 Abs 1 FinStrG im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin gegeben waren.
Die Ansicht der Beschwerdeführerin, der Vorsitzende habe über die Zulässigkeit der Beschlagnahme der Filmrollen (gemeint: der Microfilm) nicht entschieden, teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Unter dem Ausdruck Tagesstrazzen sind Aufzeichnungen zu verstehen, gleichgültig welches Trägermaterial und welche Aufzeichnungstechnik Verwendung gefunden hat (Papier, Magnetplatte, Film etc). Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, der Vorsitzende habe lediglich die Übertragung mit Schriftzeichen auf Papier unter dem Ausdruck verstanden.
Das Rechtsmittel der Beschwerde wäre daher von der belangten Behörde ungeachtet der der Beschlagnahmeanordnung beigefügten Rechtsmittelbelehrung zurück- und nicht abzuweisen gewesen, wodurch die Beschwerdeführerin jedoch in keinem Recht verletzt worden ist.
Es erübrigte sich daher, auf die Ausführungen betreffend die Verletzung des Bankgeheimnisses anderer Kunden der Beschwerdeführerin sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften einzugehen.
Bemerkt wird, daß die Beschwerdeführerin im Rechtsmittelverfahren gegen den Bescheid des Vorsitzenden vom 29. Jänner 1990, in dem sie vom selben Rechtsfreund vertreten wurde, ausgeführt hat, dieser Bescheid habe konstitutiven Charakter; somit werde in diesem entschieden, ob bestimmte Beweismittel der Beschlagnahme unterlägen.
Der Beschwerde mangelt nach dem Gesagten die Berechtigung zu ihrer Erhebung, weswegen sie mit Beschluß zurückzuweisen war.
Von der beantragten Verhandlung konnte im Sinn des § 39 Abs 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Finanzverwaltung und öffentliche VerwaltungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990140118.X00Im RIS seit
19.09.2001