TE Vfgh Erkenntnis 1988/6/13 B156/87

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Veröffentlicht am 13.06.1988
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art119a Abs5
StGG Art5 / Eingriff / Bescheid verfahrensrechtlicher
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Wiesmath vom 19.12.75
Nö ROG 1976 §1 Abs2 Z6 erster Satz
Nö ROG 1976 §30 Abs3
Nö ROG 1976 §97 Abs1
AVG §13 Abs3
Nö GdO 1973 §61 Abs5
Nö ROG 1974 §10 Abs2

Leitsatz

Vorstellungsverfahren 2. Rechtsgang; Bindung des VfGH an ersten Vorstellungsbescheid steht verfassungskonformer Interpretation des Gesetzes und Prüfung präjudizieller Normen nicht entgegen keine mangelhafte Grundlagenforschung; Vermeidung von Siedlungstätigkeit in isolierter Lage; keine Bedenken gegen den Flächenwidmungsplan der Gemeinde Wiesmarth vom 19. Dezember 1975 - Festlegung der Widmung "Grünland" für das Grundstück der Bf. nicht gesetzwidrig; keine gleichheitswidrige Auslegung des §97 Abs1 NÖ BauO 1976

Spruch

Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Wiesmath vom 20. Mai 1983 wurde das Ansuchen der Bf. vom 10. Oktober 1977 um Erteilung der Baubewilligung zum Neubau eines Wirtschaftsgebäudes auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück 143/5 in EZ 1030 KG Wiesmath unter Berufung auf §100 Abs4 der NÖ. Bauordnung 1976, LGBl. 8200, abgewiesen.

Die Berufung der Bf. gegen diesen Bescheid wies der Gemeinderat der Marktgemeinde Wiesmath mit Bescheid vom 19. Oktober 1984 ab, nachdem die Bf. Säumnisbeschwerde an den VwGH erhoben hatte.

Die Niederösterreichische Landesregierung gab der Vorstellung der Bf. mit dem - von der Bf. nicht bekämpften Bescheid vom 2. Mai 1985 Folge, behob den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat. Dies mit der Begründung, daß die Baubehörden den für die Entscheidung rechtlich bedeutsamen Sachverhalt nicht ausreichend erhoben hätten.

In der Folge erteilte der Gemeinderat unter Berufung auf §13 Abs3 AVG 1950 der Bf. den Auftrag, ihr Bauansuchen durch bestimmte Angaben zu ergänzen.

Schließlich wies der Gemeinderat mit Bescheid vom 15. Mai 1986 das Bauansuchen unter Berufung auf §13 Abs3 AVG 1950 mit der Begründung zurück, die Bf. habe dem Verbesserungsauftrag nicht vollständig entsprochen.

Die Vorstellung der Bf. gegen diesen Bescheid wies die bel. Beh. mit Bescheid vom 8. Jänner 1987 als unbegründet ab.

2.a) Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung von Rechten durch Anwendung einer gesetzwidrigen V sowie die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

b) Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Gemeinderat hat als Baubehörde II. Instanz in einer Angelegenheit der örtlichen Baupolizei, somit in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde (Art118 Abs3 Z9 B-VG, §32 Abs2 Z9 NÖ Gemeindeordnung 1973, im folgenden NÖ GO 1973) einen auf §13 Abs3 AVG 1950 gestützten verfahrensrechtlichen Bescheid erlassen. Auch gegen einen solchen Bescheid ist die Vorstellung zulässig (VwSlg. 7456 A/1968). Zur Entscheidung hierüber ist, da es sich um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde aus dem Bereich der Vollziehung des Landes handelt, die Landesregierung berufen (§86 Abs1 iVm §85 Abs2 NÖ GO 1973).

2.a) Gegenstand der Beschwerde ist ausschließlich der (zweite) Vorstellungsbescheid vom 8. Jänner 1987. Die bel. Beh. hatte bei der Erlassung dieses Bescheides zu beurteilen, ob durch den (zweiten) Bescheid des Gemeinderates vom 15. Mai 1986 Rechte der Bf. verletzt wurden (§61 Abs4 NÖ GO 1973). Dabei hatte die bel. Beh. als Vorstellungsbehörde im zweiten Rechtsgang nur mehr zu prüfen, ob der Gemeinderat als Berufungsbehörde bei seiner neuerlichen Entscheidung der den Spruch des - unbekämpft gebliebenen - (ersten) Vorstellungsbescheides vom 2. Mai 1985 tragenden Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde Rechnung getragen hatte.

