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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
StGG Art5Leitsatz
Versagung der Zustimmung zum Rechtserwerb - kein dauernder Wohnbedarf des Erstehers; keine denkunmögliche AnwendungSpruch
Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Die Bf. M E - sie ist gebürtige Österreicherin, jedoch zufolge Verehelichung mit einem in Bozen lebenden Südtiroler italienische Staatsangehörige - schenkte mit Schenkungsverträgen vom 6. April 1983 ihren vier Kindern Liegenschaften, nämlich U E die EZ
... KG A..., dem Bf. W E die EZ ... KG W..., dem Bf. G E die EZ ...
KG I... und dem Bf. K E je 2/3 Anteile an den EZ ... und ... KG
I..., jedoch jeweils unter Vorbehalt des Fruchtgenußrechtes in der deklarierten Absicht, mit diesen Schenkungen schon zu ihren Lebzeiten ihren Kindern die Vermögensanteile zuzuwenden, die sie im Falle des Ablebens der Bf. erben würden. Sämtliche Schenkungsnehmer sind italienische Staatsangehörige.
2. Zur Vorgeschichte genügt es festzuhalten, daß diesen Rechtserwerben von der Grundverkehrsbehörde Innsbruck-Stadt die Zustimmung versagt wurde, die gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen von der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 9. März 1984 abgewiesen wurden und dieser Bescheid vom VfGH mit Erkenntnis vom 24. Juni 1986, B385/84 VfSlg. 10935/1986, wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums aufgehoben wurde.
Begründend hielt der VfGH der bel. Beh. entgegen, daß sie die Genehmigung nicht deshalb verweigert habe, weil ein Untersagungsgrund im Sinne des Gesetzes vorliege, "sondern weil die Genehmigung nicht im öffentlichen Interesse liege, was aber vom Gesetz keineswegs verlangt" werde. Der VfGH fährt dann fort:
"Der angefochtene Bescheid ist aber auch ansonsten auf eine gesetzesfremde Begründung gestützt. Die bel. Beh. pflichtet den Genehmigungswerbern bei, daß sich für die Situation am Wohnungsmarkt in Innsbruck durch Genehmigung der gegenständlichen Eigentumserwerbe keine Änderung ergeben könne. Der angefochtene Bescheid gründet sich tatsächlich ausschließlich auf Folgewirkungen einer Genehmigung, die geeignet seien, eine Überfremdungsgefahr herbeizuführen, sodaß aus generalpräventiver Sicht ein Widerspruch zu den nach §4 Abs2 GVG geschützten volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen bestünde. Tatsächlich wird die Verweigerung der Zustimmung zu den beabsichtigten Rechtserwerben in den vorliegenden Fällen somit auf keine Umstände gestützt, die im Beschwerdefall sachverhaltsmäßig relevant sein könnten. ..."
3. Mit (Ersatz-)Bescheid vom 8. Mai 1987, Z LGv-885/11-83, hat die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung der Eigentumsübertragung an der Liegenschaft EZ ... KG A... an U E gemäß §3 Abs1 lita Grundverkehrsgesetz 1983, LGBl. für Tirol 69/1983 (künftig: GVG), die Zustimmung erteilt, die Berufungen der nunmehrigen Bf. jedoch neuerlich abgewiesen und die angefochtenen Bescheide mit der Maßgabe bestätigt, daß sie sich auf §4 Abs2 litb GVG zu stützen haben.
Begründend wurde ausgeführt, daß für eine Eignung der in Rede stehenden Liegenschaften im Sinne des §4 Abs2 litb GVG zunächst spreche, daß sie nach dem gemeindlichen Flächenwidmungsplan als "Wohngebiet" ausgewiesen seien, wozu noch komme, daß sie nach dem Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens "nicht nur als Dauerwohnsitze für Einheimische verwendbar sind, sondern - zum größten Teil - auch solcher Art verwendet werden". Die erkennende Behörde hege daher keinen Zweifel, daß die Tatbestandsmerkmale des §4 Abs2 litd (richtig: litb) GVG gegeben seien. In einem solchen Falle dürfe die (Ausländer-)Grundverkehrsbehörde die Zustimmung nur dann erteilen, "wenn das betroffene Wohnobjekt dem Ausländer zur Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes dienen soll. Daß aber diese positiven Genehmigungsvoraussetzungen in den vorliegenden Fällen gegeben wären, (sei) auf Berufungsebene nicht einmal behauptet (worden) und könnte im Hinblick darauf, daß sich die Geschenknehmerin an sämtlichen Objekten ein Fruchtgenußrecht, also ein ausschließliches Nutzungsrecht vorbehält, auch gar nicht behauptet werden".
