TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/18 90/19/0218

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Veröffentlicht am 18.02.1991
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Index

L92057 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Tirol;

Norm

SHG Tir 1973 §1 Abs3 lita;
SHG Tir 1973 §3;
SHG Tir 1973 §7 Abs1;
SHG Tir 1973 §7 Abs2;
SHG Tir 1973 §7 Abs6;
SHV Tir 1974 §4 Abs1 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 26. Jänner 1990, Zl. Va-456-6041, betreffend Einstellung der Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Tiroler Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein (BH) vom 14. Oktober 1987 war der nunmehrigen Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 des Tiroler Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 105/1973, (TSHG) iVm § 7 der Sozialhilfeverordnung, LGBl. Nr. 68/1974 (in der damals geltenden Fassung), u.a.

- Spruchpunkt 2. - ab 1. Oktober 1987 eine monatliche Sachleistung in Höhe der jeweiligen Miete von dzt. monatlich

S 3.500,-- für die Monate März bis September und von monatlich

S 4.500,-- für die Monate Oktober bis Februar gewährt worden.

1.2. Mit Bescheid der BH vom 12. Jänner 1988 war u.a. ausgesprochen worden, daß der vorgenannte Spruchpunkt des Bescheides vom 14. Oktober 1987 unverändert in Geltung bleibe.

2. Unter dem Datum 29. August 1989 erließ dieselbe Behörde einen Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein stellt gemäß § 1 Abs. 3 des Tiroler Sozialhilfegesetzes die mit Bescheiden vom 14.10.1987, Zahl Ie-267-3157/87, bzw. vom 12.01.1988, Zahl Ie-267/112/88, für S. Irmgard, geboren am nn, wohnhaft in K., S-Straße, bewilligte Sozialhilfe im Hinblick auf die Sachleistung durch Übernahme der anfallenden Mietkosten nach Punkt 2) für die Wohnung in K., S-Straße, in Höhe von monatlich

S 4.500,-- für die Monate Oktober bis Februar sowie von monatlich S 3.500,-- für die Monate März bis September mit Ablauf des Monates Juli 1989 ein."

3. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wies die Tiroler Landesregierung (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 26. Jänner 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 iVm § 1 Abs. 3 lit. a TSHG als unbegründet ab.

Zur Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Im Hinblick auf § 1 Abs. 3 lit. a TSHG, wonach für die Frage, ob eine Notlage i.S. des Gesetzes vorliege, bzw. für die Beurteilung der Höhe einer Sozialhilfe bei Bejahung der Notlage, die Klärung der Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse maßgebend sei, sei die Beschwerdeführerin im Rahmen des Berufungsverfahrens eingehend darüber einvernommen worden, wie sie den Lebensunterhalt, seitdem sie arbeitslos sei (seit 30. Juni 1989), bestreite. Die Beschwerdeführerin hätte dazu angegeben, daß sie die Lebenskosten im wesentlichen aus der Familienbeihilfe (S 1.200,--) und dem Unterhalt (S 1.300,--), die sie für ihren mj. Sohn erhalte, bestreite, darüber hinaus aber auch Unterstützungen von ihrer Schwester, Marlene St., bekomme, und zwar für den Zeitraum 1. Juli 1989 bis 16. Oktober 1989 in der Höhe von ca. S 5.000,--. Schließlich hätte sie laut ihren Angaben auch noch von anderen Geschwistern Zuwendungen erhalten. Aufgrund dieser Unterstützungen hätte sie keinen Antrag auf eine "laufende" Sozialhilfe gestellt. Eine Vernehmung der Geschwister der Beschwerdeführerin habe ergeben, daß der Bruder Heinrich St. und die Schwestern Christine und Benedikta St. die Beschwerdeführerin nur unregelmäßig mit kleineren Beträgen in der Höhe von ca. S 100,-- unterstützt hätten. Die von der Beschwerdeführerin ausdrücklich als Hauptunterstützende genannte Marlene St. habe die Aussage unter Berufung auf § 49 AVG 1950 verweigert.