Der Gemeinderat war im neuerlichen Verfahren gemäß §61 Abs5 erster Satz NÖ GO 1973 an die im (ersten) Vorstellungsbescheid vom 2. Mai 1985 geäußerte "Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde" gebunden, wobei sich diese Bindung sowohl auf Fragen des materiellen Rechts wie auch des Verfahrensrechts bezog (VwGH 27. 11. 1972, Zl. 801/72). Auch für die bel. Beh. als (Aufsichts- und damit) Vorstellungsbehörde bestand im zweiten Rechtsgang eine Bindung an die in ihrem ersten Vorstellungsbescheid geäußerte Rechtsansicht (VfSlg. 10012/1984), wonach der Gemeinderat als Baubehörde II. Instanz auf Grund entsprechender, von der Bf. gemäß §97 Abs1 NÖ Bauordnung 1976 (im folgenden: NÖ BO 1976) zu machender Angaben unter Heranziehung eines Sachverständigengutachtens zu klären haben werde, ob das geplante Gebäude im Sinne des §19 Abs4 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 (NÖ ROG 1976) für eine Grünlandnutzung nach §19 Abs2 dieses Gesetzes erforderlich ist. Zur Erstellung des erforderlichen Sachverständigengutachtens bedürfe es, wie die bel. Beh. in den den Spruch ihres (ersten) Vorstellungsbescheides tragenden Gründen weiters zum Ausdruck brachte, einer umfassenden Darstellung der Bf., wie sie ihre als Grünland gewidmete Grundfläche zu nutzen beabsichtige und aus welchen Gründen die Errichtung des geplanten Gebäudes aus betriebswirtschaftlicher Sicht für diese Nutzung erforderlich sei. Die Vorstellungsbehörde hielt eine eingehende Darstellung des Verwendungszweckes und der Betriebsweise der zu errichtenden Räumlichkeiten und Anlagen sowie betriebswirtschaftlich begründete Angaben zur Beurteilung der Frage für erforderlich, ob eine planvolle, grundsätzlich auf die Erzielung von Einnahmen gerichtete nachhaltige Tätigkeit beabsichtigt ist, die zumindest als landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb (und damit als eine dem §19 Abs2 NÖ ROG 1976 entsprechende "land- und forstwirtschaftliche Nutzung"), angesehen werden kann.

b) Auch der VfGH ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren an den Spruch und die ihn tragenden Gründe des (ersten) Vorstellungsbescheides vom 2. Mai 1985 gebunden (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des Österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4, S 204; VwGH 24. 2. 1984, 83/17/0147). Diese Bindung bestünde selbst dann, wenn die den Spruch des aufhebenden Vorstellungsbescheides tragenden Gründe mit der objektiven Rechtslage nicht im Einklang stünden (VwSlg. 8091 A/1971; VwGH 18. 11. 1982, 81/06/0078).

Allerdings hindert sie den VfGH nicht, die dem (ersten und den zweiten) Vorstellungsbescheid zugrundeliegenden - und daher im Sinne des Art140 Abs1 B-VG vom VfGH anzuwendenden - Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (vgl. die zur Bindung des VfGH an die Rechtsanschauung des VwGH mit VfSlg. 7330/1974 eingeleitete Rechtsprechung, insbesondere VfSlg. 10459/1985 und die dort zitierte Vorjudikatur). Eine Bindung des VfGH an die den Spruch des (ersten) Vorstellungsbescheides tragenden Elemente seiner Begründung besteht ferner dann nicht, wenn der VfGH zum Ergebnis kommt, daß infolge des Erfordernisses einer verfassungskonformen Interpretation ein Gesetz einen anderen als den von der Vorstellungsbehörde angenommenen Inhalt haben muß (vgl. auch diesbezüglich die Judikatur zur Bindung des VfGH an die Rechtsanschauung des VwGH, hier etwa VfSlg. 8536/1979, 8782/1980).

Die Bindung des VfGH an den Spruch des (ersten) Vorstellungsbescheides und die diesen tragenden Gründe steht auch einer Prüfung der Gesetzmäßigkeit der dem (ersten und dem zweiten) Vorstellungsbescheid zugrundeliegenden - und daher vom VfGH im Sinne des Art139 Abs1 B-VG anzuwendenden Verordnungen durch den VfGH nicht entgegen.

