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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 25. April 1990, Zl. 2-11/I Ba 175 - 84/34, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 29. März 1989, Zl. 88/01/0240, verwiesen. Damit wurde ein Bescheid der belangten Behörde, mit welchem das Ansuchen des Beschwerdeführers um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen worden war, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde die Abweisung darauf gegründet hatte, daß der Beschwerdeführer innerhalb der ihm unter Zusicherung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft eingeräumten Frist nicht seine Entlassung aus dem jugoslawischen Staatsverband erwirkt hatte.
Nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid das Ansuchen des Beschwerdeführers um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 in Verbindung mit § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), neuerlich ab. Begründend führte die Behörde aus, gegen den Beschwerdeführer seien in der Bundesrepublik Deutschland nachstehende Strafen rechtskräftig verhängt worden:
am 7. Mai 1975 durch das Amtsgericht Erlangen wegen Unterschlagung sieben Monate Freiheitsstrafe auf drei Jahre Bewährungszeit;
am 3. Mai 1976 durch dasselbe Gericht wegen Unterschlagung ein Jahr Freiheitsstrafe auf drei Jahre Bewährungszeit, wobei die Entscheidung vom 7. Mai 1975 in die Verurteilung einbezogen und die Bewährungszeit bis 18. Jänner 1991 verlängert worden sei;
am 20. Oktober 1981 durch dasselbe Gericht wegen Vorsätzlicher Körperverletzung vier Monate Freiheitsstrafe bei vier Jahren Bewährungszeit, wobei
die Strafe mit Wirkung
vom 2. April 1986 als erlassen gelten sollte.
Entgegen der im ergänzenden Ermittlungsverfahren geäußerten Ansicht des Beschwerdeführers könnten diese Strafen nicht als getilgt, sondern müßten als Einbürgerungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 StbG angesehen werden. Je nachdem, ob man als Zeitpunkt für den Beginn der auf Grund des Gesamtstrafausmaßes zehn Jahre betragenden Tilgungsfrist die Rechtskraft der drittgenannten Verurteilung des Beschwerdeführers
(28. Oktober 1981) oder den Termin, zu dem die mit dieser Verurteilung ausgesprochene Strafe als erlassen zu gelten habe (2. April 1986), ansieht, könne als Zeitpunkt, zu dem die Bestrafungen des Beschwerdeführers als getilgt anzusehen seien, der 28. Oktober 1991 bzw. der 2. April 1996 in Betracht kommen. Da nach strafrechtlichen Grundsätzen von der für den Beschwerdeführer günstigeren Auffassung auszugehen sei, ergebe sich als Tilgungszeitpunkt der 28. Oktober 1991. Der Auffassung des Beschwerdeführers, die letzte Verurteilung zu vier Monaten Freiheitsstrafe stelle kein Einbürgerungshindernis im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 StbG dar, sei entgegenzuhalten, daß es für die Verlängerung von Tilgungsfristen durch weitere Verurteilungen unerheblich sei, in welcher Weise solche Verurteilungen staatsbürgerschaftsrechtlich gewertet würden. Bei Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG fielen die bereits angeführten noch nicht getilgten Verurteilungen umso mehr ins Gewicht, als nach dieser Bestimmung auch bereits getilgte Verurteilungen heranzuziehen seien. Im Falle eines weiteren Ansuchens des Beschwerdeführers um Verleihung der Staatsbürgerschaft nach Ablauf der Tilgungsfrist werde zufolge § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG trotzdem auf die bereits getilgten Vorstrafen und auf eine weitere Bestrafung des Beschwerdeführers durch das Amtsgericht Erlangen vom 10. August 1978 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie auf die im Jahre 1979 durch das Landratsamt Erlangen - Höchstadt verfügte Ausweisung des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen sein.