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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 lita;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):90/19/0573Betreff
N 1) auf formlose Fortsetzung des mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0261, eingestellten Verfahrens, 2) auf Wiederaufnahme des angeführten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und 3) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Februar 1990, Zl. SD 495/89, betreffend eine Angelegenheit nach dem Meldegesetz
Spruch
Der Antrag auf formlose Fortsetzung des Verfahrens wird zurückgewiesen.
Den Anträgen auf Wiederaufnahme des Verfahrens und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird keine Folge gegeben.
Begründung
Am 12. März 1990 langte beim Verwaltungsgerichtshof der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Februar 1990 ein. Dem Antrag war eine Ausfertigung dieses Bescheides angeschlossen. Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1990, Zl. VH 90/19/0007, wurde dem Antragsteller antragsgemäß die Verfahrenshilfe bewilligt. Mit Bescheid vom 6. April 1990 bestellte der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien den Rechtsanwalt Dr. GW zum Vertreter für den Antragsteller. Diesem Rechtsanwalt wurde die vom Antragsteller vorgelegte Ausfertigung des anzufechtenden Bescheides mit dem Beschluß über die Bewilligung der Verfahrenshilfe und dem Bestellungsbescheid zugestellt.
Mit Postaufgabe 3. Mai 1990 brachte Dr. W namens des Antragstellers die Beschwerde gegen den angeführten Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien ein. Diese Beschwerde wurde beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 90/19/0261 protokolliert. Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Mai 1990 wurde dem - dortigen - Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 2 VwGG der Mängelbehebungsauftrag zum Anschluß einer Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides erteilt. Da der Beschwerdeführer diesem Mängelbehebungsauftrag nicht nachkam, wurde das Beschwerdeverfahren mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1990 eingestellt.
Mit Schriftsatz vom 24. Juli 1990 stellte der Antragsteller, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. GW, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist. Diesem Antrag wurde mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0437, gemäß § 46 VwGG nicht stattgegeben.
Mit Eingabe vom 1. Dezember 1990 brachte der Antragsteller im wesentlichen vor, daß er anläßlich einer Akteneinsicht am 21. November 1990 festgestellt habe, daß das Verfahren VH 90/19/0007 in das Verfahren 90/19/0261 übergeleitet und daß letzteres eingestellt worden sei. Aus den vorhandenen Unterlagen gehe eindeutig hervor, daß er mit dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe den anzufechtenden Bescheid im Original vorgelegt habe. Ein Mängelbehebungsauftrag gehe also völlig ins Leere. Die Entfernung von Originalunterlagen aus dem Akt und deren Versendung entspreche nicht verantwortungsbewußter Aktenführung. Der Antragsteller stellte folgende Anträge:
"1) Formlose Fortsetzung des Verfahrens:
Der Beschwerdeführer hat den angefochtenen Bescheid im Original (ÜÜÜ) dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt, sodaß ein Mängelbehebungsauftrag an ihn nicht stattfinden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hingegen hat das ihm durch den Beschwerdeführer anvertraute Original-Dokument veruntreut, indem er sich dessen durch Versendung (ohne vorherige Duplikation) an einen obskuren und unwilligen Advokaten entledigte, um dem Beschwerdeführer den Rechtsschutz verweigern zu können.
2) Wiederaufnahme des Verfahrens:
Das Mitglied des Verwaltungsgerichtshof, ..., hat amtsmißbräuchlich sich des vom Beschwerdeführer vorgelegten Original-Bescheides entledigt, indem er das Original (ohne vorherige Duplikation) dem Akt entnehmen ließ und einem obskuren und unwilligen Advokaten übersenden ließ, der es dann nicht fristgerecht rückmittelte. Dem Beschwerdeführer wurde zu diesem Vorgang, der offensichtlich eine Rechtsschutzverweigerung bezweckte, überdies keinerlei Parteiengehör gewährt.
3) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Der vom Beschwerdeführer pflichtgemäß im Original vorgelegte angefochtene Bescheid wurde von der Verwaltungsgerichtshof-Kanzlei ohne vorherige Duplikation aus dem Akt entnommen und einem obskur-inferioren und unwilligen Advokaten übersendet. Um dem Beschwerdeführer den drohenden und vom Verwaltungsgerichtshof beabsichtigten Rechtsschutzverlust zu verschleiern, wurde der Beschwerdeführer weder von der Übersendung seines Original-Bescheides an den Advokaten, noch von der dem Advokaten aufgetragenen neuerlichen Vorlage des Original-Bescheides verständigt. Der Beschwerdeführer konnte daher keine Schritte setzen, die die beabsichtigte Rechtsschutzverweigerung hätten hindern können. Sogleich nach Kenntnis der Aktenmanipulation unternahm der Beschwerdeführer jedoch die nötigen Verfahrensschritte fristgerecht."