3.a) Sowohl der Gemeinderat (bei der Erlassung des Verbesserungsauftrages und des zweiten Berufungsbescheides) als auch die bel. Beh. (bei der Erlassung des ersten und des zweiten Vorstellungsbescheides) gingen davon aus, daß das geplante Gebäude auf einem Grundstück errichtet werden soll, das auf Grund des geltenden Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Wiesmath zum "Grünland" gehört. Auf Grund dieser Widmung des Grundstückes sind auf ihm zufolge der Vorschrift des §19 Abs4 NÖ ROG 1976 Neu-, Zu- und Umbauten nur zulässig, wenn sie für eine Nutzung nach §19 Abs2 leg. cit. - im vorliegenden Fall für die (im §19 Abs2 NÖ ROG 1976 unter anderem genannte) landund forstwirtschaftliche Nutzung - erforderlich sind. Die vom Gemeinderat mit dem Verbesserungsauftrag von der Bf. geforderten ergänzenden Angaben sollten dem Gemeinderat - im Sinne der von der Vorstellungsbehörde in der Begründung des (ersten) Vorstellungsbescheides geäußerten, den Spruch des Bescheides tragenden Rechtsansicht - eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Frage liefern, ob das von der Bf. geplante Gebäude für die beabsichtigte landwirtschaftliche Nutzung des Grundstückes im Sinne des §19 Abs4 NÖ ROG 1976 erforderlich ist. Die vom Gemeinderat (mit dem zweiten Berufungsbescheid) ausgesprochene Zurückweisung des Bauansuchens erfolgte, weil die Bf. nach Ansicht der bel. Beh. es (entgegen dem Verbesserungsauftrag) unterlassen hatte, alle jene Angaben zu machen, die der bel. Beh. die in Rede stehende Beurteilung ermöglichen sollten.

Der Gemeinderat und die Vorstellungsbehörde stützten ihre Entscheidung, daß das Grundstück der Bf. als "Grünland" gewidmet ist, auf den Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Wiesmath, soweit sich dieser auf das Grundstück der Bf. bezieht. In diesem Umfang wurde der Flächenwidmungsplan somit (auch) von der bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet.

Der hier maßgebende Flächenwidmungsplan ist ein Bestandteil des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Marktgemeinde Wiesmath, das vom Gemeinderat am 19. Dezember 1975 beschlossen und mit dem Bescheid der NÖ Landesregierung vom 29. April 1976, unter Berufung auf §17 Abs4 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 genehmigt wurde. Der Flächenwidmungsplan ist am 5. Juni 1976 in Kraft getreten. Ihm kommt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH der Rechtscharakter einer V im Sinne des Art139 B-VG zu (siehe etwa VfSlg. 9260/1981).

Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Flächenwidmungsplanes bildete das NÖ Raumordnungsgesetz 1974 dessen Rechtsgrundlage. Es war dies die mit Kundmachung der NÖ Landesregierung vom 23. April 1974, LGBl. 8000-0, vorgenommene Wiederverlautbarung des NÖ Raumordnungsgesetzes, LGBl. 275/1968, in der Fassung des Gesetzes vom 5. April 1973, LGBl. 8000-1.

Das NÖ Raumordnungsgesetz 1974 ist mit dem Inkrafttreten des NÖ ROG 1976 am 1. Jänner 1977 außer Kraft getreten. Nach §30 Abs3 NÖ ROG 1976 gelten die nach den bisherigen Bestimmungen aufgestellten örtlichen Raumordnungsprogramme nach diesem Gesetz weiter. Kraft dieser Übergangsbestimmung des NÖ ROG 1976 steht der Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Wiesmath vom 19. Dezember 1975 weiterhin als V in Geltung (siehe dazu VfSlg. 8280/1978).

