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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
die dem Urkundenprinzip entsprechende weitere Gebührenpflicht fürspäter als die vergebührte Urkunde vorgelegte Gleichschriften nichtunsachlich; keine Bedenken gegen §31 Abs1 letzter Satz GebG;keine willkürliche oder denkunmögliche GesetzesanwendungSpruch
Die bf. Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die bf. Gesellschaft durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem - nach einer Aufhebung gemäß §299 Abs2 BAO
ergangenen - Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. Mai 1987 wurde der bf. Gesellschaft gemäß §33 TP5 GebG eine Rechtsgeschäftsgebühr für einen Mietvertrag in der Höhe von 1 % des Wertes, d.s. S 41.491,-- sowie gemäß §25 Abs1 und 2 GebG für drei erst rund eineinhalb Monate nach Zustandekommen des Vertrags dem Finanzamt vorgelegte Gleichschriften eine Gebühr von S 124.473,-vorgeschrieben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der die bf. Gesellschaft behauptet, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums und im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt.
Die belangte Finanzlandesdirektion hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der VfGH hat zur - zulässigen - Beschwerde erwogen:
1.a) In der Beschwerde werden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des §25 GebG vorgebracht; es wird angeregt, der VfGH wolle von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich dieser Bestimmung einleiten.
b) Die hier bedeutsamen Abs1 und 2 des §25 GebG in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der GebG-Nov.
BGBl. 668/1976 lauten:
"(1) Werden über ein Rechtsgeschäft mehrere Urkunden errichtet, so unterliegt jede dieser Urkunden den festen und den Hundertsatzgebühren.
(2) Werden von einer Urkunde Gleichschriften (Duplikat, Triplikate usw.) ausgefertigt, so ist die Hundertsatzgebühr auf Grund jener Gleichschriften nur einmal zu entrichten, die dem Finanzamt innerhalb eines Monats nach dem Entstehen der Gebührenschuld vorgelegt werden. Das Finanzamt hat auf allenGleichschriften zu bestätigen, daß die betreffende Schrift eine Gleichschrift ist und die Gebühr für eine Gleichschrift und mit welchem Betrag in Stempelmarken entrichtet oder die Gebührenanzeige erstattet wurde."
c) In der Beschwerde wird die Auffassung vertreten, dieser Regelung komme Strafcharakter zu: Die vom Gesetzgeber vorgesehene Gebührenerhöhung im Ausmaß von 100 % je verspätet vorgelegter Gleichschrift sei aber insbesondere im Vergleich mit dem allgemeinen Abgaberecht ebenso wie §9 GebG eine sachlich nicht gerechtfertigte übermäßige Reaktion auf die Unterlassung des Abgabepflichtigen. Es liege eine so weit überschießende (exzessive) Reaktion auf eine Unterlassung des Abgabepflichtigen vor, daß sie den rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers überschreite und gegen das dem Gleichheitssatz innewohnende Sachlichkeitsgebot verstoße. Es gebe keine sachliche Begründung dafür, dem Schuldner in sämtlichen Fällen verspäteter Anzeige eine zusätzliche Geldleistung in der vollen Höhe der Hundertsatzgebühr ohne Berücksichtigung der Entschuldbarkeit seiner Versäumnis oder ihres sonstigen Gewichts aufzuerlegen. Ebenso wie bei dem zwischenzeitig aufgehobenen §9 Abs2 GebG spreche nichts dafür, daß die Prüfung von Entlastungsgründen in Gebührensachen mehr Aufwand erfordere und nur eine dermaßen rigide Erhöhung die rechtzeitige Anzeige in zureichendem Maße sicherstelle.
Die Beschwerde meint, daß nach dem System des GebG für Rechtsgeschäftsgebühren - anders als für feste Stempelgebühren, für die im Hinblick auf die damit verbundenen behördlichen Manipulationen und deren Abgeltung das Urkundenprinzip gelte nur das Rechtsgeschäft selbst, nicht aber Beweisurkunden über das Rechtsgeschäft Anknüpfungspunkt für die Gebührenpflicht sein könne. Die Rechtsgeschäftsgebühr sei stets ein Entgelt für die Bereitstellung der staatlichen Institutionen, welche jederzeitige Durchsetzbarkeit rechtsgeschäftlich begründeter Ansprüche gewährleisten, die in einer Urkunde beweiskräftig festgehalten sind. Die Bestimmung über die volle Gebührenpflicht für später vorgelegte Gleichschriften erweise sich somit als Strafvorschrift, der Gleichheitswidrigkeit entgegenzuhalten sei.
