TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/5 90/05/0249

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Veröffentlicht am 05.02.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde 1.) des FG und 2.) der EG gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. Oktober 1990, Zl. BauR-010291/7-1990 See/Hd, betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages in einer Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 26. Juni 1990, Zl. 89/05/0235, zu verweisen, mit welchem der den Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführer abweisende Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juli 1989 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit im wesentlichen mit der Begründung aufgehoben worden war, daß die belangte Behörde wegen eines Rechtsirrtums hinsichtlich der Einbringungsstelle für diesen Wiedereinsetzungsantrag zu Unrecht von dessen verspäteter Einbringung ausgegangen sei.

Wie der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zu entnehmen ist, hat die belangte Behörde daraufhin den Antrag der Beschwerdeführer auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. März 1989 mit Bescheid vom 30. Oktober 1990 abgewiesen.

Die Behörde wies in der Begründung dieses Bescheides darauf hin, daß die Beschwerdeführer davon ausgegangen seien, ohne ihr Verschulden durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Einbringung des Rechtsmittels verhindert gewesen zu sein, weil sie am letzten Tag der Rechtsmittelfrist durch eine Panne erst am Nachmittag zur Gemeinde, welche am Nachmittag geschlossen gehabt habe, gekommen seien, und sie im übrigen auf Grund der erteilten Rechtsmittelbelehrung der Ansicht gewesen seien, daß das Rechtsmittel nur persönlich bei der Gemeinde abgegeben werden könne. Dazu stellte die Behörde in der Begründung ihres Bescheides fest, daß im Sinne der Rechtssicherheit an das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein strenger Maßstab anzulegen sei. Nach der ständigen Rechtsprechung dieses Gerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 26. November 1980, Slg. N. F. Nr. 10.309/A) seien generell mangelnde Rechtskenntnis oder Rechtsirrtum nicht als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zu werten, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könne. Abgesehen davon, daß den Beschwerdeführern selbst in bezug auf die erfolgte Rechtsmittelbelehrung bei entsprechender Umsicht durchaus zugemutet werden müsse, rechtlich dahin gehend Bescheid zu wissen, daß Rechtsmittel jedenfalls auch im Postwege an die Behörde überreicht werden können, erscheine es nach Ansicht der Behörde nicht verständlich bzw. unverschuldet, wenn sich die durch einen Rechtsfreund vertretenen Beschwerdeführer im gegebenen Fall bei ihrem Rechtsvertreter nicht darüber erkundigt haben, wie sie sich hinsichtlich der Einbringung ihres Rechtsmittels verhalten sollten, nachdem ihnen bekannt gewesen sei, daß das Gemeindeamt am Nachmittag des letzten Tages der Rechtsmittelfrist geschlossen sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehöre es nämlich unter anderem auch zu den Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, daß eine Partei an der Versäumung der Frist kein Verschulden treffe. Selbst ein unabwendbares Ereignis werde nicht als Wiedereinsetzungsgrund anerkannt, wenn sein Eintritt durch die Partei zumindest leicht fahrlässig verursacht wurde. Das von den Beschwerdeführern bei Einbringung des in Rede stehenden Rechtsmittels gesetzte Verhalten sei nun aber für die Behörde jedenfalls mit einer leichten Fahrlässigkeit verbunden, weshalb dem Antrag der Beschwerdeführer im Sinne des § 71 AVG 1950 keine Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen.

Die belangte Behörde hat sich zutreffend auf die schon zitierte hg. Judikatur berufen, derzufolge Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum nicht als unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignisse zu werten sind, die die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnten, weshalb sie auch mit Recht davon ausgegangen ist, daß der - auch in der Beschwerde geltend gemachte - Irrtum über die Möglichkeit der Einbringung eines Rechtsmittels im Postwege keinen Wiedereinsetzungsgrund darzustellen vermag. Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, daß in der Rechtsmittelbelehrung des Berufungsbescheides darauf hingewiesen worden ist, die dagegen zulässige Vorstellung könne "schriftlich oder telegraphisch beim Gemeindeamt eingebracht werden", weshalb eine in dieser Hinsicht mit dem Wortlaut des § 61 Abs. 1 AVG 1950 übereinstimmende Rechtsmittelbelehrung vorliegt ("Die Rechtsmittelbelehrung hat anzugeben, ... bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist"); ferner haben die Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt, daß der Erstbeschwerdeführer "den Vorstellungsschriftsatz von seinem Rechtsfreund am Abend des 4. 4. 1989 überbracht bekommen" habe, weshalb der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie, wie schon erwähnt, in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung vertreten hat, es sei nicht verständlich bzw. unverschuldet, wenn sich die durch einen Rechtsfreund vertretenen Beschwerdeführer im gegebenen Fall bei ihrem Rechtsvertreter nicht darüber erkundigt haben, wie sie sich hinsichtlich der Einbringung ihres Rechtsmittels verhalten sollten, da ihnen bekannt gewesen sei, daß das Gemeindeamt am Nachmittag des letzten Tages der Rechtsmittelfrist geschlossen sei. Die Beschwerdeführer können daher auch mit ihrem Hinweis, sie hätten die Möglichkeit der schriftlichen Einbringung der Vorstellung so verstanden, daß "ein Schriftstück" innerhalb der Rechtsmittelfrist "beim Gemeindeamt übergeben werden muß", und der Rechtsmittelbelehrung habe nicht entnommen werden können, daß "dieses auch an diesem Tag noch an die Gemeinde adressiert zur Post gegeben werden kann", für ihren Standpunkt nichts gewinnen. Die Beschwerdeführer haben nicht einmal behauptet, daß sie sich, nachdem ihnen bekannt geworden war, daß eine persönliche Überreichung der Rechtsmittelschrift im Gemeindeamt nicht möglich ist, bei ihrem Rechtsvertreter, von dem sie ja diese Rechtsmittelschrift erhalten haben, über die unter diesen Umständen kraft Gesetzes - noch - gegebenen Einbringungsmöglichkeiten informiert haben. Es ist daher von einem Verschulden der Beschwerdeführer im Sinne des § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 auszugehen, wobei angesichts des erst seit 1. Jänner 1991 geltenden und sohin auf den Beschwerdefall noch nicht anzuwendenden Wortlautes dieser Regelung nicht zu prüfen ist, ob dieses Verschulden als ein minderer Grad des Versehens zu qualifizieren ist.

Im übrigen ist in Erwiderung auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen daran zu erinnern, daß der Verfassungsgerichtshof die Worte "ohne ihr Verschulden" im § 46 Abs. 1 VwGG mit Erkenntnis vom 27. Februar 1985, Slg. Nr. 10.367, deshalb als verfassungswidrig aufgehoben hat, weil er - den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die unterschiedliche Regelung zwischen dem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof als gleichheitswidrig angesehen hat. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die im Beschwerdefall anzuwendende Fassung des § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 hat der Verfassungsgerichtshof jedoch nicht geäußert.

Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990050249.X00

Im RIS seit

05.02.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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