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft verletzt. Als Einbürgerungshindernis im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 StbG könne lediglich die seit 19. Jänner 1977 rechtskräftige Verurteilung (vom 3. Mai 1976) des Beschwerdeführers zu einem Jahr Freiheitsstrafe angesehen werden. Die fünfjährige Tilgungsfrist für diese Tat sei am 20. Jänner 1982 abgelaufen. Die noch während des Laufes der Tilgungsfrist erfolgte Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten habe auf den Ablauf der Tilgungsfrist keinen Einfluß gehabt, weil gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 StbG nur sechs Monate übersteigende Freiheitsstrafen bei Beurteilung der Einbürgerungsvoraussetzungen beachtlich seien. Auch stehe die von der belangten Behörde vorgenommene Zusammenzählung der insgesamt über den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafen im Widerspruch zu dieser Gesetzesstelle, weil deren Text zufolge nur eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Moanten zu berücksichtigen sei. Selbst bei Zugrundelegung einer zehnjährigen Tilgungsfrist wäre diese bereits am 19. Jänner 1987 abgelaufen. Bei Prüfung der Frage, ob der Beschwerdeführer im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG zur Republik bejahend eingestellt sei und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle, hätte die belangte Behörde berücksichtigen müssen, daß der Beschwerdeführer seit mehr als sieben Jahren in Österreich lebe, mit einer Österreicherin verheiratet sei, mit ihr einen zwölfjährigen Sohn habe, mit ihr gemeinsam Hälfteeigentümer einer Liegenschaft und seit sieben Jahren bei einem Unternehmen in Österreich beschäftigt sei. Demgegenüber läge die letzte Straftat des Beschwerdeführers rund neun Jahre zurück, und der Beschwerdeführer sei zwecks Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft sogar aus dem jugoslawischen Staatsverband ausgeschieden. Dies ziehe für den Beschwerdeführer den Nachteil nach sich, daß er nunmehr einen alle zwei Jahre zu verlängernden Fremdenpaß und für jede Auslandsreise einen Sichtvermerk benötige.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 StbG kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden bei Vorliegen sonstiger Erfordernisse unter anderem dann verliehen werden, wenn er nicht von einem ausländischen Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist, die strafbaren Handlungen auch nach inländischem Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilungen in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (MRK), entsprechenden Verfahren ergangen ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. ist weitere Verleihungsvoraussetzung, daß der Einbürgerungswerber nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bildet.
Als ausländische Verurteilungen, die einer Verleihung der Staatsbürgerschaft entgegenstehen, sind nur solche anzusehen, die noch nicht getilgt sind (vgl. Erläuternde Bemerkungen zur StbG-Novelle 1982, 1272 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XV. GP). Hiebei stehen ausländische Verurteilungen gemäß § 7 Tilgungsgesetz 1972, BGBl. Nr. 68/1972, in der Fassung des Strafprozeßanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 423/1974 (TilgG), tilgungsrechtlich inländischen Verurteilungen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist, und in einem den Grundsätzen des Art. 6 der MRK entsprechenden Verfahren ergangen sind. Sie gelten aber auch dann als getilgt, wenn sie nach dem Recht des Staates, in dem sie erfolgt sind, getilgt sind, sobald dies durch eine öffentliche Urkunde bescheinigt wird.
Nach Ausweis der Verwaltungsakten hat der Beschwerdeführer beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof die vorzeitige Tilgung seiner in Deutschland erfolgten Verurteilungen beantragt. Dieser Antrag wurde unter Hinweis darauf, daß die Tilgungsreife der Verurteilungsvermerke erst mit 20. Februar 1997 eintreten könne, abgewiesen. Daraus folgt, daß eine Tilgung der Verurteilungen nach dem ausländischen Recht noch nicht gegeben ist. Bei der Beurteilung der Frage der Tilgung der Verurteilungen des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde sohin zu Recht österreichisches Recht angewandt.
Gemäß § 2 Abs. 1 TilgG beginnt die Tilgungsfrist, sobald alle Freiheits- oder Geldstrafen und die mit Freiheitsentzug verbundenen vorbeugenden Maßnahmen vollzogen sind, als vollzogen gelten, nachgesehen worden sind oder nicht mehr vollzogen werden dürfen. Dieser Tag ist bei inländischen Verurteilungen, mit denen die verhängten Strafen zur Gänze bedingt nachgesehen wurden, gemäß § 43 Abs. 2 Strafgesetzbuch dem der Rechtskraft gleichzusetzen.