d) Die belangte Finanzlandesdirektion tritt diesem Vorbringen mit dem Hinweis entgegen, daß es sich bei §25 GebG nicht um eine Strafnorm, sondern bei dessen Abs2 um eine Begünstigungsvorschrift handle, in der unter bestimmten (sachlichen) Voraussetzungen vom reinen Urkundenprinzip, das das Gebührenrecht beherrsche, zugunsten des Abgabepflichtigen abgegangen werde.
e) Der VfGH teilt die vom Bf. gegen §25 GebG vorgebrachten Bedenken nicht. §25 GebG ist keine Strafvorschrift für die "nicht rechtzeitige Vorlage" von Gleichschriften, sondern eine Regelung, die teilweise auf dem Grundsatz beruht, daß Urkunden über Rechtsgeschäfte nur einmal zur Gebührenpflicht führen, teilweise aber diesen Grundsatz zugunsten des Urkundenprinzips verläßt. Dies wird auch aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu der in Rede stehenden Bestimmung (338 BlgNR, 14. GP) deutlich, in denen unter anderem ausgeführt wird:
"Bestimmend für die Neuregelung des §25 ist, daß an sich zwar das Rechtsgeschäft und nicht die darüber errichtete Urkunde den Gegenstand der Gebühr bildet, sodaß die Gebühr ohne Rücksicht auf die Anzahl der errichteten Urkunden nur einmal zu erheben wäre. In der Praxis kann aber andererseits nicht darauf verzichtet werden, daß aus jeder Urkunde über ein Rechtsgeschäft ersichtlich sein muß, ob das Rechtsgeschäft ordnungsgemäß vergebührt wurde. Wäre dies nicht der Fall, müßte die Behauptung der Partei, sie habe die Gebühr für das Rechtsgeschäft bereits entrichtet, vom Finanzamt widerlegt werden. Es ist daher vorgesehen, daß bei Errichtung mehrerer Urkunden über dasselbe Rechtsgeschäft die Gebühr an sich nur auf Grund einer Urkunde zu entrichten ist und alle übrigen Urkunden keine Gebührenpflicht begründen, sofern sie innerhalb eines Monats nach dem jeweils für sie maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld dem Finanzamt mit dem Nachweis vorgelegt werden, daß bereits auf Grund einer anderen Urkunde die Gebühr in Stempelmarken entrichtet oder die Gebührenanzeige erstattet wurde. Wird der
Nachweis . . . nicht erbracht oder die weitere Urkunde nicht oder
nicht rechtzeitig vorgelegt, dann ist die Gebühr auch auf Grund jeder dieser Urkunden selbständig zu entrichten. Diese Regelung gilt für Gleichschriften ebenso wie für die zu verschiedenen Zeitpunkten ausgefertigten Urkunden."
Der VfGH hegt gegen die Sachlichkeit einer solchen Regelung keine Bedenken: Sie knüpft die Gebührenpflicht an sich an das Rechtsgeschäft (indem Urkunden über ein Rechtsgeschäft nur einmal der Gebührenpflicht unterzogen werden, wenn sie innerhalb einer bestimmten Frist dem Finanzamt vorgelegt werden); werden aber Gleichschriften unabhängig von der vergebührten Urkunde (oder den vergebührten Urkunden) und wesentlich später als diese dem Finanzamt vorgelegt, so löst dies - dem sog. Urkundenprinzip entsprechend - als selbständiger Vorgang eine weitere Gebührenpflicht aus. Dem VfGH erscheint die gewählte Konstruktion im Hinblick auf die in den Materialien zum Ausdruck kommende Zielsetzung (vgl. dazu auch Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum GebG, B 1 zu §25) nicht als unsachlich; ebensowenig hat der Gerichtshof Bedenken im Hinblick auf die zur Abgrenzung gewählte Monatsfrist.
f) Aus dem Vorgesagten ergibt sich auch, daß dem (weiteren) Bedenken der Beschwerde, §25 GebG verstoße wegen seines pönalen Charakters gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen Art6 MRK, der Boden entzogen ist.