Der belangten Behörde erscheine es nicht nur unglaubwürdig, daß die Beschwerdeführerin für sich und ihren Sohn bis Ende Oktober 1989 mit einem Betrag von monatlich lediglich S 3.700,-- bis S 3.900,-- (dies einschließlich der angegebenen Unterstützung seitens der Geschwister) das Auslangen habe finden können, sie hege auch berechtigte Zweifel an der durch keinen Beweis erhärteten Behauptung der Beschwerdeführerin, ihre Schwester hätte ihr in der Zeit vom 1. Juli 1989 bis 16. Oktober 1989 insgesamt ca. S 5.000,-- zugewendet. Letzteres zum einen deshalb, weil die Beschwerdeführerin anläßlich ihrer Vernehmung nicht einmal die Adresse ihrer Schwester habe angeben können, zum anderen, weil es einfach unwahrscheinlich sei, daß die Beschwerdeführerin nun plötzlich von ihrer Schwester doch recht hohe Beträge als Geschenk erhalten haben solle. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, daß der Beschwerdeführerin andere, von ihr nicht bekannt gegebene Einnahmequellen zur Verfügung stünden.

Im Hinblick auf das Ergebnis des Beweisverfahrens und im Rahmen der freien Beweiswürdigung sei die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, daß das Vorliegen einer Notlage i.S. des TSHG nicht habe erwiesen werden können, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem ihr nach § 1 iVm § 4 TSHG zustehenden "Recht auf Gewährung von Sozialhilfe durch Übernahme der Wohnungskosten" verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 1 Abs. 2 TSHG ist Sozialhilfe nach den Bestimmungen dieses Gesetzes Personen zu gewähren, die sich in einer Notlage befinden. Nach § 1 Abs. 3 lit. a leg. cit. idF der Kundmachung des Landeshauptmannes von Tirol, LGBl. Nr. 35/1989, befindet sich in einer Notlage i.S. dieses Gesetzes, wer den Lebensunterhalt für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

Zufolge des § 3 TSHG umfaßt die Sozialhilfe u.a. (lit. a) die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Gemäß § 4 Abs. 1 erster Satz leg. cit. umfaßt der Lebensunterhalt den Aufwand für die gewöhnlichen Bedürfnisse, wie Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, sowie den Aufwand für die persönlichen Bedürfnisse.

Gemäß § 7 Abs. 1 TSHG kann die Sozialhilfe in Form von Geldleistungen, Sachleistungen oder persönlicher Hilfe gewährt werden. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen ist das Ausmaß der Sozialhilfe im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte und Mittel zu bestimmen. Gemäß Abs. 6 erster Satz dieser Gesetzesstelle hat die Landesregierung nähere Vorschriften über die Form und das Ausmaß der Sozialhilfe zu erlassen.

Die dazu ergangene Sozialhilfeverordnung normiert im § 4 Abs. 1 lit. b, daß unter Anrechnung der gemäß § 7 TSHG einzusetzenden eigenen Kräfte und Mittel zur Deckung des Aufwandes für Unterkunft eine Beihilfe in der Höhe der tatsächlichen Kosten zu gewähren ist.

2.1. Das Beschwerdevorbringen läßt sich wie folgt zusammenfassen: Die belangte Behörde habe in Verkennung des tatsächlichen Sachverhaltes den "Verzicht" der Beschwerdeführerin auf "laufende" Sozialhilfe dahin ausgelegt, daß keine Notlage vorliege und diese über eine andere Einnahmequelle verfügen müsse. Diese Annahme beruhe auf reiner Spekulation und sei darüber hinaus völlig lebensfremd. Bei lebensnaher Betrachtung hätte die belangte Behörde erkennen müssen, daß die Beschwerdeführerin als Mutter eines siebenjährigen Kindes lieber eine Einschränkung ihres Lebensunterhaltes in Kauf nehme, als ihr Kind ganztägig einer Betreuung durch fremde Personen zu überlassen, und daß sie deshalb keine Ganztagsarbeit annehmen wolle, konsequenterweise aber auch keinen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe über die Mietkosten hinaus stelle. Die Annahme der belangten Behörde, es sei unwahrscheinlich, daß die Beschwerdeführerin von ihren Geschwistern nun Unterstützungen für den Lebensunterhalt bekomme, sei völlig unzureichend begründet und durch den Akteninhalt nicht gedeckt. Die Darstellung des Sachverhaltes durch die belangte Behörde erweise sich daher in wesentlichen Punkten als im Bereich der Spekulation liegend, sodaß die Beurteilung, die Beschwerdeführerin befinde sich nicht in einer Notlage, durch die Verfahrensergebnisse nicht gedeckt sei.

