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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art20 Abs3Leitsatz
Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Pamhagen; Aufhebung - rechtswidrige Anwesenheit Unbefugter im Wahllokal konnte auf das Wahlergebnis von Einfluß seinSpruch
Die Wahl zu dem Gemeinderat der Gemeinde Pamhagen wird in Stattgebung der Anfechtung - ab dem Beginn des Abstimmungsverfahrens - aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. Am 25. Oktober 1987 fanden die - von der Burgenländischen Landesregierung mit Kundmachung vom 22. Juli 1987, LGBl. 53/1987, ausgeschriebenen - allgemeinen Wahlen in die Gemeindevertretungen im Bundesland Burgenland darunter die Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Pamhagen (politischer Bezirk Neusiedl am See) - statt.
1.1.2. Der Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Pamhagen lagen die von folgenden Wählergruppen eingebrachten, gemäß §28 der Burgenländischen Gemeindewahlordnung 1982 - GemWO, LGBl. 27/1982, kundgemachten Wahlvorschläge zugrunde:
Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ), Österreichische Volkspartei (ÖVP),
Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ).
1.1.3. Laut Kundmachung der Gemeindewahlbehörde Pamhagen vom 27. Oktober 1987 (iVm der Niederschrift der Gemeindewahlbehörde vom 25. Oktober 1987) entfielen von den 1.341 gültig abgegebenen Stimmen - 28 Stimmzettel wurden als ungültig gewertet - auf:
SPÖ 595 ( 9 Mandate)
ÖVP 686 (10 Mandate)
FPÖ 60 ( 0 Mandate).
1.2.1. Der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der FPÖ erhob gegen das Wahlergebnis gemäß §46 GemWO administrativen Einspruch wegen gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren:
Entgegen der Bestimmung des §33 Abs2 GemWO hätten sich hiezu nicht befugte Personen im Wahllokal aufgehalten und auf Wähler suggestiven Einfluß ausgeübt. Mitglieder der Wahlbehörden hätten ("Strichel"-)Listen aller ihr Wahlrecht ausübenden Wahlberechtigten erstellt und in Verletzung der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit (an Außenstehende) weitergegeben. Diese Rechtswidrigkeiten seien von Einfluß auf das Wahlergebnis gewesen.
1.2.2. Die Landeswahlbehörde für die Gemeinderatswahlen 1987 beim Amt der Burgenländischen Landesregierung wies den Einspruch der FPÖ auf Grund eines Beschlusses vom 10. Dezember 1987 mit Bescheid vom 11. Dezember 1987, ZII-1156/4-1987, gemäß §46 GemWO als unbegründet ab.
In den Entscheidungsgründen wird - sinngemäß zusammengefaßt - ausgeführt:
Bei jenen Personen, deren Aufenthalt im Wahllokal die Einspruchswerberin beanstande, handle es sich ausschließlich um Ersatzmänner der Wahlbehörden, deren Anwesenheit nach §33 GemWO zulässig gewesen sei. Die Einrichtung zweier Wahlbehörden (:
Gemeindewahlbehörde, die auch die Geschäfte der Sprengelwahlbehörde I besorgte (§8 Abs1 Satz 2 GemWO); Sprengelwahlbehörde II (§8 Abs1 Satz 1 GemWO)) in einem Raum und die Mißachtung von Anordnungen des Wahlleiters hätten zu einer "personellen Fluktuierung zwischen den einzelnen Wahllokalen . . . " geführt, doch sei ein Einfluß dieser Ordnungswidrigkeiten auf das Wahlergebnis und eine aktive Wahlbeeinflussung nicht feststellbar. Zur Amtsverschwiegenheit seien nur Mitglieder der Wahlbehörden - insbesondere auch über den Inhalt der zu erstellenden Abstimmungsverzeichnisse - , nicht aber Wahlzeugen verpflichtet, was eine "Durchbrechung" des der Geheimhaltungspflicht unterworfenen geschlossenen Personenkreises bedeute. Die gerügte Vorgangsweise bei Anlegung der "Strichellisten" könne darum nicht als rechtswidrig erkannt werden.
1.3.1.1. Mit ihrer der Sache nach auf Art141 Abs1 B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift begehrte die Wählergruppe FPÖ, der VfGH möge "das Wahlverfahren bei der Gemeinderatswahl in Pamhagen am 25. Oktober 1987 ab Beginn des Wahlvorganges am Wahltag für nichtig erklären".
