TE Vfgh Erkenntnis 1988/6/15 WI-6/87

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Veröffentlicht am 15.06.1988
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1
B-VG Art141 Abs1 drittletzter Satz
B-VG Art141 Abs1 lita / Sachentscheidung
B-VG Art141 Abs1 vorletzter Satz
Sbg GdWO 1974 §44
Sbg GdWO 1974 §47
VfGG §68 Abs1
VfGG §70 Abs1
Sbg GdWO 1974 §81
Sbg GdWO 1974 §82 Abs5
Sbg GdWO 1974 §86 Abs1
Sbg GdWO 1974 §95 k Abs2
Sbg GdWO 1974 §95 k Abs2 Z1
Sbg GdWO 1974 §95 litl

Leitsatz

Wahl des Gemeinderates der Landeshauptstadt Salzburg; Prüfung eines Wahlverfahrens innerhalb der durch die Anfechtungserklärung gezogenen Grenzen; behauptete Rechtswidrigkeit konnte auf das Wahlergebnis nicht von Einfluß sein - keine Überprüfung der materiellen Richtigkeit des Vorbringens; Einverständnis der im Wahlvorschlag genannten Wahlwerber zu ihrer Kandidatur aus allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen unerläßlich

Spruch

Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Am 4. Oktober 1987 fand die - vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg im Einvernehmen mit dem Gemeinderat gemäß §4 Abs1 iVm §95 litb der Salzburger Gemeindewahlordnung 1974 (GWO), LGBl. 72/1974 idF LGBl. 79/1987, in der amtlichen Salzburger Landes-Zeitung vom 16. Juni 1987 ausgeschriebene - Wahl des Gemeinderates der Landeshauptstadt Salzburg statt.

1.1.2. Dieser Wahl lagen die von folgenden Wahlparteien eingebrachten, gemäß §50 Abs1 GWO abgeschlossenen und am 22. September 1987 kundgemachten Wahlvorschläge zugrunde:

1.

Österreichische Volkspartei -

Dr. Sigune Neureiter (ÖVP),

2.

Sozialistische Partei Österreichs -

Bürgermeister Dipl.Ing. Josef Reschen (SPÖ),

3.

Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ),

4.

Bürgerliste Salzburg (BL),

5.

Demokratische Bürger Union (DBU),

6.

Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ),

7.

Vereinte Grüne Österreichs -

Rupert Reiter (VGÖ),

8.

Freche Frauen,

9.

Die Grünen Österreichs (GRÜ),

10.

Bürgerprotest & Nichtwähler (BPN) und

11.

Liste ungültig - aber wahr.

1.1.3. Laut Niederschrift der Gemeindewahlbehörde vom 6. Oktober 1987 entfielen von den 61.119 abgegebenen gültigen Stimmen -

1.430 wurden als ungültig gewertet - auf die

Liste  1:  Österreichische Volkspartei -

           Dr. Sigune Neureiter (ÖVP)

           13.816 Stimmen  (9 Gemeinderatsmandate),

Liste  2:  Sozialistische Partei Österreichs -

           Bürgermeister Dipl.Ing. Josef Reschen (SPÖ)

           30.123 Stimmen  (21 Gemeinderatsmandate),

Liste  3:  Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)

            9.215 Stimmen (6 Gemeinderatsmandate),

Liste  4:  Bürgerliste Salzburg (BL)

            6.197 Stimmen  (4 Gemeinderatsmandate),

Liste  5:  Demokratische Bürger Union (DBU)

              137 Stimmen  (0 Gemeinderatsmandate),

Liste  6:  Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)

              489 Stimmen  (0 Gemeinderatsmandate),

Liste  7:  Vereinte Grüne Österreichs - Rupert Reiter (VGÖ)

              198 Stimmen  (0 Gemeinderatsmandate),

Liste  8:  Freche Frauen

              327 Stimmen  (0 Gemeinderatsmandate),

Liste  9:  Die Grünen Österreichs (GRÜ)

              252 Stimmen  (0 Gemeinderatsmandate),

Liste 10:  Bürgerprotest & Nichtwähler (BPN)

              135 Stimmen  (0 Gemeinderatsmandate),

Liste 11:  Liste ungültig - aber wahr

              230 Stimmen  (0 Gemeinderatsmandate).

1.1.4. Die Namen der gewählten Bewerber und Ersatzmänner wurden am 7. Oktober 1987 gemäß §85 GWO durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel verlautbart.