Dieser Flächenwidmungsplan wurde, wie dargelegt, bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet, soweit darin für das Grundstück der Bf. (143/5 EZ 1030 KG Wiesmath) die Widmung "Grünland" festgelegt ist. Auch der VfGH hat diesen Flächenwidmungsplan bei der Entscheidung über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde insoweit anzuwenden.

b) Die Bf. begründet die geltend gemachte Verletzung in ihren Rechten durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm mit der behaupteten Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Wiesmath, soweit sich dieser auf ihr Grundstück bezieht. Sie bringt in diesem Zusammenhang, auf das Wesentliche zusammengefaßt, vor: Ihr Grundstück sei, obwohl im Ortsgebiet gelegen, schon im Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes ohne sachliche Begründung und ohne daß die örtlichen Gegebenheiten und Erfordernisse dafür vorgelegen hätten, vom Bauland ausgenommen worden. Überdies hätten sich die örtlichen Gegebenheiten und Erfordernisse zwischen der Erlassung des Flächenwidmungsplanes und der Erlassung des angefochtenen Bescheides insbesondere durch die fortschreitende Vergrößerung der Gemeinde derart verändert, daß es keinesfalls mehr gerechtfertigt sei, das Grundstück der Bf. als einziges als "Grünland" gewidmet zu lassen, während die benachbarten Grundstücke bereits zum "Bauland" gehörten. Es sei unterlassen worden, den Flächenwidmungsplan auf seine Übereinstimmung mit dem im Vergleich zum NÖ Raumordnungsgesetz 1974 weniger restriktiven NÖ ROG 1976 zu überprüfen und ihn entsprechend anzupassen, sodaß er verfassungswidrig geworden sei.

c) Der VfGH hat die inhaltliche Gesetzmäßigkeit des gegenständlichen Flächenwidmungsplanes, soweit er sich auf das Grundstück der Bf. bezieht und mithin für den VfGH

präjudiziell ist, mit Rücksicht auf die Übergangsbestimmung des §30 Abs3 NÖ ROG 1976 an diesem Gesetz zu messen (vgl. VfSlg. 8463/1978, S 494f.).

Der Entwurf des Flächenwidmungsplanes wurde gemäß §17 Abs1 NÖ Raumordnungsgesetz 1974 (ihm entspricht nunmehr §21 Abs1 NÖ ROG 1976) durch acht Wochen, und zwar vom 21. Juli 1975 bis 15. September 1975, im Gemeindeamt der Marktgemeinde Wiesmath während der Amtsstunden zur allgemeinen Einsicht aufgelegt und dies mit dem Hinweis kundgemacht, daß jedermann berechtigt sei, innerhalb der Auflegungsfrist zum Entwurf schriftlich Stellung zu nehmen. Die Bf. hat mit Schriftsatz vom 12. September 1975 rechtzeitig im Sinne des §17 Abs2 NÖ Raumordnungsgesetz 1974 (ihm entspricht nunmehr §21 Abs2 NÖ ROG 1976) eine Stellungnahme abgegeben, in der sie abschließend den Antrag stellte, das in ihrem Eigentum stehende Grundstück in das Bauland aufzunehmen. Zur Begründung ihres Antrages führte sie aus:

"In dem gegenständlichen Flächenwidmungsplan ist das mir gehörige Grundstück 143/5 und die Nachbargrundstücke 141/2 und 143/4 als einzige in dem gesamten dortigen Bereich vom Bauland ausgenommen. Westlich schließt der Sportplatz und weitere Bauflächen an, im Osten trifft dies ebenfalls zu. Die Tiefe des Baulandes beträgt im Bereich des Sportplatzes rund 100 Meter, ostwärts von meinem Grundstück jedoch weniger. Es ist nicht einzusehen, warum gerade diese drei Grundstücke nicht als Bauland bezeichnet wurden. Das Grundstück 141/2 ist als Abstellplatz für den Sportplatz vorgesehen, so daß dann lediglich nur das mir gehörige Grundstück und das Grundstück 143/4 nicht in das Bauland aufgenommen wurde. Es besteht zu meinem Grundstück eine Verbindung zum öffentlichen Gut, da die Wegparzelle Nr. 777/12 wohl der Marktgemeinde Wiesmath gehört, als öffentliches Gut daher ohne weiters zur Verfügung stünde. Dieser Weg stellt die Verbindung zu dem bereits bestehenden Haus der Eheleute G dar. Es besteht daher sehr wohl eine Verbindung zum öffentlichen Gut. Ein Teil des mir gehörigen Grundstückes 143/5 befindet sich in dem Bereich, der ansonsten als Bauland erklärt wurde, wobei der südliche schmale Streifen meines Grundstückes genau zwischen zwei Bauflächen liegt. Das Grundstück liegt daher zu einem Teil im Bauland. Die Grenzführung des Baulandes geht so, daß gerade mein Grundstück ausgenommen wird, und dies ist unzulässig.