1.3.1.2. In der hier gerafft wiedergegebenen Begründung heißt es: Es hätten sich Unbefugte im Wahllokal aufgehalten und auf eintretende Wahlberechtigte Einfluß ausgeübt. Die Anwesenheit eines Ersatzmannes der Wahlbehörde im Wahllokal entspreche nur bei Vertretung eines Mitglieds der Gemeindewahlbehörde der Bestimmung des §33 Abs2 GemWO. Die Tatsache, daß Wahlzeugen nicht der Geheimhaltungspflicht unterliegen, könne nicht als Rechtfertigung dafür dienen, daß Mitglieder und Ersatzmänner einer Wahlbehörde inoffizielle Abstimmungsverzeichnisse anfertigen und an Wahlzeugen weiterreichen. Diese Rechtswidrigkeiten seien von Einfluß auf das Wahlergebnis gewesen, weil die Anfechtungswerberin die wenigen für die Erreichung eines Mandats erforderlichen zusätzlichen Stimmen erzielt hätte, wenn es nicht zur Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Mitglieder der Wahlbehörde, zu unerlaubter Werbung im Wahllokal und zu einem "organisierten Schlepperdienst" gekommen wäre.
1.3.2. Die Landeswahlbehörde für die Gemeinderatswahlen 1987 legte die Wahlakten vor und verzichtete unter Hinweis auf die Begründung ihres Bescheids vom 11. Dezember 1987, ZII-1156/4-1987, auf die Erstattung einer Gegenschrift.
2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:
2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der VfGH ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980). Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.
2.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheids eingebracht sein.
2.1.3. Gemäß §46 Abs1 GemWO kann gegen das Wahlergebnis ua. wegen gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren Einspruch (an die Landeswahlbehörde) erhoben werden.
Kraft §46 Abs2 GemWO findet gegen die Entscheidung der Landeswahlbehörde kein (ordentliches) Rechtsmittel statt.
2.1.4. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufs der vierwöchigen Frist zur Anfechtung der in Rede stehenden Gemeinderatswahl vor dem VfGH ist somit der 16. Dezember 1987, das ist der Tag der Zustellung des letztinstanzlichen Bescheids.
Die (am 13. Jänner 1988 zur Post gegebene) Wahlanfechtungsschrift wurde darum rechtzeitig eingebracht.
2.1.5. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.
2.2.1. Die Begründung des Bescheids der Landeswahlbehörde für die Gemeinderatswahlen 1987 beim Amt der Burgenländischen Landesregierung vom 11. Dezember 1987, ZII-1156/4-1987, enthält ua. nachfolgende Feststellungen:
" . . . (Es) ist festzustellen, daß es sich nach den Erhebungen der Landeswahlbehörde bei den (nach den Behauptungen der Einspruchswerberin im Wahllokal zu Unrecht anwesenden) Personen ausschließlich um Ersatzmänner der in einem Raum der Hauptschule Pamhagen eingerichteten beiden Wahlbehörden (Gemeindewahlbehörde und gleichzeitig Wahlbehörde des Wahlsprengels I und Wahlbehörde des Wahlsprengels II) handelte. . .
Auf Grund des von der Landeswahlbehörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens erscheint die für die Einrichtung zweier Wahlbehörden in einem Raum herangezogene Lokalität in der Hauptschule Pamhagen als nicht zweckmäßig, da durch die geometrische Form des Raumes (Länge 21,5; Breite 8,56 m) und die hiemit erzwungene Anordnung der Einrichtungsstücke, insbesondere aber durch das bloße Vorhandensein nur einer Eingangs- bzw. Ausgangstüre aus Glas, die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung bei der Wahlhandlung erschwert wird. So waren im konkreten Fall die Wahlzeugen zu weit entfernt von den Amtstischen und die Wahlurnen wiederum zu weit entfernt von den Wahlzellen angeordnet (§30 GemWO).