1.2.1.1. Mit ihrer am 28. Oktober 1987 zur Post gegebenen und der Sache nach auf Art141 Abs1 B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift begehrte die Wählergruppe "Demokratische Bürger Union (DBU)", der VfGH möge die Wahl des Gemeinderates der Stadtgemeinde Salzburg vom 4. Oktober 1987 wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens, und zwar wegen Verunsicherung, Irreführung und Täuschung der Wähler, für nichtig erklären und aufheben.

1.2.1.2. Begründend heißt es dazu, daß alle in den Wahlvorschlägen der Wählergruppen "Die Grünen Österreichs" und "Bürgerprotest & Nichtwähler" genannten Wahlwerber, und zwar C V, G W und A B, ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung in die Parteilisten aufgenommen worden seien. Die Gemeindewahlbehörde habe die beiden Wahlvorschläge in Kenntnis dieses Sachverhalts veröffentlicht. Zudem hätten C V, G W und A B ihre Nennung sofort nach der Verlautbarung der Wahlvorschläge zurückgezogen. Da folglich an der Gemeinderatswahl Parteien teilnahmen, die über keinen einzigen Kandidaten mehr verfügten, sei es zu einer auf das Wahlergebnis Einfluß übenden Täuschung und Irreführung der Wähler gekommen. Als zweiter Anfechtungsgrund wurde geltend gemacht, daß die Parteibezeichnung der Liste 11 ("Liste ungültig - aber wahr") entgegen der GWO keine Kurzbezeichnung aufgewiesen und bei den Wählern den falschen Eindruck erweckt habe, alle für diese Liste abgegebenen Stimmen seien ungültig. Eine weitere Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erblickte die Anfechtungswerberin schließlich auch darin, daß der Parteibezeichnung der auf dem zweiten Listenplatz kandidierenden Wählergruppe (: SPÖ) die Wortfolge "Bürgermeister Dipl.Ing. Josef Reschen" angefügt wurde, obwohl überhaupt keine Verwechslungsgefahr bestanden habe; diese gesetzwidrige Wählergruppenbezeichnung - insbesondere die Nennung des Wortes "Bürgermeister" - habe bei Wählern den Eindruck hervorgerufen, daß es sich um die Wahl des Bürgermeisters und nicht um die des Gemeinderates handle.

1.2.2. Die Gemeindewahlbehörde für die Landeshauptstadt Salzburg erstattete unter Vorlage der Wahlakten eine Gegenschrift, in der sie für die Abweisung der Wahlanfechtung eintrat.

2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

2.1.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der VfGH ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980). Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

2.1.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.

2.1.2. Nun sieht zwar §86 Abs1 iVm §95 litn GWO administrative Einsprüche - iS eines Instanzenzuges nach §68 Abs1 VerfGG 1953 - vor, doch nur gegen ziffernmäßige Ermittlungen einer Gemeindewahlbehörde.

Zur Geltendmachung aller anderen (ds. alle nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffenden) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht - weil insoweit ein zunächst zu durchlaufender Instanzenzug iS des §68 Abs1 VerfGG 1953 nicht eingerichtet ist - die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim VfGH binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des §68 Abs1 VerfGG 1953) offen (vgl. zB VfSlg. 10610/1985).

2.1.3.1. Im vorliegenden Fall strebt die Einschreiterin in ihrer Anfechtungsschrift nicht die - nach dem Gesagten dem Einspruchsverfahren nach §86 iVm §95 litn GWO vorbehaltene Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr die - in den Bereich sonstiger Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens fallende - Kandidatur und Parteibezeichnung von Wahlparteien, wofür die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eingeräumt ist.

2.1.3.2. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Frist zur Anfechtung ist in diesem Fall die Beendigung des Wahlverfahrens (s. VfSlg. 9085/1981, 9940/1984), d. i. bei Gemeindevertretungswahlen im Bundesland Salzburg die gemäß §85 GWO der jeweiligen Gemeindewahlbehörde obliegende Kundmachung des Wahlergebnisses in Form der Verlautbarung "der gewählten Bewerber und der Ersatzmänner" durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel (vgl. VfSlg. 10610/1985).