Auch bei Betrachtung der Situation in der gesamten Gegend steht eindeutig fest, daß kein Grund besteht, das mir gehörige Grundstück vom Bauland auszunehmen. Ostwärts meines Grundstückes werden landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, nämlich die Parzellen 144 und 162, beide in das Bauland aufgenommen, ohne daß hiefür eine Notwendigkeit bestünde. Fest steht, daß es unzulässig und den Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes widersprechend wäre, das mir gehörige Grundstück 143/5 nicht in das Bauland aufzunehmen."

Der Gemeinderat der Marktgemeinde Wiesmath faßte in seiner Sitzung am 17. Oktober 1975 den einstimmigen Beschluß, den "Antrag" der Bf. "abzulehnen" und verwies zur Begründung auf das eingeholte Gutachten des Dipl. Ing. H B, eines Fachberaters für Raumplanung und Raumordnung, vom 29. September 1975. Dieses Gutachten, in dem empfohlen wurde, das im Eigentum der Bf. stehende Grundstück in seiner Gesamtheit "in der vorgeschlagenen Widmung Grünland Gl Landwirtschaft zu belassen", hat folgenden Wortlaut:

"Die Parz. 143/5 mit den Abmessungen ca 100 x 23 Meter liegt im Grünland und wird allseits von Grünland umschlossen. Sie wird als Grünland genutzt. Ein über 100 Meter langer Weg, der Bestandteil der Parz. 143/5 ist, stellt eine Verbindung zur Parz. 777/12 her, die ihrerseits den Zugang zur Schulstraße ermöglicht. Da auf den Parz. 143/5 und 777/12 Weg-Servitute bestehen und die Parz. 141/2 ebenfalls zu schmal für eine ordnungsgemäße Bebauung sind, konnte die Widmung Bauland BW Wohngebiet nicht bis zum Sportplatz weitergeführt werden. Ein kleiner Teil der Parz. 144 und 162 mußte in die Widmung Bauland BW Wohngebiet aufgenommen werden, um sowohl die Baulücke zwischen bestehenden Objekten schließen zu können, als auch eine wirtschaftliche beidseitige Bebauung der Schulstraße zu erreichen. Die im Eigentum der Einschreiterin befindliche Parz. 143/5 ist so gestaltet, daß sie erst in einer Entfernung von 130 Meter Luftlinie bzw. 150 Meter Weg von der Schulstraße technisch überhaupt bebaubar wäre. Ein Gebäude auf der Parz. 143/5 wäre von der geschlossenen Bebauung mindestens 110 Meter entfernt, wäre allseits von Grünland umgeben und würde den Kriterien einer 'Verhüttelung' entsprechen. Da genügend besser geeignete Baulandreserven vorhanden sind, ist daher die Widmung der Parz. 143/5 als Bauland BW Wohngebiet unter Berücksichtigung des NÖ Raumordnungsgesetzes I. Abschn. §1 Abs1 und Abs3, sachlich nicht gerecht-fertigt."

Aus diesem Gutachten sowie aus dem von der Marktgemeinde Wiesmath vorgelegten Flächenwidmungsplan ergibt sich, daß die an das Grundstück der Bf. angrenzenden Grundstücke 141/2, 143/1 und 143/4 als "Grünland" gewidmet sind und daß vom Grundstück 144 nur ein an das Grundstück der Bf. nicht angrenzender Teil die Widmung "Bauland" aufweist. Lediglich jener Teil des Grundstückes der Bf., der die (über 100 m lange) Zufahrt zu diesem bildet, grenzt an einer Seite (an die Grundstücke 143/2 und 143/3 und damit) an das Bauland an.

Das Grundstück der Bf. war bereits vor dem Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes nach dem vom Gemeinderat der Marktgemeinde Wiesmath am 21. November 1969 gemäß §24 Abs1 NÖ Raumordnungsgesetz, LGBl. 275/1968, beschlossenen, von der Landesregierung mit Bescheid vom 17. Juli 1970 genehmigten vereinfachten Flächenwidmungsplan nicht als Bauland gewidmet gewesen. Nach den Festlegungen des geltenden Flächenwidmungsplanes ragt es mit jenem Teil, der auf Grund seiner Abmessungen allein für eine Bebauung in Betracht käme, in das Grünland derart hinein, daß es von diesem auf vier Seiten (auf jener Seite, an welche die Zufahrt anschließt, nur teilweise) umschlossen ist. Lediglich die wiederholt erwähnte Zufahrt ragt (im wesentlichen soweit sie an die Grundstücke 143/2 und 143/3 angrenzt) in das Bauland hinein.