2.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg. Die wesentliche Begründung des die Einstellung der Übernahme der Mietkosten der Beschwerdeführerin mit Ablauf des Monates Juli 1989 im Instanzenzug verfügenden angefochtenen Bescheides, nämlich: die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe in der Zeit vom 1. Juli 1989 bis 16. Oktober 1989 von ihrer Schwester Zuwendungen in der Höhe von ca. S 5.000,-- erhalten, sei unglaubwürdig (unwahrscheinlich), da sie aber dessenungeachtet keinen Antrag auf "laufende" Sozialhilfe gestellt habe, sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführerin - über die ihr unbestritten zufließenden S 2.500,-- aus Kinderbeihilfe und Unterhaltsleistung für ihren mj. Sohn hinaus - "andere von ihr nicht bekanntgegebene Einnahmequellen zur Verfügung stehen", vermag die beschwerdegegenständliche Entscheidung nicht zu tragen.

Selbst wenn man der belangten Behörde soweit folgte, daß die Beschwerdeführerin mangels der behaupteten Unterstützung durch ihre Schwester und im Hinblick auf das Nichtstellen eines Antrages auf Gewährung "laufender" Sozialhilfe (der allgemeinen Lebenserfahrung nach) über "andere" Einnahmequellen verfüge, wäre damit für den Standpunkt der belangten Behörde nichts Entscheidendes gewonnen. Denn auf dem Boden dieser Argumentation fehlte das ausschlaggebende letzte Glied der Begründungskette. Die belangte Behörde hätte es nämlich unterlassen darzutun, daß die von ihr angenommenen "anderen" Einnahmequellen der Beschwerdeführerin eine solche Höhe aufweisen, daß sie damit in die Lage versetzt wird, außer dem sonstigen zum Lebensunterhalt zu zählenden Aufwand AUCH den - im Beschwerdefall durchaus erheblichen - Aufwand für die Unterkunft (Mietkosten) zu decken. Ginge man indes davon aus, daß die belangte Behörde eben diese Erwägung unausgesprochen, als gleichsam "selbstverständlich" ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe, so würde auch dann ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegen, da diesfalls konkrete Beweisergebnisse und konkrete, darauf fußende Tatsachenfeststellungen fehlten, die es der Behörde erlaubten, in unbedenklicher Weise den rechtlichen Schluß zu ziehen, die "anderen" Einnahmequellen der Beschwerdeführerin reichten (iVm ihren erwähnten Einkünften von S 2.500,--) aus, ihr - ohne daß sie insoweit auf die Leistung aus der Sozialhilfe angewiesen wäre - die Zahlung AUCH der monatlichen Miete in der Höhe von S 3.500,-- bzw. S 4.500,-- zu ermöglichen, weshalb in dem hier allein relevanten Umfang der Mietkosten keine Notlage der Beschwerdeführerin gegeben sei.

Liegt somit für den in der Argumentation des bekämpften Bescheides ausschließlich berücksichtigten Zeitraum vom 1. Juli 1989 bis 16. Oktober 1989 eine unzureichende, weil auf einem mangelhaft ermittelten Sachverhalt beruhende Begründung vor, so hat die belangte Behörde mit ihrer auf die genannte Zeitspanne eingeengten Sicht nicht bedacht, daß sich die verfügte Einstellung der Übernahme der Mietkosten der Beschwerdeführerin spruchmäßig nicht auf die Zeit 1. Juli 1989 bis 16. Oktober 1989 beschränkt, sondern darüber hinaus reicht. Zu der oben dargestellten Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides tritt somit eine weitere, und zwar dergestalt, daß hinsichtlich der Einstellung der Übernahme der Mietkosten für den Folgezeitraum (also ab 16. Oktober 1989) jegliche Begründung fehlt (dies als Folge insoweit zur Gänze fehlender Sachverhaltsfeststellungen).

3. Nach dem Gesagten war der in Beschwerde gezogene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Grunde des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990190218.X00

Im RIS seit

01.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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