Diese Verlautbarung fand hier am 7. Oktober 1987 statt (s. Punkt 1.1.4.).

Die am 28. Oktober 1987 zur Post gegebene Wahlanfechtungsschrift wurde darum rechtzeitig eingebracht.

2.1.4. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2.2. Zur Kandidatur der Wählergruppen "Die Grünen Österreichs" und "Bürgerprotest & Nichtwähler":

2.2.1. Das Anfechtungsvorbringen geht dahin, daß die Wählergruppen "Die Grünen Österreichs" und "Bürgerprotest & Nichtwähler" an der Wahl nicht hätten teilnehmen dürfen und daß die der Gemeindewahlbehörde unterlaufene Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluß gewesen sei.

2.2.2. Nun ist einer Wahlanfechtung - wie der VfGH in ständiger Rechtsprechung darlegte - nicht schon dann stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde; sie muß darüber hinaus auch auf das Wahlergebnis von Einfluß gewesen sein (Art141 Abs1 Satz 3 B-VG, §70 Abs1 VerfGG 1953): Dazu sprach der VfGH wiederholt aus, daß diese (zweite) Voraussetzung bereits erfüllt ist, wenn die Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluß sein konnte (vgl. VfSlg. 6424/1971 und die dort angeführte Vorjudikatur, sowie VfSlg. 7392/1974, 7784/1976, 7850/1976, 8853/1980, 11906/1986, 11167/1986). Dabei werden unter "Ergebnis" der Wahl zum Gemeinderat im Bundesland Salzburg nicht nur die Anzahl der den einzelnen Wählergruppen zufallenden Mandate, sondern auch die Namen der gewählten Gemeinderatsmitglieder (einschließlich der sich daraus mitergebenden Reihung der Ersatzmänner) verstanden (vgl. VfSlg. 9011/1981).

2.2.3. Selbst wenn - entsprechend dem Anfechtungsvorbringen - die Kandidatur der Wählergruppen "Die Grünen Österreichs" und "Bürgerprotest & Nichtwähler" gesetzwidrig gewesen wäre, hätte diese Rechtswidrigkeit - wie nachfolgende Überlegungen und Berechnungen zeigen - jedoch keinen Einfluß auf das Wahlergebnis im Sinn des §70 Abs1 erster Satz VerfGG 1953 geübt, und zwar weder auf die Verteilung der Mandate noch auf den Kreis der gewählten Personen und der Ersatzmänner:

2.2.3.1. Zur Verteilung der Mandate:

2.2.3.1.1. Die für die Verteilung der Gemeinderatsmandate maßgebende Wahlzahl wird gemäß §81 GWO wie folgt berechnet: Zunächst werden die für die Wählergruppen abgegebenen gültigen Stimmen (= Parteisumme) nach ihrer Größe geordnet nebeneinander aufgelistet; unter jede Parteisumme wird die Hälfte, darunter das Drittel, das Viertel usw. geschrieben. Als Wahlzahl gilt die sovielgrößte der auf diese Weise errechneten Zahlen, als Mandate in der Gemeindevertretung zu vergeben sind. Jede Partei erhält kraft §81 Abs2 GWO soviele Mandate, als die Wahlzahl in ihrer Parteisumme enthalten ist. Haben mehrere Parteien auf ein Mandat den gleichen Anspruch, dann entscheidet das Los.

Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg besteht aus vierzig Mitgliedern (§6 iVm §95 litc GWO). Auf der Basis der in der Niederschrift vom 6. Oktober 1987 festgehaltenen Parteisummen wurde von der Gemeindewahlbehörde die Wahlzahl wie folgt berechnet:

               SPÖ        ÖVP         FPÖ          BL

Stimmen:    30.123      13.816       9.215       6.197

1/2         15.061,50   6.908,00    4.607,50    3.098,50

1/3         10.041,00   4.605,33    3.071,67    2.065,67

1/4          7.530,75   3.454,00    2.303,75    1.549,25

                                                --------

1/5          6.024,60   2.763,20    1.843,00    1.239,40

1/6          5.020,50   2.302,67    1.535,83

                                    --------

1/7          4.303,29   1.973,71    1.316,43

1/8          3.765,38   1.727,00

1/9          3.347,00   1.535,11

                        --------

1/10         3.012,30   1.381,60

1/11         2.738,45

1/12         2.510,25

1/13         2.317,15

1/14         2.151,64

1/15         2.008,20

1/16         1.882,69

1/17         1.771,94

1/18         1.673,50

1/19         1.585,42

1/20         1.506,15

1/21         1.434,43

             --------

1/22         1.369,23

               DBU      KPÖ       VGÖ     Freche Frauen

Stimmen:       137      489       198     327

1/2             68,50   244,50     99     163,50

               GRÜ      BPN       Liste ungültig - aber wahr

Stimmen:       252      135                   230

1/2            126       67,50                115

Da das 1/21 der SPÖ-Parteisumme (di. die Zahl 1.434,43) der vierziggrößten der gemäß §81 Abs1 GWO angeschriebenen Zahlen entspricht und somit die Wahlzahl bildet, entfielen kraft §81 Abs2 leg.cit. auf die

         SPÖ     21  Mandate,

         ÖVP      9  Mandate,

         FPÖ      6  Mandate und

         BL       4  Mandate.

2.2.3.1.2. Zieht man die auf die Wählergruppen "Die Grünen Österreichs" und "Bürgerprotest & Nichtwähler" entfallenen Stimmen von der Gesamtsumme der abgegebenen ab, dann verringert sich zwar die Zahl der abgegebenen gültigen Stimmen um 387 auf 60.732; infolge der unverändert bleibenden Parteisummen tritt jedoch keine Veränderung in der Wahlzahl ein. Eine Mandatsverschiebung findet nicht statt.

2.2.3.1.3. Aber auch dann, wenn man die 387 Stimmen einer Partei oder mehreren Parteien zum Teil bzw. (jeweils) einer Wählergruppe zur Gänze zuzählte, ergäbe sich bei der Mandatsverteilung keine Änderung, wie folgende Berechnungen zeigen:

Bei einer Zuzählung der in Rede stehenden 387 Stimmen an die SPÖ würde die Parteisumme auf 30.510 (30.123 + 387) Stimmen anwachsen, die Parteisummen der anderen Wählergruppen (und somit auch die gemäß §81 Abs1 GWO errechneten Bruchteile) blieben jedoch gleich. Da das 1/21 (= 1.452,86) der (erhöhten) SPÖ-Parteisumme als vierziggrößte der gemäß §81 Abs1 GWO angeschriebenen Zahlen wiederum die Wahlzahl bildete, käme es auch in diesem Fall zu keiner Mandatsverschiebung.

Zählte man jedoch die 387 Stimmen zur Gänze der ÖVP zu, so betrüge deren Parteisumme 14.203 Stimmen; die Summen der für die übrigen Parteien abgegebenen gültigen Stimmen blieben (wiederum) unverändert. Das Neuntel der (erhöhten) ÖVP-Parteisumme (: der ÖVP kamen 9 Mandate zu) wäre nunmehr die Zahl 1.578,11 (früher: 1.535,11); das Zehntel der neuen ÖVP-Parteisumme (: 1.420,30) wäre jedoch nach wie vor kleiner als die von der Gemeindewahlbehörde errechnete Wahlzahl 1.434,43 (= das 1/21 der SPÖ-Parteisumme). Die Verteilung der Mandate bliebe auch diesfalls unverändert.

Gleiches gilt, wenn man die 387 Stimmen der Freiheitlichen Partei Österreichs bzw. der Bürgerliste, die 6 bzw. 4 Mandate erringen konnten, zuzählte. In jedem dieser Fälle würde sich zwar die jeweilige Parteisumme auf 9.602 (FPÖ) bzw.

6.584 (BL) erhöhen. Das Siebentel der FPÖ-Parteisumme beliefe sich auf 1.371,71, das Fünftel der Bürgerliste-Parteisumme auf 1.316,80; somit würde in keinem der beiden Fälle die von der Gemeindewahlbehörde errechnete Wahlzahl von 1.434,43 erreicht bzw. überschritten werden. Eine Änderung in der Mandatsverteilung träte somit auch bei dieser Konstellation nicht ein.

