Index
90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §4 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des F in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L gegen den Bescheid der oberösterreichischen Landesregierung vom 22. November 1984, Zl. VerkR-22.362/1-1984-II/F ad, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 22. November 1984 erkannte die oberösterreichische Landesregierung den Beschwerdeführer - unter teilweiser Neufassung des Spruches des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Linz vom 10. November 1983 - schuldig, er habe am 30. August 1982 um 15.00 Uhr in Linz auf der Freistädter Straße nächst dem Hause Nr. 4 als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws nach Verursachung eines Verkehrsunfalles nicht sofort angehalten. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen. Gemäß § 99 Abs. 2 lit. a leg.cit. wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzarreststrafe, verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.
Voraussetzung für die Anhaltepflicht nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO ist nicht nur das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens. Der Tatbestand ist daher schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1984, Slg. N. F. Nr. 11495/A).
Der Beschwerdeführer hat das Vorliegen des objektiven Tatbestandsmerkmales der Verwaltungsübertretung, nämlich die ursächliche Beteiligung an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, nicht bestritten. In bezug auf das subjektive Tatbestandsmerkmal des Wissens oder fahrlässigen Nichtwissens des eingetretenen Schadens bringt der Beschwerdeführer vor, es habe ihm an der Kenntnis von dem Unfall gefehlt. An der Unfallstelle habe erheblicher Verkehrslärm geherrscht, außerdem müsse berücksichtigt werden, daß sein Autoradio in Betrieb gewesen und der von ihm gelenkte Pkw ein Fahrzeug mit Dieselmotor sei. Er habe der Behörde ein schlüssiges Gutachten eines Privatsachverständigen vorgelegt, welches durch die Amtsgutachten in keinem Punkte widerlegt worden sei. Kein Gutachten des Amtssachverständigen sei nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer habe die Einholung von Sachverständigengutachten einerseits der Technischen Universität Wien, andererseits eines Sachverständigen für das Kunststoffwesen beantragt, ob er unter Berücksichtigung des laufenden Dieselmotors, des laufenden Autoradios und des erheblichen Verkehrslärms in der Freistädter Straße bei Berücksichtigung des Zustandes des Cellons nach der Kollision, wirklich wahrnehmen hätte müssen, daß eine Kollision mit dem Wagen der Geschädigten stattgefunden habe. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß das Kollisionsgeräusch oder die Anstoßwucht derart gewesen sei, daß sie von ihm hätte wahrgenommen werden müssen, im Sinne eines "Wissens" um den Unfall.
Mit diesem Vorbringen bekämpft der Beschwerdeführer in erster Linie die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg N. F. Nr. 8619/A) die auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht ausschließt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, das heißt, ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, weshalb wesentliche Mängel der Sachverhaltsfeststellung einschließlich der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Bescheides führen. Ob aber der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).
