Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
StVO 1960 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Gerhard N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 11. August 1989, Zl. MA 70-11/1646/88/Str, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Bescheid vom 11. August 1989 wird, insoweit der Beschwerdeführer unter Punkt 2 der am 24. März 1988 um 03.30 Uhr begangenen Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 schuldig erkannt und deshalb bestraft wurde, einschließlich der darauf bezughabenden Kostenentscheidung, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 11. August 1989 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug folgender Verwaltungsübertretungen schuldig erkannt (die bloß das Strafausmaß betreffende Entscheidung in Punkt 1 des Berufungsbescheides ist nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens):
Er habe am 24. März 1988 um 03.29 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt und sich im Zuge einer Amtshandlung in Wien 6, Mariahilferstraße vor ONr. 1b, sowohl 2) gegen 03.30 Uhr als auch 3) gegen 03.45 Uhr geweigert, seine Atemluft von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl habe vermutet werden können, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er habe hiedurch zu 2) und 3) jeweils eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; es wurden Geld- und Ersatzarreststrafen verhängt.
Die Landesregierung führte in der Begründung ihres Berufungsbescheides unter anderem aus, die den Beschwerdeführer anhaltenden Sicherheitswachebeamten hätten "noch andere Anzeichen einer Alkoholisierung feststellen" können, doch habe überdies der Beschwerdeführer diesen Beamten gegenüber den Konsum von zwei Seidel Bier zugegeben. Daher sei die Aufforderung zur Ablegung der Atemluftprobe zu Recht erfolgt. Nach der ersten Aufforderung zu dieser Probe habe der Beschwerdeführer trotz vorangegangener Belehrung beim Blasen mehrmals abgesetzt, sodaß das der Kontrolle dienende Säckchen nur leicht gefüllt worden sei. Dieses Verhalten sei der Verweigerung der Atemluftprobe gleichzuhalten. Nach dieser Amtshandlung habe der Beschwerdeführer seinen Pkw abermals in Betrieb genommen, hierauf sei er abermals zur Atemluftprobe aufgefordert worden, worauf er diese, diesmal wörtlich, verweigert habe. Die Behörde folge den Zeugenaussagen der Sicherheitswachebeamten und nicht der anders lautenden Verantwortung des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und macht darin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorliegen einer Gegenschrift der belangten Behörde erwogen:
Das Vorbringen über ein gegen die beiden damals einschreitenden Sicherheitswachebeamten laufendes Strafverfahren wegen des Verbrechens des Amtsmißbrauches und des Vergehens der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde ist in Anbetracht der Erlassung des angefochtenen Bescheides durch Zustellung am 29. August 1989 eine unzulässige Tatsachenneuerung, weil ein solches Vorbringen im Verwaltungsstrafverfahren nie gemacht wurde (zur Unzulässigkeit der Tatsachenneuerung siehe z.B. die Entscheidungen bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 552/2/4, S 553/2). Ein allfälliger künftiger Schuldspruch gegen die beiden Sicherheitswachebeamten könnte unter Umständen den Tatbestand des § 69 Abs. 1 lit. a AVG herstellen.
Die Beschwerde bekämpft unter anderem die Richtigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. N.F. Nr. 8619/A) schließt die auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, das heißt, ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, weshalb wesentliche Mängel der Sachverhaltsfeststellung einschließlich der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Bescheides führen. Ob aber der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).
Hinsichtlich der zu Punkt 2 genannten Übertretung (Tatzeit 03.30 Uhr des Tattages) liegt aber nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes folgender Verfahrensmangel vor:
Der Beschwerdeführer hat zweimal (Blatt 12 und Blatt 26 verso des Verwaltungsstrafaktes) vorgebracht, er habe die zeitlich erste Atemluftprobe deshalb nicht durchführen können, weil das Röhrchen keine genügend große Öffnung, und zwar trotz mehrmaligen Abbrechens durch den Sicherheitswachebeamten, aufgewiesen habe. Die beiden Sicherheitswachebeamten wurden zu dieser Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers nicht als Zeugen befragt, wie sich aus ihren Aussagen Blatt 16 und verso und Blatt 17 und verso des Verwaltungsstrafaktes ergibt; auch die Berufungsbehörde hat sich mit dieser Sachverhaltsbehauptung des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt (Blatt 37 des Verwaltungsstrafaktes). Sowohl die Vernehmung zu dieser Tatfrage als auch eine entsprechende Feststellung im Berufungsbescheid wäre aber notwendig gewesen, um den Beschwerdeführer in einer mängelfreien Weise (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 26. Juni 1978, Slg. N.F. Nr. 9602/A) hinsichtlich des Tatzeitpunktes 03.30 Uhr dieser Verwaltungsübertretung zu überführen.