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung "des Grundsatzes der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, wegen Verletzung des Privat- und Familienlebens in Verbindung mit den Schutzrechten nach Art14 MRK" und des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
5. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
5.1. Die Bf. verweisen zunächst darauf, es sei ihnen bewußt, daß sie eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes als Ausländer "nicht generell geltend machen" könnten; insoweit durch den bekämpften Bescheid der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz der Art8 und 14 sowie Art1 des ersten
Zusatzprotokolles zur MRK verletzt werde, komme aber auch ihnen der verfassungsgesetzliche Schutz des Eigentums und der übrigen Menschenrechte zu. Es ergebe sich bereits aus dem den ersten Rechtsgang abschließenden Erkenntnis des VfGH, daß den von ihnen abgeschlossenen Schenkungsverträgen die Genehmigung zu erteilen sei. Es sei völlig unverständlich, daß der bekämpfte Bescheid neuerdings die Genehmigung versage. Der angefochtene Bescheid lege das Gesetz in denkunmöglicher Weise aus, weil §4 Abs2 litb GVG keineswegs verlange, daß das in Rede stehende Wohnobjekt zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses des die Liegenschaft erwerbenden Ausländers dienen solle, sondern ganz allgemein von der Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes spreche. Daß dieser dauernde Wohnbedarf der Wohnbedarf des Liegenschaftserwerbers sein müsse, ergebe sich aus dem Gesetz nicht und sei auch offensichtlich gar nicht Wille des Gesetzgebers gewesen. Denn wäre dies der Wille des Gesetzgebers gewesen, dann hätte er dies anders ausdrücken müssen, nämlich mit den Worten, daß "das darauf bestehende oder zu errichtende Wohnobjekt nicht der Befriedigung des dauernden Wohnbedarfes des Liegenschaftserwerbers dienen soll". Mit dem vorliegenden Gesetzeswortlaut werde lediglich zum Ausdruck gebracht, daß die von Ausländern zu erwerbenden Häuser der Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes dienen müssen, was bedeute, daß solche Gebäude nicht leer stehen sollen. Jede andere Interpretation stelle sich als denkunmögliche Auslegung des Gesetzes dar. Die von der bel. Beh. "applizierte Gesetzesauslegung indizier(e) bedenk(e) man, daß es sich um in Tirol geborene und seit der Geburt in Tirol wohnhafte Vertragsparteien handelt - Willkür". Im übrigen müsse darauf hingewiesen werden, daß die in Rede stehenden "vier Stadthäuser zu Innsbruck samt und sonders vermietet (seien) und daß sie daher der Befriedigung des dauernden Wohnbedarfes der heimischen sozial-hilfebedürftigen Bevölkerungsschichten dienen. Wenn im bekämpften Bescheid richtig angeführt wurde, daß der Geschenkgeberin an sämtlichen Objekten noch das Fruchtgenußrecht zusteht, so besag(e) dies nur, daß ihr die Einnahmen aus diesen Objekten, solange sie noch lebt, zustehen". Im übrigen wäre es auch bei einem großen mehrstöckigen Zinshaus gar nicht möglich, daß dieses Objekt nur der Befriedigung des Wohnbedürfnisses eines Erwerbers, also einer Person diene. Dies wäre volkswirtschaftlich und sozialpolitisch gar nicht erstrebenswert. Wenn man von volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen spreche, so könne daraus nur der logische Schluß gezogen werden, daß es das Bestreben des Gesetzgebers ist, daß die von den Ausländern zu erwerbenden Gebäude weiterhin der Befriedigung allgemeiner Wohnbedürfnisse dienen.
Für die Tendenz und Absicht der bel. Beh. sei es "symptomatisch", daß sie den vorliegenden Schenkungsverträgen die Genehmigung zunächst mit der Begründung versagt habe, daß durch den Erwerb der Gebäude durch die Bf. dem inländischen Wohnungsmarkt Wohnungen entzogen würden, wohingegen nunmehr im angefochtenen Bescheid die Genehmigung versagt werde, weil die Liegenschaftserwerber diese nicht zur Befriedigung eines eigenen dringenden Wohnbedarfes benützen. Die Bf. beantragen daher, den angefochtenen Bescheid als verfassungswidrig zu "kassieren" und im Zuge der Prüfung des bekämpften Bescheides die Bestimmung des §4 Abs2 litb GVG als verfassungswidrig aufzuheben.
