TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/15 85/18/0150

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Veröffentlicht am 15.02.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des T in S, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. E, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 19. Dezember 1983, Z. MA 70-XI/F 56/82/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land Wien) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 19. Dezember 1983 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 24. Dezember 1981 um 6.50 Uhr in Wien 16, Veronikagasse 23, als Lenker des Pkws W nnn.nnn einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und es unterlassen, die nächste Polizeidienststelle ohne unnötigen Aufschub vom Unfall in Kenntnis zu setzen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen. Über ihn wurde gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzarreststrafe, verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 5 StVO, in der im Beschwerdefall anzuwenden Fassung vor der 10. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 174/1983, haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn bei diesem nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Identität nachgewiesen haben.

Voraussetzung für die Meldepflicht nach dieser Bestimmung ist zufolge der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als objektives Tatbestandsmerkmal der Eintritt eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1984, Slg. N.F. Nr. 11.495/A).

Die belangte Behörde gründete ihren Schuldspruch im wesentlichen auf die Anzeige und die Zeugenaussage des Aufforderers N, auf ein technisches Sachverständigengutachten sowie auf den Umstand, daß der Schaden vom aufnehmenden Polizeibeamten S besichtigt worden ist. N habe auch eingehender Schilderung des Herganges des Unfalles, bei dem die Motorhaube und der Kühlergrill seines Fahrzeuges eingedrückt und die Stoßstange verbogen worden sei, angegeben, er sei nach der Kontaktierung sofort ausgestiegen und habe dem Lenker des anstoßenden Fahrzeuges einen "Lenkerausgleich" und den Nachweis der Identität angeboten. Diesem habe der Lenker zugestimmt, er habe sich jedoch darauf ohne irgendwelche Angaben oder Nachweise vom Unfallort entfernt, während er, der Aufforderer, das Unfallberichtsformular ausfüllen habe wollen.

Der technische Sachverständige hat anhand eines Vergleiches mit typengleichen Fahrzeugen zur technischen Möglichkeit der Beschädigungen ausgeführt, daß die gegenständliche Kontaktnahme zur Tatzeit am Tatort technisch möglich sei, da bei dem Kontaktgeschehen die vordere Stoßstange des Kfzs des Aufforderers unter die hintere Stoßstange des Kfzs des Beschwerdeführers im Bereich des hinteren Fahrzeugheckes gleiten könne. Somit könne durch die Stoßstange des Kfzs des Beschwerdeführers der Kühlergrill des Kfzs des Aufforderers beschädigt und die vordere Stoßstange verbogen werden. Gleichzeitig bestehe die technische Möglichkeit einer Kontaktnahme zwischen der hinteren Heckleuchte des Kfzs des Beschwerdeführers und der Motorhaube des Kfzs des Aufforderers. Damit ergebe sich die technische Möglichkeit, daß am Kfz des Beschwerdeführers durch das Kontaktgeschehen gemäß der Anzeige nur das Heck beschädigt worden sei, wobei die Stoßstange keine vom gegenständlichen Vorfall herrührenden Beschädigungen aufweise, da die Stoßstange im Kontaktbereich eine höhere Festigkeit aufweise, als die Stoßstange des Kfzs des Aufforderers. Weiters stellte der technische Sachverständige fest, werde auf Grund der Anzeige die Kontaktnahme zur Tatzeit am Tatort als erwiesen angenommen, so hätte der Beschwerdeführer diese, wegen einer Anstoßerschütterung und des damit verbundenen Anstoßgeräusches und dessen Übertragung über die Karosserie in das Fahrzeuginnere, bemerken und mit dem Eintritt eines Sachschadens rechnen müssen.

Verfahrensmängel sind bei der Überprüfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides für den Verwaltungsgerichtshof nur dann beachtlich, wenn sie im letztinstanzlichen Verfahren unterlaufen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1955, VwSlg. N.F. Nr. 1147/F). Es kann daher der belangten Behörde nicht der Vorwurf der Verletzung von Verfahrensvorschriften durch Unterlassung der Durchführung der Gegenüberstellung der unfallbeteiligten Fahrzeuge gemacht werden, da sie nach Einlangen der Berufung diesbezügliche Ermittlungen in die Wege geleitet hat. Der Umstand, daß zu diesem Zeitpunkt die unfallbeteiligten Fahrzeuge nicht mehr verfügbar waren, ist von der belangten Behörde nicht zu vertreten.

Die belangte Behörde nahm in freier Würdigung der Beweise (diesbezüglich siehe Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0052) auf Grund der Aussage des Zeugen Strubelj den Eintritt der oben genannten Sachschäden durch den oben genannten Unfall an. Sie überprüfte diese Zeugenaussage dadurch, daß sie die technische Möglichkeit eines solchen Schadenseintritts bei solchen Kraftfahrzeugen durch den Amtssachverständigen überprüfen ließ; dieser bejahte diese Möglichkeit.

Damit konnte die belangte Behörde schlüssigerweise (siehe das oben zitierte Erkenntnis) vom ursächlichen Zusammenhang des Verhaltens des Beschwerdeführers mit den geschilderten Sachschäden ausgehen.

Was die subjektive Tatseite des Deliktes, also das Verschulden, betrifft, so ist auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, der Aufforderer hätte auf die Frage, "ob bei ihm alles okay sei" eine bejahende Antwort gegeben, zu entgegnen, daß diese Behauptung des Beschwerdeführers einerseits mit der Zeugenaussage des Aufforderers im Widerspruch steht, andererseits vom Beschwerdeführer eine Kollison der beiden in Rede stehenden Kraftfahrzeuge nie bestritten wurde. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer nach dem Unfall mit seinem Fahrzeug stehen geblieben und an die Unfallstelle zurückgekehrt ist, läßt erkennen, daß ihm die Möglichkeit des in der Folge als erwiesen angenommenen ursächlichen Zusammenhanges zwischen seinem Fahrverhalten und dem Verkehrsunfall zum Bewußtsein gekommen ist (vgl das hg. Erkenntnis vom 26. November 1982, Zl. 82/02/0159).

Da die Beschwerde die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit nicht dartun konnte, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Identitätsnachweis Meldepflicht Verfahrensbestimmungen Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1985180150.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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