Die übrigen wahlwerbenden Gruppen (Demokratische Bürger Union, Kommunistische Partei Österreichs, Vereinte Grüne Österreichs, Freche Frauen sowie Liste ungültig - aber wahr) hatten laut Niederschrift der Gemeindewahlbehörde kein Mandat erreicht. Selbst wenn man jeder dieser Wahlparteien jeweils die in Rede stehenden 387 Stimmen zuzählen wollte, könnten die so vergrößerten Parteisummen die Wahlzahl 1.434,43 nicht erreichen:

DBU (137 + 387) = 524 KPÖ (489 + 387) = 876 VGÖ (198 + 387) = 585 Freche Frauen (327 + 387) = 714 Liste ungültig - aber wahr (230 + 387) = 617.

2.2.3.2. Zur Zuweisung der Mandate an die Bewerber der Parteilisten und Reihung der Ersatzmänner:

2.2.3.2.1. Gemäß §82 Abs3 GWO sind die auf eine Partei entfallenden Mandate den Bewerbern grundsätzlich in der Reihenfolge zuzuweisen, in der sie auf der Parteiliste angeführt sind. Kraft §82 Abs4 GWO kommt jedoch - unabhängig von der Reihung im Wahlvorschlag - jenen Bewerbern, die mindestens soviele Wahlpunkte erzielt haben, wie die Wahlzahl beträgt, ein Mandat zu.

§82 Abs5 GWO legt schließlich fest, daß nicht gewählte Bewerber Ersatzmänner für den Fall sind, daß ein Mandat ihrer Liste erledigt wird. Die Berufung hiebei bestimmt sich nach der in der Parteiliste angeführten Reihenfolge.

Da durch eine teilweise bzw. gänzliche Zuzählung der 387 Stimmen an die einzelnen Wahlparteien, die mindestens ein Mandat erhalten haben, eine Änderung in der Wahlpunktesumme eintreten könnte, hatte der VfGH noch zu prüfen, ob es bei einer Erhöhung der auf die einzelnen Wahlwerber entfallenen Wahlpunkte um 387 zu einer Veränderung bei der Zuweisung der Mandate an die Bewerber käme.

2.2.3.2.2. Aus dem von der Gemeindewahlbehörde dem VfGH vorgelegten Wahlakt (Wahlpunkteprotokollen) geht hervor, daß kein einziges der 40 zu vergebenden Gemeinderatsmandate in Anwendung der Wahlpunktezahlregelung des §82 Abs4 GWO vergeben wurde; die höchste Wahlpunkteanzahl aller Kandidaten (sämtlicher Wählergruppen), und zwar 710 Punkte, konnte die an 37. Stelle des ÖVP-Wahlvorschlages gereihte Kandidatin Annemarie Schobesberger erreichen. Selbst wenn man nun zu dieser Summe 387 Punkte zuzählte (= 1.097), würde die Wahlzahl 1.434,43 bei weitem nicht erreicht werden.

Daraus erhellt, daß auch eine Erhöhung der Wahlpunktezahl (sämtlicher Kandidaten) um 387 Punkte keine Änderung in der Zuweisung der Mandate zur Folge hätte.

Da gemäß §82 Abs5 GWO für die Berufung eines Ersatzmannes im Fall des Freiwerdens eines Mandates nur die Reihung im Wahlvorschlag, nicht aber auch die Anzahl der erreichten Wahlpunkte maßgebend ist, und eine Erhöhung der Wahlpunktezahl um 387 - wie dargelegt - auch zu keiner Zuweisung eines Mandates in Anwendung der Wahlpunktezahlregelung des §82 Abs4 GWO geführt hätte, könnte die behauptete Rechtswidrigkeit auch zu keiner Änderung des Kreises und der Reihenfolge der Ersatzmänner führen.