Gemäß § 3 Abs. 1 TilgG beträgt die Tilgungsfrist bei bloß einmaliger Verurteilung zu einer höchstens einjährigen Freiheitsstrafe fünf Jahre, liegt aber eine Verurteilung zu einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe vor, zehn Jahre.
Gemäß § 4 Abs. 1 TilgG tritt, wenn jemand rechtskräftig verurteilt wird, bevor eine oder mehrere frühere Verurteilungen getilgt sind, die Tilgung aller Verurteilungen nur gemeinsam ein.
Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen ist die Tilgungsfrist im Falle des Abs. 1 unter Zugrundelegung der Summe der in allen noch nicht getilgten Verurteilungen verhängten Strafen nach § 3 zu bestimmen.
Unbestritten wurde der Beschwerdeführer noch während der mit der am 29. Jänner 1977 eingetretenen Rechtskraft der Verurteilung vom 3. Mai 1976 in Lauf gesetzten, damals fünfjährigen Tilgungsfrist am 20. Oktober 1981 zu einer viermonatigen Frieheitsstrafe verurteilt. Die gemäß § 4 in Verbindung mit § 3 TilgG unter Berücksichtigung des Gesamtausmaßes der mit diesen beiden Verurteilungen verhängten Freiheitsstrafen (insgesamt sohin sechzehn Monate) zu berechnende Tilgungsfrist beträgt somit zehn Jahre. Geht man unter Heranziehung der für den Beschwerdeführer günstigsten Berechungsvariante vom Zeitpunkt der Rechtskraft der letzten Verurteilung des Beschwerdeführers - dies ist der 28. Oktober 1981 - als Anfangstermin aus, so ergibt sich der 28. Oktober 1991 als Ende der Tilgungsfrist. Bei dieser Rechtslage ist die belangte Behörde somit zu Recht zu dem Schluß gelangt, daß die Verurteilungen des Beschwerdeführers noch nicht getilgt sind. Daraus folgt, daß die belangte Behörde auch zu Recht das Vorliegen des Einbürgerungshindernisses gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 StbG als gegeben erachtet und daher das Ansuchen des Beschwerdeführers um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen hat.
Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde die bereits im Verwaltungsverfahren vorgebrachte Argumentation wiederholt, seine Verurteilung im Jahre 1981 sei für das gegenständliche Verfahren unbeachtlich, weil die damit verhängte Freiheitsstrafe das in § 10 Abs. 1 Z. 4 StbG genannte Ausmaß von sechs Monaten nicht übersteige, ist ihm in Übereinstimmung mit der belangten Behörde entgegenzuhalten, daß die Qualifikation einer Verurteilung im staatsbürgerschaftsrechtlichen Verfahren keinerlei Auswirkungen auf die ausschließlich nach den Bestimmungen des Tilgungsgesetzes und somit unter Berücksichtigung aller Verurteilungen vorzunehmende Berechnung der Tilgungsfrist hat. Ebensowenig kann die Ansicht des Beschwerdeführers, § 10 Abs. 1 Z. 4 StbG stelle nur auf eine Bestrafung von mehr als sechs Monaten ab, der Beschwerde zum Erfolg verhelfen, weil unbestritten jedenfalls eine Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer einjährigen Freiheitsstrafe gegeben ist.
Bei deser Sachlage kommt aber einer Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG lediglich untergeordnete Bedeutung zu. Dies hat die belangte Behörde auch erkannt, indem sie eine Beurteilung des Beschwerdeführers nach dieser Gesetzesstelle für den Fall eines weiteren Einbürgerungsansuchens nach Tilgung seiner Verurteilungen in Aussicht gestellt hat.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990010101.X00Im RIS seit
13.02.1991