TE Vwgh Erkenntnis 1991/1/29 90/04/0263

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Veröffentlicht am 29.01.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 10. August 1990, Zl. 313.266/1-III/4/90, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom 22. Jänner 1990 wurde dem Beschwerdeführer seine Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe "Verleih von Videokassetten und Videorekordern für den nicht öffentlichen Gebrauch (Videothek) gemäß § 6 Z. 3 GewO 1973" im Standort X, A-Straße 67, unter Berufung auf § 87 Abs. 1 Z. 2 a GewO 1973 entzogen. Zur Begründung führte die Bezirkshauptmannschaft aus, der Beschwerdeführer sei mit Straferkenntnis vom 5. Februar 1988 in der Fassung des Berufungsbescheides des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung (richtig wohl: Landeshauptmann von Niederösterreich) vom 26. September 1988 nach § 4 Abs. 1 Z. 2 Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz, mit Straferkenntnis vom 25. Juli 1987 (Berufungsbescheid vom 31. März 1988) nach § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973, mit Straferkenntnis vom 12. März 1985 (Berufungsbescheid vom 22. Jänner 1986) nach § 367 Z. 60 und mit Straferkenntnis vom 14. März 1989 (Berufungsbescheid vom 22. September 1989) wegen § 2 Abs. 2 Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz verurteilt worden. Da vom Gendarmerieposten Gmünd I neuerlich am 4. November 1989 Anzeige wegen Übertretung des Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetzes erstattet worden sei und somit weiteres vorschriftswidriges Verhalten zu befürchten sei, sei die Gewerbeberechtigung zu entziehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, welcher der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 23. April 1990 nicht Folge gab und den erstbehördlichen Bescheid bestätigte. Der Landeshauptmann legte seiner Entscheidung zuzüglich zu den erstbehördlichen Feststellungen noch die weiteren Verurteilungen des Beschwerdeführers mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom 19. Oktober 1989 (Berufungsbescheid vom 23. März 1990) wegen § 2 Abs. 2 BZG und das noch nicht in Rechtskraft erwachsene erstbehördliche Straferkenntnis vom 20. März 1990 wegen § 368 Z. 1 Punkt 13 GewO 1973 sowie ein weiteres noch im Stadium des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens befindliches Strafverfahren wegen Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 zugrunde.

Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid vom 10. August 1990 gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dieser Berufung teilweise Folge und änderte den zweitbehördlichen Bescheid dahin ab, daß die Gewerbeberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 lit. a und Abs. 3 GewO 1973 auf Dauer von 3 Monaten entzogen werde. Zur Begründung führte der Bundesminister nach Darstellung des Inhaltes der Bestimmung des § 87 Abs. 1 Z. 2 lit. a und Abs. 3 GewO 1973 aus, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 habe die Berufungsbehörde in der Sache zu entscheiden. Sache im Sinne dieser Bestimmung sei die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet habe. Daraus ergebe sich, daß der Berufungsentscheidung lediglich jener Sachverhalt als Grundlage des Verfahrens dienen könne, der in der Entscheidung erster Instanz zumindest berücksichtigt hätte werden können. Da der erstinstanzliche Bescheid am 31. Jänner 1990 durch Zustellung erlassen worden sei, könnten im Berufungsverfahren nur Verwaltungsübertretungen berücksichtigt werden, die zu diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftig gewesen seien. Es seien dies die bereits im erstbehördlichen Straferkenntnis zitierten Straferkenntnisse und Strafverfügungen. Die Bestrafungen nach § 4 Abs. 1 Z. 2 BZG und § 2 Abs. 2 BZG stünden ebenso im Zusammenhang mit der Gewerbeausübung des Beschwerdeführers wie die Bestrafung wegen Übertretung des § 36 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973. In den beiden erstgenannten Fällen seien die Geschäftsräumlichkeiten des Beschwerdeführers während der gesetzlich normierten Sperrzeit offengehalten worden. Die Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 betreffe die unbefugte Ausübung des Handelsgewerbes gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973, welche ebenfalls im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb des Beschwerdeführers erfolgt sei. Hingegen komme die Bestrafung wegen Übertretung des § 367 Z. 60 GewO 1973 im gegenständlichen Verfahren nicht zum Tragen, da der dieser Bestrafung zugrunde liegende Sachverhalt im Zusammenhang mit einer Autoreparatur gestanden sei, welche der Beschwerdeführer von einer nicht zur Ausübung des Kraftfahrzeugmechanikergewerbes befugten Person vornehmen habe lassen. Diese Vorgangsweise stehe in keinem Konnex mit der Gewerbeausübung des Beschwerdeführers. Insgesamt zeige sich somit, daß zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erster Instanz 3 rechtskräftige Straferkenntnisse dem Rechtsbestand angehört hätten, mit welchen über den Beschwerdeführer Strafen wegen Übertretung von gewerberechtlichen Vorschriften, die die Ausübung des Gewerbes regeln, oder von anderen Rechtsvorschriften, die den Gegenstand des Gewerbes bildende Tätigkeiten regelten, verhängt worden seien. Die genannten Bestrafungen stünden samt und sonders im Zusammenhang mit der Gewerbeausübung des Beschwerdeführers; ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten sei schon deshalb zu befürchten, weil nach der Erlassung des Bescheides erster Instanz neuerlich zumindest eine rechtskräftige Bestrafung wegen Übertretung des BZG erfolgt sei. Diese Bestrafung könne zwar nicht dem Verfahren zur Entziehung der Gewerbeberechtigung zugrunde gelegt werden, wohl aber zur Beurteilung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers herangezogen werden. Zur Person des Beschwerdeführers sei festzuhalten, daß die mehrfachen (über Jahre hinweg begangenen) Übertretungen verwaltungsrechtlicher Vorschriften auf relativ geringe Hemmungen des Beschwerdeführers, straffällig zu werden, schließen ließen. Es sei daher den Vorinstanzen darin zu folgen, daß ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten des Beschwerdeführers grundsätzlich zu befürchten sei. Allerdings könne angesichts dessen, daß der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren erstmals in die Lage gesetzt worden sei, die Tragweite der Übertretung von einschlägigen Verwaltungsvorschriften für seine gewerbliche Tätigkeit zu erkennen, in einer auf 3 Monate befristeten Entziehung der Gewerbeberechtigung eine Mindestmaßnahme erblickt werden, welche ausreichen sollte, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Gewerbeinhabers sicherzustellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Unterbleiben der Entziehungsmaßnahme verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer (soweit sein Vorbringen nachvollziehbar ist) zusammengefaßt vor, da die Behörde erster Instanz die Erwartung weiteren vorschriftswidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers auf den Umstand der Anzeige vom 4. November 1989 gestützt habe, hätte die belangte Behörde im Hinblick auf die Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG 1950 zur Beurteilung dieser Frage nur diesen Sachverhalt heranziehen dürfen. Aus diesem Sachverhalt könne aber die in Rede stehende Befürchtung nicht abgeleitet werden, weil das diesbezügliche Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. Es wäre zwar ohne weiteres rechtlich vertretbar gewesen, nach dem Straferkenntnis vom 14. März 1989 in der Fassung des Berufungsbescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. September 1989 mit Entziehung der Gewerbeberechtigung vorzugehen. Das sei aber nicht geschehen. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt der Beschwerdeführer darin, daß er im Verfahren erster Instanz durch einen Unfall und anschließende Bettlägrigkeit gehindert gewesen sei, zu den ihm bekanntgegebenen Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Außerdem habe es die Behörde erster Instanz unterlassen, die zuständige Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft und die Kammer für Arbeiter und Angestellte zu hören. Jedenfalls fehle ein entsprechender Hinweis in der Begründung des angefochtenen Bescheides. Da es sich hiebei um einen Ermessensbescheid handle, wären entsprechende Begründungsdarlegungen erforderlich gewesen.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 lit. a GewO 1973 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber mindestens dreimal wegen Übertretung von gewerberechtlichen Vorschriften, die die Ausübung des Gewerbes regeln, oder von anderen Rechtsvorschriften, die den Gegenstand des Gewerbes bildende Tätigkeiten regeln, bestraft worden ist und ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten zu befürchten ist.