2.a) Die Beschwerde hält - und zwar aus den gleichen Erwägungen - auch §31 Abs1 GebG für verfassungswidrig. Diese Bestimmung lautet (in der hier maßgeblichen Fassung der Nov. BGBl. 531/1984):
"Rechtsgeschäfte, für die eine Hundertsatzgebühr mit Bescheid festzusetzen ist, sind, soweit in diesem BG nichts anderes bestimmt ist, innerhalb eines Monats nach dem Entstehen der Gebührenschuld mit einer beglaubigten Abschrift oder mit einer Gleichschrift der die Gebührenpflicht begründenden Urkunde, bei nicht in der Amtssprache abgefaßten Urkunden mit einer beglaubigten Übersetzung, beim Finanzamt anzuzeigen. Ist diese Urkunde ein Annahmeschreiben, so ist ein bezügliches Anbotschreiben anzuschließen. Das Finanzamt, bei dem die Anzeige erstattet wurde, hat auf der die Gebührenpflicht begründenden Urkunde die erfolgte Anzeige zu bestätigen. Gleichschriften, die zur ordnungsgemäßen Gebührenanzeige verwendet werden, sind von den Gebühren befreit."
Auch hiedurch werde eine Strafbestimmung für die nicht rechtzeitige Vorlage von Gleichschriften verfügt, die exzessiv sei und aus jenen Gründen als verfassungswidrig aufzuheben sei, die zur Aufhebung des §9 Abs2 GebG geführt hätten.
b) Die belangte Finanzlandesdirektion hält dem entgegen, daß angesichts des §25 Abs2 GebG der Regelung des §31 Abs1 GebG die Bedeutung, eine Gebührenpflicht für später vorgelegte Gleichschriften zu normieren, gar nicht zukomme: "Normative Wirkung kommt dem §31 GebG im Zusammenhang mit der Befreiung der zur ordnungsgemäßen Gebührenanzeige verwendeten Gleichschrift von der Gebühr tatsächlich nur in bezug auf die Bogengebühr gemäß §6 Abs2 GebG zu. Bei dieser Rechtslage kann die Gebührenpflicht für die zur verspäteten Gebührenanzeige verwendete Gleichschrift auch nicht als Sanktion für die Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Gebührenanzeigefrist gewertet werden. Die Rechtslage wäre in bezug auf die Hundertsatzgebühr für die Gleichschrift nicht anders, wenn in §31 GebG die entsprechende Regelung fehlte."
c) In der Tat verkennt die bf. Gesellschaft den normativen Sinn des §31 Abs1 letzter Satz des GebG. Der Sinn der GebG-Nov. BGBl. 668/1976, durch die dieser Satz seine derzeit geltende Fassung erhalten hat, war es, zu ermöglichen, daß die Gebührenanzeige für Rechtsgeschäfte, für die eine Hundertsatzgebühr mit Bescheid festzusetzen ist, nunmehr nicht nur mit einer beglaubigten Abschrift, sondern auch mit einer bei den Akten verbleibenden Gleichschrift erfolgen können soll (Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 338 BlgNR, 14. GP). Die Regelung sollte klarstellen, daß diese Gleichschrift von der Entrichtung fester Stempelgebühren befreit sein soll. Eine Sanktion für eine nicht rechtzeitige Gebührenanzeige wird dadurch nicht bewirkt.
3. Der VfGH hegt somit keine Bedenken gegen die den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften und sieht sich daher nicht veranlaßt, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Gesetzesbestimmungen einzuleiten.
4.a) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 10370/1985).
Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes könnte nur vorliegen, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte (vgl. zB VfSlg. 10413/1985).
b) Die bf. Gesellschaft vermeint, daß die Behörde bei Vollziehung des Gesetzes willkürlich vorgegangen sei und dieses denkunmöglich angewendet hat, da sie nicht ausreichend bedacht habe, daß es sich bei der zu vergebührenden Urkunde nur um einen Nachtrag zu einem früher (vom Rechtsvorgänger der bf. Gesellschaft) abgeschlossenen und bereits vergebührten Mietvertrag gehandelt habe. Die nochmalige Einhebung der Vertragsgebühr einzig auf Grund des von vorneherein vereinbarten Übergangs der Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag auf einen Dritten sei eine anormale Belastung und führe - verglichen mit ähnlichen Fällen - zur einem atypischen Vermögenseingriff. Eine solche Vorgangsweise sei verfassungsrechtlich unzulässig.
Der VfGH hat nicht zu beurteilen, ob die Behörde rechtmäßig gehandelt hat, als sie den Nachtrag zum seinerzeit abgeschlossenen Mietvertrag gebührenrechtlich wie einen Mietvertrag behandelt hat. Denkunmöglich oder willkürlich ist eine solche Vorgangsweise jedenfalls nicht.
5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die bf. Gesellschaft in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem VwGH abzutreten.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Gebühr (GebG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B550.1987Zuletzt aktualisiert am
13.08.2010