Auch ist die bloße Teilung der beiden Wahllokale mittels einer lediglich über eine Zweidrittel-Länge des Gesamtraumes reichende Tischreihe als ungenügend anzusehen, da hiedurch einer personellen Fluktuierung zwischen den einzelnen Wahllokalen Vorschub geleistet wurde. . . "
2.2.2. Allein schon auf dem Boden dieser den Umständen nach nicht anzuzweifelnden Tatsachenannahmen und der zugrundeliegenden Ergebnisse des administrativen Ermittlungsverfahrens - so des Umstandes, daß die im Wahllokal anwesenden Parteifunktionäre, also ersichtlich (auch) Ersatzmänner, mit Wahlwilligen ("Begrüßungs"-)Gespräche führten - zeigt sich, daß der Wahlanfechtung Berechtigung zukommt, und zwar aus folgenden Überlegungen:
Gemäß §33 Abs2 GemWO dürfen in das Wahllokal "außer den Mitgliedern der Wahlbehörde, ihren Hilfspersonen und den Wahlzeugen nur die Wähler zur Abgabe ihrer Stimme zugelassen werden". Nun besteht die Gemeindewahlbehörde aus dem Bürgermeister oder dem von ihm entsendeten Stellvertreter und sechs Beisitzern (§9 Abs1 GemWO), eine Sprengelwahlbehörde aus dem Bürgermeister oder aus dem von ihm zu bestellenden Vorsitzenden als Sprengelwahlleiter und drei Beisitzern (§8 Abs2 GemWO). Die Ersatzmänner (der Beisitzer) gehören der Wahlbehörde - nach dem klaren, unmißverständlichen Wortlaut der streng bindenden Formalvorschriften der GemWO - folglich nur dann an, wenn sie Beisitzerfunktion ausüben, d.h. für ein verhindertes ordentliches Mitglied ersatz-(vertretungs-)weise als Beisitzer einschreiten. Trifft dies nicht zu, gilt für sie das Verbot der Zulassung in das Wahllokal wie für alle anderen Personen, die zur Zeit der Wahl - nicht Mitglieder der Wahlbehörde, Hilfspersonen dieser Mitglieder oder Wahlzeugen sind.
Es war daher rechtswidrig, wenn sich die in Rede stehenden, nicht in amtliche (Beisitzer-)Funktionen berufenen Ersatzleute während der Wahlzeit im Wahllokal befanden und dort mit Wahlwilligen Gespräche suchten, deren - laut Behauptung der Anfechtungswerberin: wahlwerbenden - Inhalt der VfGH im einzelnen nicht ermitteln mußte. Da nämlich die Verfahrensergebnisse die Feststellung ausschließen, daß die Aktivitäten der unbefugt Anwesenden mit Sicherheit keine wie immer geartete Beeinflussung der Wahlberechtigten zum Gegenstand hatten, ist nicht von der Hand zu weisen, daß hier die erwiesene Rechtswidrigkeit (Anwesenheit Unbefugter im Wahllokal) - unter Berücksichtigung aller Begleitumstände - nach Lage des konkreten Falles auf das Wahlergebnis zumindest von Einfluß sein konnte, ein Umstand, der nach langjähriger ständiger Rechtsprechung des VfGH die entsprechende Voraussetzung des Art141 Abs1 Satz 3 B-VG iVm §70 Abs1 VerfGG 1953 (: Einfluß auf das Wahlergebnis) bereits voll und ganz erfüllt (vgl. VfSlg. 6424/1971 und die dort angeführte Vorjudikatur, sowie 7392/1974, 7784/1976, 7850/1976, 8853/1980, 10906/1986, 11021/1986).
Demgemäß mußte die angefochtene Wahl schon aus dieser Überlegung der Aufhebung anheimfallen.
Bei dieser Sach- und Rechtslage bedurfte es nicht mehr eines näheren Eingehens auf das restliche Anfechtungsvorbringen. Es sei jedoch festgehalten, daß der Vorsitzende und die übrigen Mitglieder der Wahlbehörde als Behördenorgane - anders als Wahlzeugen, die nicht in amtlicher Eigenschaft fungieren - der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit uneingeschränkt unterliegen (vgl. dazu auch VfSlg. 11255/1987).
2.3. Diese Entscheidung hatte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 idF BGBl. 297/1984 ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zu ergehen.
Schlagworte
Wahlen, AmtsverschwiegenheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:WI1.1988Dokumentnummer
JFT_10119384_88W00I01_00