Unter diesem Gesichtspunkt vermag der Verwaltungsgerichtshof die Beweiswürdigung der belangten Behörde, welche sich auf das Amtsgutachten und die Ergänzungen hiezu stützt, weder als unschlüssig noch als auf einer mangelhaften Sachverhaltsgrundlage beruhend zu erkennen. Dem Beschwerdeführer kann nicht gefolgt werden, wenn er das Gutachten des Amtssachverständigen bekämpft, zumal seine Behauptung nicht zutrifft, daß Feststellungen darüber fehlten, welche Schäden (argumentum: "Unfallsbeschädigungen in welchem Umfang?") am Fahrzeug der Geschädigten eingetreten seien. Aus den in der Verkehrsunfallsanzeige beschriebenen Schäden und aus den im Akt sich befindlichen Fotos der Bundespolizeidirektion Linz läßt sich erkennen, daß am Fahrzeug der Geschädigten die rechte Fahrzeugtür durch den Unfall stark eingedrückt worden ist. Weiters wurde in der Anzeige vom Meldungsleger festgehalten, in einer Höhe von 63 cm sei ein leichter Lackschaden, in einer Höhe von 56 cm eine Gummiabriebspur deutlich sichtbar vorhanden gewesen. Dies seien eindeutig "frische" Beschädigungen gewesen. Auf dem Foto Nr. 2 (Blatt 6 vso) ist die Beschädigung am unfallsgegnerischen Pkw deutlich zu sehen. Die rechte Türe weist eine großflächige, rautenförmige Eindellung auf, diese ninmmt fast die gesamte Höhe der Tür und zwei Drittel der Breite ein und zeigt einen deutlichen Knick in der Vertikalrichtung auf. Selbst wenn man berücksichtigt, daß das Abdeckcellon des Beschwerdeführers beim Anstoß keine Beschädigung in Form eines Sprunges erfahren hat, verbleiben doch die auch vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogenen Beschädigungen am gegnerischen Pkw, aus welchen der Sachverständige die von ihm gezogenen Folgerungen durchaus schlüssig ziehen konnte. Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf den an der Unfallstelle herrschenden Verkehrslärm und den Lärm des Dieselmotors vermag daran nichts zu ändern. Der Sachverständige führt u.a. dazu aus, eine Unfallsbeschädigung in diesem (= dem oben beschriebenen) Umfang rufe Geräusche hervor, die sich auf Grund ihrer Charakteristik eindeutig vom restlichen Verkehrslärm und vom Motorengeräusch eines Pkw-Dieselmotors unterscheiden.
Auf Grund der Ausführungen im Gutachten des Amtssachverständigen ist es schlüssig, wenn die belangte Behörde, ausgehend von dem Umstand, "daß der amtliche Sachverständige glaubhaft machen konnte, daß es sich bei dieser Kollision um eine großflächige Eindellung handelt, die jedoch durch einen Knick in der Vertikalrichtung charakterisiert ist", ausführt, daß eine "derartige Knickbildung (dies wurde im vom Beschwerdeführer angeführten Privatgutachten des Prof. P. nicht berücksichtigt) durchaus geeignet ist, eine derartige Lärmentwicklung zu entfalten, die sich nicht nur eindeutig vom restlichen Verkehrslärm und Motorgeräusch eines Pkws mit Dieselmotor unterscheidet, sondern die auch eindeutig geeignet ist, vom Beschwerdeführer anläßlich des gegenständlichen Verkehrsunfalles wahrgenommen zu werden".
Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen der Technischen Universität Wien einerseits und andererseits die Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen für das Kunststoffwesen entbehrlich. Dem Beschwerdevorbringen ist außerdem nicht zu entnehmen, inwiefern die belangte Behörde zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gekommen wäre, wenn sie die oben erwähnten Gutachten eingeholt hätte. Ebensowenig hat der Beschwerdeführer zu erkennen gegeben, welche für den Ausgang des Verfahrens wesentlichen Aussagen von den beiden erwähnten Sachverständigen zu erwarten gewesen wären.
Der Beschwerdeführer ist abschließend noch auf das schon oben zitierte Erkenntnis vom 6. Juli 1984, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof deutlich ausgesprochen hat, daß ein Autoradio nur mit einer solchen Lautstärke betrieben werden darf, daß hiedurch die Aufmerksamkeit des Lenkers gegenüber dem Verkehrsgeschehen nicht beeinträchtigt wird. Der Beschwerdeführer hätte daher bei dem von ihm vorgenommenen Ausparkmanöver, bei welchem die Gefahr besteht, andere Fahrzeuge zu beschädigen, bei Anwendung der von ihm geforderten Sorgfaltspflicht, entweder auf den Betrieb des Autoradios verzichten oder eine derartige Lautstärke wählen müssen, daß er in der Lage gewesen wäre, das Anstoßgeräusch zu bemerken.
Da es der Beschwerde sohin nicht gelungen ist, die von ihr behaupteten Rechtswidrigkeiten darzutun, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Identitätsnachweis Meldepflicht AutoradioEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1985180010.X00Im RIS seit
12.06.2001