Nicht begründet ist allerdings die Verfahrensrüge hinsichtlich der zu 3) genannten Übertretung (Tatzeitpunkt 03.45 Uhr des Tattages), weil die beiden Sicherheitswachebeamten ausdrücklich Aussagen über die nochmalige Aufforderung des Beschwerdeführers zur Ablegung der Atemluftprobe machten (Blattzahl 16 verso und 17 verso des Verwaltungsstrafaktes).
Abgesehen von dem oben aufgezeigten Verfahrensmangel hinsichtlich der zu 2) genannten Übertretung ist den weiteren Ausführungen der Beschwerde folgendes zu erwidern:
Die belangte Behörde hatte keinen Anlaß, sich damit auseinanderzusetzen, warum die Sicherheitswachebeamten den Beschwerdeführer insgesamt zweimal zur Ablegung der Atemluftprobe aufgefordert haben, wenn sie, wie noch auszuführen sein wird, mit Recht davon ausging, daß zwei Delikte begangen wurden. Die belangte Behörde hat sich bei der zeitlich ersten Übertretung auf die durch ein bestimmtes Verhalten erfolgte, bei der zeitlich zweiten Übertretung auf die wörtliche Verweigerung der Atemluftprobe berufen, so daß es nicht erforderlich war, Erwägungen darüber anzustellen, warum auf dem Vordruck "Erklärung" vom 24. März 1989 der Vermerk "Unterschrift verweigert" aufschien. Da im vorliegenden Fall die Atemluftproben mit Geräten im Sinne des § 5 Abs. 2a lit. a StVO und nicht mit solchen Geräten nach lit. b dieser Gesetzesstelle vorgenommen wurden, lagen die Voraussetzungen für eine Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes auf Verlangen des Lenkers nicht vor (siehe § 5 Abs. 7 lit. a StVO).
Die belangte Behörde hat auch zu Recht hinsichtlich der Verweigerung der Ablegung der Atemluftprobe zwei Verwaltungsübertretungen angenommen: Nach § 22 Abs. 1 VStG sind die Strafen unter anderem dann nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat. Insoweit aber mehrere Tathandlungen zu einem fortgesetzten Delikt zusammentreten, ist nicht von verschiedenen selbständigen Taten, sondern von einer einzelnen Tat zu sprechen. Unter einem fortgesetzten Delikt sind eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen zu verstehen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit zusammentreten (Erkenntnis vom 12. März 1986, Zl. 84/03/0368 unter Berufung auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Mai 1980, Slg. N.F. Nr. 10138/A).
Im vorliegenden Fall war schon die Begehungsart der beiden Taten insofern verschieden, als die Weigerung einmal durch Taten, das zweite Mal durch Worte erfolgte. Von einem Gesamtkonzept des Täters kann nicht gesprochen werden, weil die erste Verweigerung nach längerer Fahrt mit dem Pkw, die zweite Verweigerung aber nach erfolgter Anhaltung und Amtshandlung und anschließend an den Versuch des Beschwerdeführers erfolgte, seinen Pkw in eine andere Stellung zu bringen (vgl. Erkenntnis vom 9. Oktober 1981, Zl. 81/02/0161).
Was die gegen den Bescheid der Landesregierung erhobene Rüge in der Straffrage anlangt, so sah die belangte Behörde mit Recht von der Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes ab, weil in dem nochmaligen Starten des Pkws nach der Amtshandlung eine besondere Einsichtslosigkeit des Täters in der Frage des von ihm selbst zugegebenen Verdachtes der Alkoholisierung zu erblicken war.
Daher war der angefochtene Bescheid nur in dem oben aufgezeigten Umstand gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere 59 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil als Beilage nur der aus zwei Bogen bestehende angefochtene Bescheid in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.
Schlagworte
Alkotest Verweigerung Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Alkomat Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Blutabnahme Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung AlkotestEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1989180151.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
26.09.2008