Bei dieser Sachlage kann dem Gemeinderat in Bezug auf das Grundstück der Bf. nicht vorgeworfen werden, er habe die durch §10 Abs2 NÖ Raumordnungsgesetz 1974 geforderte Grundlagenforschung unterlassen oder so mangelhaft durchgeführt, daß die erkennbaren Entscheidungsgrundlagen keine Aussage darüber zuließen, ob der hier in Rede stehende Teil des Flächenwidmungsplanes den vom Gesetz vorgegebenen Zielen (siehe in diesem Zusammenhang §1 Abs2 Z6 erster Satz des NÖ ROG 1976, wonach eine Siedlungstätigkeit in isolierter Lage zu vermeiden ist) entspricht.

d) Der vom Gemeinderat am 19. Dezember 1975 beschlossene Flächenwidmungsplan wurde bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zweimal geändert, und zwar mit Beschluß des Gemeinderates vom 22. Juni 1978 (genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. Oktober 1978, in Kraft getreten am 30. November 1978) und mit Beschluß des Gemeinderates vom 22. Juni 1984 (genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. August 1984, in Kraft getreten am 5. September 1984). Keine dieser beiden Änderungen betraf das Grundstück der Bf. oder die in seiner Nachbarschaft gelegenen Grundstücke.

Daß die für die Widmung des Grundstückes der Bf. als "Grünland" bei Erlassung des Flächenwidmungsplanes maßgebend gewesenen "Gegebenheiten und Erfordernisse" sich - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nach diesem Zeitpunkt nicht entscheidend geändert haben, zeigt die in einem Akt des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung befindliche, vom fachlichen Standpunkt des Naturschutzes abgegebene gutächtliche Stellungnahme vom 30. Juli 1979, in der im wesentlichen ausgeführt wird:

"Die gegenständliche Parzelle liegt auf einem nordschauenden Hang, ist als Grünland-Landwirtschaft gewidmet und hat die Form eines Fahnengrundstückes (langgezogene Zufahrt ca. 100 Meter, Wiesengrundstück ca. 25 x 100 m mit ca. 2500 m2). Das Wiesengrundstück liegt zur Gänze exponiert auf der frei sichtbaren Hangschulter der Flur Eck Acker.

Das Charakteristikum der umgebenden Landschaft ist im wörtlichen Sinn die 'Bucklige Welt' - nämlich die herausragenden Buckeln in der Regel durch die Kirchenbauten der Ortschaften (z.B. Wiesmath, Annaberg usw.) oder als freie Landschaftselemente (Äcker oder Waldgruppen) weithin sichtbar. Diese Schönheit und Eigenart der Landschaft ist sowohl für den Fremdenverkehr als auch für die Erholungs- und Freizeitnutzung von besonderer Bedeutung. Bei der Ortsbesichtigung konnte festgestellt werden, daß ein blau/gelb markierter Wanderweg von Wiesmath ausgehend die Höhen- und Aussichtspunkte der näheren Umgebung verbindet. Die landschaftliche Bedeutung wird auch noch dadurch unterstrichen, daß Wiesmath gemäß NÖ Fremdenverkehrs-Raumordnungsprogramm (LGBL. 8000/27-O) als Eignungsstandort ausgewiesen ist, und gemäß NÖ Freizeit- und Erholungs-Raumordnungsprogramm (LGBl. 8000/30-O) als Erholungsraum eingestuft ist. Die Errichtung des gegenständlichen Bauwerkes auf der Parzelle 143/5 stellt einen massiven Eingriff in eine noch nicht zersiedelte landwirtschaftliche Wiesenflur dar, wobei wegen der exponierten allseitig einsehbaren Lage die negativen Auswirkungen einer Bauführung auch durch Vorschreibungen nicht ausgeschaltet werden können und sich daher aus dem vorstehenden Sachverhalt eine Beeinträchtigung im Sinne NÖ Naturschutzgesetz §4 Abs3 ergibt."

e) Der VfGH vermag bei den gegebenen Umständen nicht zu erkennen, daß die Festlegung der Widmung "Grünland" für das Grundstück der Bf. den Zielen des NÖ ROG 1976 nicht (mehr) entspräche.

Gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes im hier präjudiziellen Umfang bestehen somit unter dem Gesichtpunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken.