2.2.4. Da also die Kandidatur der Wählergruppen "Die Grünen Österreichs" und "Bürgerprotest und Nichtwähler" auf das Wahlergebnis keinesfalls Einfluß zu üben vermochte, ist die Wahlanfechtung in diesem Punkt - allein schon aus dieser Erwägung - unbegründet, ohne daß das dieser Frage gewidmete Anfechtungsvorbringen auf seine materielle Richtigkeit hin geprüft werden mußte.

Der Gerichtshof sieht sich jedoch zu folgender Feststellung veranlaßt: Auch wenn §47 bzw. §95 litl GWO die Gemeindewahlbehörde nicht ausdrücklich verpflichtet, das Vorliegen der Zustimmung der im Wahlvorschlag genannten Wahlwerber zu ihrer Kandidatur zu prüfen, ist ein derartiges Einverständnis nach allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen unerläßlich, wie bereits im Erkenntnis VfSlg. 2037/1950 richtungweisend herausgestellt wurde (vgl. auch VfSlg. 6207/1970): Denn die Nominierung eines Kandidaten auf einer bestimmten Parteiliste ohne seine Zustimmung oder gar gegen seinen erklärten Willen widerspräche dem Grundsatz der Freiheit der politischen Willensbildung, sowie dem "Postulat der Reinheit" der Wahlen, deren Ergebnis doch den wahren Willen der Wählerschaft zum Ausdruck bringen soll.

2.3. Zu den "Parteibezeichnungen" der Wählergruppen "SPÖ" und "Liste ungültig - aber wahr":

2.3.1. Sachlich nicht im Recht ist die Anfechtungswerberin, wenn sie als rechtswidrig rügt, daß der Wahlvorschlag der Liste 11 keine Kurzbezeichnung enthalten habe. Kraft §44 iVm §95 k Abs2 GWO muß ein Wahlvorschlag die unterscheidende Parteibezeichnung aufweisen; eine zusätzliche Kurzbezeichnung ist nicht zwingend vorgeschrieben. Das Gesetz stellt es vielmehr der Wählergruppe frei, neben der Parteibezeichnung eine Kurzbezeichnung anzuführen. Aus dem Fehlen einer solchen Bezeichnung kann darum eine Rechtswidrigkeit des Wahlvorschlages keineswegs abgeleitet werden. Ebensowenig vermag der VfGH der Auffassung beizupflichten, daß hier Wähler angesichts des Wortlauts der Bezeichnung der Liste 11 zur lebensfremden Annahme gelangen konnten oder mußten, alle für eine laut amtlicher Kundmachung kandidierende Wählergruppe abgegebenen Stimmen seien grundsätzlich und notwendig ungültig.

2.3.2. Des weiteren stellt es die GWO der Wählergruppe anheim, der Parteibezeichnung (auch) den "Listenführer" (der Wählergruppe) beizufügen (§44 iVm §95 k Abs2 Z1 GWO). Damit wird dieser Gruppe das Recht eingeräumt, den Namen des Listenführers zu nennen, auch die Beifügung des gegenwärtigen Berufs (der gegenwärtigen Funktion) dieses Wahlwerbers wird somit gestattet. Der Eindruck, daß eine Bürgermeisterwahl stattfand, weil der Wahlvorschlag der Liste 2 neben der Parteibezeichnung auch die Nennung des Listenführers (: "Bürgermeister Dipl.Ing. Josef Reschen") enthielt, konnte allein schon deshalb nicht entstehen, weil die Wahl als Gemeinderatswahl kundgemacht wurde und der amtliche Stimmzettel die unmißverständliche Überschrift "Wahl der Gemeindevertretung" trug.

2.4. Die Wahlanfechtung war daher als unbegründet abzuweisen.

2.5. Da der VfGH ein Wahlverfahren nur innerhalb der durch die Anfechtungserklärung gezogenen Grenzen zu überprüfen hat (s. VfSlg. 8700/1979, 9011/1981), konnte der - von der Anfechtungswerberin ungerügt gelassenen - Frage, ob die Bezeichnung etwa der Parteiliste 8 den gesetzlichen Anforderungen genügt, hier nicht weiter nachgegangen werden.

2.6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 idF BGBl. 297/1984 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Wahlen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:WI6.1987

Dokumentnummer

JFT_10119385_87W00I06_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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