5.2. Die bel. Beh. hält diesen Ausführungen in der Gegenschrift entgegen, daß die von den Bf. gewählte Auslegung des §4 Abs2 litb GVG völlig unverständlich wäre:
"Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist wohl unzweifelhaft der Schutz der heimischen Bodenreserve. Die auf Grund ihrer Lage und Erschließung für die heimische Wohn- und Siedlungstätigkeit besonders geeigneten Grundflächen (Gebäude) sollen nur von solchen Personen erworben werden dürfen, die selbst einen dauernden Wohnbedarf aufweisen, zumal in Tirol ohnehin nur 13 %(!) besiedelbar ist. ... Wollte man dem 'Gesetzesverständnis' der Bf. folgen, würde dies im Ergebnis bewirken, daß der Erwerb von ständig bewohnbaren und auch tatsächlich ständig bewohnten Wohnungen und Gebäuden durch Ausländer nicht im Widerspruch zu dem in §4 Abs2 genannten ... Interessen stünde, wohl aber der Erwerb von Gebäuden, die diese Voraussetzungen zur Dauerwohnsitzbegründung nicht aufweisen. Im Klartext würde dies heißen, daß Ausländern zwar der Erwerb von Wochenendhäusern, Ferienwohnungen und Wohneinheiten in Appartementhäusern verwehrt wäre, nicht aber der Erwerb von Häusern und Wohnungen, die zum Zeitpunkt des Kaufes der heimischen Bevölkerung als Dauerwohnsitze dienten. Der Schutz des Gesetzes würde sich demnach auf Wohnungen und Gebäude, die von der Durchschnittsbevölkerung schon aus finanziellen Gründen ohnehin nicht nachgefragt werden, beschränken, während die für den sozialen Wohnbau bestimmten Bereiche dem ausländischen Markt eröffnet würden."
5.3. Die Beschwerdeausführungen lassen nicht erkennen, wieso durch den angefochtenen Bescheid in das durch Art8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben eingegriffen werde. Der angefochtene Bescheid greift jedoch in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Nach der von der bel. Beh. als Versagungstatbestand herangezogenen Bestimmung des §4 Abs2 litb GVG darf natürlichen Personen, die - wie die Bf. - die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen (§1 Abs1 Z2 lita leg.cit.), die nach §3 Abs1 (zum Rechtserwerb) erforderliche Zustimmung nur erteilt werden, "wenn der Rechtserwerb staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen nicht widerspricht"; ein Widerspruch zu solchen Interessen liegt "insbesondere" dann vor, wenn "das zu erwerbende Grundstück in einem wegen seiner Lage und Erschließung besonders für die heimische soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit geeigneten Gebiet liegt und das darauf bestehende oder zu errichtende Wohnobjekt nicht der Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes dienen soll".
In den in lita und b seines §4 Abs2 aufgezählten Tatbeständen führt das Grundverkehrsgesetz (arg. "insbesondere") Beispielsfälle dafür an, wann ein Rechtserwerb der in Rede stehenden Art im Widerspruch zu staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen steht.
Verfassungsrechtliche Bedenken sind im VfGH weder gegen §4 Abs2 GVG im allgemeinen (vgl. ua. VfSlg. 6546/1971, 7274/1974, 8501/1979 und auch das im ersten Rechtsgang der vorliegenden Rechtssache ergangene Erkenntnis VfSlg. 10935/1986) noch gegen dessen litb im besonderen (vgl. zB VfSlg. 9014/1981, 10923/1986) entstanden. Auch aus der Sicht des vorliegenden Rechtsfalles sieht sich der VfGH zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nicht veranlaßt. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums könnte also der bel. Beh. nur bei einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes vorgeworfen werden. Der VfGH hat dabei nicht zu untersuchen, ob der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegte Sachverhalt den Tatsachen entspricht und die von der bel. Beh. gewählte Auslegung des GVG richtig ist.
Es ist den Bf. beizupflichten, daß das Tatbestandserfordernis des §4 Abs2 litb GVG, daß ein "Wohnobjekt nicht der Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes dienen soll", vom Wortlaut her nicht ausdrücklich auf die Wohnbedürfnisse eines Erstehers abgestellt ist. Der bel. Beh. ist jedoch zuzugestehen, daß - vor allem bei einer vom Grundtatbestand abgehobenen Betrachtung - die Auslegung der litb leg.cit. dahin, es müsse sich um einen dauernden Wohnbedarf des Erstehers handeln, nicht denkunmöglich ist. Da keine der beiden möglichen Auslegungen den in Rede stehenden Untersagungstatbestand mit Verfassungswidrigkeit belastet, ist es nicht Aufgabe des VfGH, einer der beiden Auslegungsvarianten den Vorzug zu geben; es handelt sich folglich um eine Frage der richtigen Anwendung des Gesetzes, die vom VfGH nicht zu prüfen ist.
Für den Beschwerdefall folgt hieraus, daß der angefochtene Bescheid die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt.
5.4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden (s. insbesondere auch VfSlg. 10688/1985 und 10923/1986). Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
AusländergrunderwerbEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B751.1987Dokumentnummer
JFT_10119386_87B00751_00