Als aktenwidrig erweist sich zunächst der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe es entgegen der Bestimmung des § 361 Abs. 2 GewO 1973 unterlassen, die zuständige Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft und die Kammer für Arbeiter und Angestellte zu hören. In den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten des Verwaltungsverfahrens erliegen vielmehr die Äußerung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich vom 23. November 1989 und jene der Handelskammer Niederösterreich, Sektion Industrie, vom 5. Dezember 1989, in welchen jeweils gegen die beabsichtigte Entziehung der in Rede stehenden Gewerbeberechtigung keine Einwände erhoben werden.

Im übrigen handelt es sich bei der von der Behörde nach § 87 Abs. 1 Z. 2 lit. a GewO 1973 zu treffenden Entscheidung nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um eine Entscheidung im Rahmen gesetzlicher Gebundenheit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1985, Zl. 84/04/0073, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Der Beschwerdeführer ist zwar im Recht, wenn er meint, zufolge § 66 Abs. 4 AVG 1950 dürfe die Berufungsbehörde nur in der Sache selbst entscheiden. Er irrt hiebei jedoch über den Begriff der Sache. Sache im Sinne dieser Gesetzesstelle ist jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat. Das bedeutet nicht, daß die Berufungsbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Sachverhaltsfeststellungen der Unterinstanzen beschränkt wäre. Sie ist vielmehr zufolge der gesetzlichen Anordnung, berechtigt zu sein, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, berechtigt und verpflichtet, im Rahmen des Abspruchsgegenstandes der Unterinstanz den Sachverhalt zur Gänze neu zu überprüfen und allenfalls zu ergänzen. Es bildet daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, wenn die belangte Behörde ihre - grundsätzlich auch vom Beschwerdeführer als richtig anerkannte - Annahme der Befürchtung weiteren vorschriftswidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers auf einen anderen Sachverhalt stützte als die Unterbehörden. Schließlich vermag der Beschwerdeführer auch mit dem Vorbringen, er sei im Verfahren erster Instanz durch Unfall und anschließende Bettlägrigkeit an einer Stellungnahme zu den Beweisergebnissen gehindert worden, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht darzutun, weil er im anschließenden Rechtsmittelverfahren ausreichend Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt darzulegen und hievon auch Gebrauch machte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1986, Zl. 85/07/0305).

Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als nicht begründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtsmittelverfahren BerufungParteiengehör Rechtsmittelverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990040263.X00

Im RIS seit

29.01.1991

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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