4. Die Bf. erachtet sich im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht deshalb verletzt, weil der angefochtene Bescheid davon ausgehe, daß die in ihrem Eigentum stehende Liegenschaft, auf der sie das Wirtschaftsgebäude zu errichten beabsichtige, im Grünland gelegen sei, was durch den nach Ansicht der Bf. gesetzwidrigen Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Wiesmath bewirkt werde.

Die Bf. läßt mit diesem Vorbringen außer acht, daß der im zweiten Rechtsgang erlassene Bescheid des Gemeinderates sich auf die Zurückweisung des Bauansuchens der Bf. im Sinne des §13 Abs3 AVG 1950 beschränkt. Ein solcher Bescheid ist nicht geeignet, einen Eingriff in das Eigentum zu bewirken (VfSlg. 9328/1982). Es ist daher von vornherein ausgeschlossen, daß der die Vorstellung der Bf. gegen diesen Bescheid abweisende Bescheid der bel. Beh. in das Eigentum eingreift. Die Bf. ist somit in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht nicht verletzt worden.

5. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 10413/1985) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Die Bf. erblickt eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz darin, daß der angefochtene Bescheid ebenso wie der im zweiten Rechtsgang erlassene Bescheid des Gemeinderates einerseits sich auf den nach ihrer Ansicht dem Gleichheitsgebot widersprechenden Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Wiesmath stütze und andererseits dem §97 Abs1 NÖ Bauordnung 1976 insofern einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstelle, als er daraus ableite, daß die Baupläne Angaben über die Betriebsweise und betriebswirtschaftlich begründete Kalkulationsgrundlagen zu enthalten hätten.

Daß der Flächenwidmungsplan, soweit er sich auf das Grundstück der Bf. bezieht, dem - aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes unbedenklichen - Gesetz nicht widerspricht, wurde bereits ausgeführt.

Nicht anders verhält es sich mit dem Vorwurf, der angefochtene Bescheid habe dem §97 Abs1 NÖ Bauordnung 1976 einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt. Mit diesem Vorwurf wird der Sache nach geltend gemacht, die bel. Beh. habe diese Gesetzesstelle in denkunmöglicher - Willkür indizierender (siehe dazu etwa VfSlg. 7962/1976) - Weise ausgelegt und dadurch die Bf. im Gleichheitsrecht verletzt. Nach dem ersten Satz dieser Bestimmung haben die Baupläne alle Angaben zu enthalten, die für die baupolizeiliche Beurteilung des Vorhabens notwendig sind. Dazu gehören alle Angaben, die erforderlich sind, um die Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen erkennen zu lassen (so Hauer, Die Bauordnung für Niederösterreich2, S 175, Anm. 1 zu §97). Bereits in dem unbekämpft gebliebenen (ersten) Vorstellungsbescheid vom 2. Mai 1985 hatte die Vorstellungsbehörde aus §97 Abs1 NÖ Bauordnung 1976 die Verpflichtung der Bauwerberin zur Bekanntgabe der ihr im zweiten Rechtsgang abverlangten weiteren Grundlagen für die Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens abgeleitet. Der angefochtene Bescheid hat der Bindungswirkung des (ersten) Vorstellungsbescheides Rechnung getragen.

Die von der bel. Beh. vorgenommene Auslegung des §97 NÖ Bauordnung 1976 (vgl. auch dessen Abs2, wonach den Bauplänen eine Beschreibung anzufügen ist, in der alle Angaben enthalten sind, die nicht aus den Bauplänen hervorgehen) ist nicht denkunmöglich. Ob sie auch richtig ist, entzieht sich der Beurteilung durch den VfGH (vgl. VfSlg. 9169/1981).

Daß die bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides in anderer Weise willkürlich vorgegangen wäre, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Es haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte für diese Annahme ergeben.

Die Bf. ist somit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht nicht verletzt worden.

6. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Bf. in von ihr nicht geltend gemachten Rechten verletzt wurde.

Die Bf. ist mithin weder in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 erster Satz B-VG antragsgemäß dem VwGH abzutreten.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Bescheid verfahrensrechtlicher, Gemeinderecht, Vorstellung, VfGH / Prüfungsmaßstab, Bindung (der Verwaltungsbehörden an behördliche Entscheidungen), Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Geltungsbereich einer Verordnung, VfGH / Prüfungsgegenstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B156.1987

Dokumentnummer

JFT_10119387_87B00156_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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