Was den Antrag auf "formlose Fortsetzung des Verfahrens" anlangt, so ist der Antragsteller darauf zu verweisen, daß eine "Fortsetzung" eines eingestellten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Gesetz nicht vorgesehen ist (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 1961, Slg. Nr. 5576/A). Dieser Antrag mußte daher zurückgewiesen werden.
Die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluß abgeschlossenen Verfahrens ist gemäß § 45 Abs. 1 VwGG auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn einer der in Z. 1 bis 5 der genannten Bestimmung angeführten Gründe vorliegt. Ein im Sinne dieser Gesetzesstellen tauglicher Wiederaufnahmegrund kann dem Vorbringen des Antragstellers nicht entnommen werden. Daß dem für den Antragsteller zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt der anzufechtende Bescheid übermittelt wurde, ist nicht nur gesetzlich zulässig, sondern auch zweckmäßig, wird doch der Rechtsanwalt dadurch in die Lage versetzt, unverzüglich Vorbereitungen für die Erhebung der Beschwerde zu treffen. Der vorherigen Anfertigung einer Ablichtung des Bescheides bedurfte es nicht, zumal der Bescheid gemäß § 28 Abs. 5 VwGG ohnedies wieder der einzubringenden Beschwerde anzuschließen gewesen wäre. Der in diesem Zusammenhang vom Antragsteller erhobene Vorwurf des Amtsmißbrauches, der offenbar auf den Wiederaufnahmegrund nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VwGG abzielt, entbehrt somit jeglicher Berechtigung. Soweit der Antragsteller - möglicherweise unter dem Gesichtspunkt des § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG - die Notwendigkeit der Erteilung des Mängelbehebungsauftrages bestreitet, ist ihm entgegenzuhalten, daß sich der Wiederaufnahmegrund nach § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG nur auf den - hier nicht bestrittenen - Sachverhalt und nicht auf die rechtliche Beurteilung bezieht (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1955, Slg. Nr. 3886/A). Im übrigen ist auf § 28 Abs. 5 VwGG hinzuweisen, wonach Beschwerden nach Art. 131 B-VG, sofern dem Beschwerdeführer der Bescheid zugestellt worden ist, eine Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides anzuschließen ist. Dieser Vorschrift wurde jedenfalls nicht entsprochen, wenn der Bescheid zwar dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe angeschlossen war jedoch vor Erhebung der Beschwerde dem Vertreter des Antragstellers zurückgestellt, von diesem aber mit der Beschwerde nicht vorgelegt, wurde. Bei der gegebenen Sachlage kann auch von keiner Verletzung des Parteiengehörs im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (§ 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG) die Rede sein.
Dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens war daher keine Folge zu geben.
Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt gemäß § 46 Abs. 1 VwGG voraus, daß eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. den Beschluß vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0285, und die dort zitierte Vorjudikatur) trifft ein Verschulden des Parteienvertreters, und zwar auch des zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwaltes, an der Versäumung der Frist die von diesem vertretene Partei. Es schließt, sofern es sich nicht nur um einen minderen Grad des Versehens handelt, die Wiedereinsetzung aus. Ein derartiges Verschulden lag - wie im erwähnten Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0437, festgestellt wurde - auch im gegenständlichen Fall vor. Da es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens handelte, konnte mit dem genannten Beschluß vom 24. September 1990 dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben werden. Es mußte somit auch dem nunmehr gestellten Wiedereinsetzungsantrag der Erfolg versagt werden.
Zufolge offenbarer Aussichtslosigkeit der Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war hinsichtlich des Fehlens der nach § 24 Abs. 2 VwGG erforderlichen Unterschrift eines Rechtsanwaltes von einem Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG 1950 (§ 62 Abs. 1 VwGG) abzusehen.
Schlagworte
ZurückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990190572.X00Im RIS seit
03.04.2001Zuletzt aktualisiert am
23.07.2010