Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Margarete N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21. April 1986, Zl. I/7-St-P-85162, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21. April 1986 wurde die Beschwerdeführerin für schuldig befunden, am 12. Juli 1985 um 5,20 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw im Ortsgebiet von Gugging auf der Hauptstraße nächst der Hilbertpromenade bis zum Haus Hauptstraße Nr. 42 bei der Fahrt in Richtung Tulln vermutlich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben, wobei sie sich um 5,35 Uhr dieses Tages im Gendarmerieposten Kierling gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert habe, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Die Beschwerdeführerin habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begangen, weshalb über sie eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt worden ist.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, sie habe ihre Einwilligung zur Durchführung der Atemluftprobe von einem vorherigen Anruf bei ihrem Rechtsanwalt abhängig gemacht, was ihr jedoch verweigert worden sei. § 8 der Rechtsanwaltsordnung berechtige aber zur Parteienvertretung vor allen Behörden in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten, weshalb die Behörde keinen Rechtsuchenden daran hindern darf, sich mit einem Anwalt in Verbindung zu setzen. Auch aus § 43 Abs. 3 AVG könne man in sinngemäßer extensiver Interpretation die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des einschreitenden Gendarmeriebeamten ableiten.
Bei diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin, daß aus der im § 8 der Rechtsanwaltsordnung geregelten Befugnis der Rechtsanwälte zur berufsmäßigen Parteienvertretung nicht abgeleitet werden kann, daß Fahrzeuglenker die Untersuchung der Atemluft bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 StVO 1960 verweigern dürfen, wenn ihnen vorher keine Gelegenheit zu einer Kontaktaufnahme mit ihrem Rechtsvertreter gegeben worden ist. Daß eine Vertretung des Fahrzeuglenkers bei der Atemluftuntersuchung nicht in Betracht kommt, bedarf keiner Erörterung. Im übrigen ist mit dem Hinweis auf die Vorschriften des § 43 Abs. 3 AVG für den Standpunkt der Beschwerdeführerin schon deshalb nichts zu gewinnen, weil die Bestimmungen des AVG über die mündliche Verhandlung für die von den Behörden durchgeführten Verhandlungen gelten, dem im Beschwerdefall als von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht eingeschrittenen Gendarmeriebeamten, welcher die Beschwerdeführerin zur Untersuchung der Atemluft aufgefordert hat, aber nicht die Qualifikation eines Behördenorganes zukommt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 1958, Slg. N. F. Nr. 4557/A). Abgesehen davon hat die Beschwerdeführerin nicht zu erkennen gegeben, inwiefern sie nicht in der Lage gewesen sein sollte, gegenüber dem die Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft aussprechenden Straßenaufsichtsorgan im Sinne des § 43 Abs. 3 AVG "alle zur Sache gehörigen Gesichtspunkte vorzubringen und unter Beweis zu stellen", zumal sie auch in der Beschwerde nicht etwa behauptet hat, infolge eines körperlichen Gebrechens zur Durchführung der Atemluftuntersuchung nicht in der Lage gewesen zu sein.
Der unter Hinweis auf § 7 AVG aufgestellten Behauptung der Beschwerdeführerin, der einschreitende Gendarmeriebeamte hätte sich aus bestimmten Gründen der Ausübung seines Amtes ihr gegenüber enthalten müssen, ist zu erwidern, daß die Bestimmungen des AVG über die Befangenheit für "Verwaltungsorgane", also für die mit Aufgaben der Verwaltung betrauten Personen gelten, die an einer Amtshandlung mitwirken, bei der die Verwaltungsverfahrensgesetze anzuwenden sind (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Prugg-Verlag Eisenstadt, 4. Aufl., S. 91). Diese Voraussetzung ist bei einer Amtshandlung im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO 1960 nicht gegeben.
Zur Rüge der Beschwerdeführerin, das Formblatt "Beweismittel über Alkoholbeeinträchtigung" sei ihr nicht vorgelesen und auch nicht zur Unterschrift vorgelegt worden, sie habe daher die darin enthaltenen Unrichtigkeiten und Lücken nicht rügen und auch zum Ergebnis des Beweisverfahrens nicht Stellung nehmen können, ist zu bemerken, daß angesichts der ihr zur Last gelegten Verweigerung der Atemluftprobe im Hinblick auf die im § 5 Abs. 2 StVO 1960 normierten Voraussetzungen allein entscheidend ist, ob das Straßenaufsichtsorgan vermuten durfte, daß sich die Beschwerdeführerin in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Berufung den Konsum von Alkohol ausdrücklich zugestanden, weshalb auch kein Grund zu der Annahme besteht, daß der vom Meldungsleger in dem erwähnten Formblatt u.a. festgehaltene, aus einer Entfernung von 40 cm wahrnehmbare deutliche Alkoholgeruch aus dem Munde der Beschwerdeführerin nicht den Tatsachen entsprochen hat. Schon allein dieser Umstand ließ einen durch Alkohol beeinträchtigten Zustand vermuten und demnach das Verlangen des Straßenaufsichtsorganes nach der Untersuchung der Atemluft gerechtfertigt erscheinen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1967, Zl. 582/67), auch wenn die Untersuchung einer ca. 1 1/2 Stunden nach der Tat abgenommenen Blutprobe keine Anhaltspunkte für eine Alkoholisierung ergeben hat, wobei zur Vermeidung von Mißverständnissen daran zu erinnern ist, daß die Voraussetzungen für eine Vermutung nach § 5 Abs. 2 StVO 1960 mit der Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 leg. cit. nichts zu tun haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1982, Zl. 81/03/0092). Es ist daher davon auszugehen, daß der belangten Behörde keine im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften unterlaufen ist, bei deren Vermeidung sie zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren Bescheid gekommen wäre.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Abgrenzung der Begriffe Behörde und Organwalter Alkoholbeeinträchtigung Fahrtüchtigkeit Alkotest Straßenaufsichtsorgan Alkotest Verweigerung Alkotest Voraussetzung Beweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von Amtspersonen Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Alkotest Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4 freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1987180003.X00Im RIS seit
12.06.2001